Städtetag 2011 in St. Pölten: Forderung nach Strukturreformen   

erstellt am
25. 05. 11

Städtebund-Bürgermeister Häupl, Stadler und Linhart nehmen vor der Eröffnung zur schwierigen Finanzsituation der Städte und Gemeinden Stellung
St. Pölten (rk) - "Österreichs Städte sind die Wachstumsmotoren des Landes, die Laboratorien für gesellschaftliche Entwicklungen und die Zentren der Kreativität und Innovation. Rund 65 Prozent der Bevölkerung und über 70 Prozent aller Arbeitsplätze finden sich in Österreichs Ballungsräumen, die den Bürgerinnen und Bürgern täglich kommunale Dienstleistungen auf höchstem Niveau bieten. Gerade die letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass die Investitionstätigkeit von Städten und Gemeinden wesentlich dazu beigetragen hat, die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in Österreich abzufedern. Der Motor Stadt darf nicht abgewürgt werden, sondern es muss alles dafür getan werden, dass er weiter rund läuft. Und dafür braucht es Strukturreformen", so Städtebund-Präsident und Wiens Bürgermeister Michael Häupl am 25.05. bei einem Mediengespräch unmittelbar vor der Eröffnung des 61. Städtetages 2011 in St. Pölten.

Der Bürgermeister der gastgebenden Stadt, Matthias Stadler, freut sich, die Entscheidungsträger aus Österreichs Städten und der Wirtschaft in St. Pölten begrüßen zu können: " St. Pölten wurde vor 25 Jahren am 10. Juli 1986 zur Landeshauptstadt von Niederösterreich ernannt und wir können heute stolz auf eine äußerst rasante und positive Stadtentwicklung verweisen. Es besteht so wie bei den meisten Städten jedoch die Gefahr, dass diese Dynamik durch den nicht selbst verschuldeten finanziellen Engpass gebremst wird. Die budgetären Mittel reichen nicht mehr aus. Das liegt daran, dass uns wichtige Sanierungsmittel zur Budgetkonsolidierung bisher vorenthalten wurden und die Kommunen eine harte Nuss nach der anderen zu knacken bekommen."

Und Markus Linhart, Bürgermeister der Stadt Bregenz ergänzt: "Die Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre hat neben dem massiven Einbruch der Ertragsanteile deutlich gemacht, dass der Finanzausgleich eine starke Schieflage aufweist, umso mehr, als die Ausgaben insbesondere für die Städte stark ansteigen. Die "zentralörtlichen Aufgaben" finden keine Berücksichtigung: hier besteht ein dringender Handlungsbedarf."

Kommunale Versorgung mit Bestnoten
Österreichs Städte und Gemeinden stellen eine international vorbildliche kommunale Infrastruktur zur Verfügung - Gesundheit, Soziales, Jugend, Kultur, Bildung, Integration, Sport, Trinkwasserversorgung, Müll- und Abwasserentsorgung sind allesamt Leistungen im öffentlichen Interesse, die von der Bevölkerung sehr geschätzt werden: So ist die Zufriedenheit von Leistungen wie Trinkwasserversorgung (98 Prozent Zustimmung) oder Müllentsorgung (92 Prozent Zustimmung) sehr hoch, wie die jüngsten Zahlen des "Städtebarometer" (SORA für den Österreichischen Städtebund) zeigen. Österreichs Städte und Gemeinden sind aber auch Wirtschaftsmotoren: Sie investieren pro Jahr rund 2 Milliarden Euro, schaffen Arbeitsplätze und unterstützen damit die heimischen Klein- und Mittelunternehmen. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise für Österreich abzufedern.

Finanzielle Schieflage
Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Schieflage in der Verteilung der Geldmittel offensichtlich geworden: In den vergangenen zwei Jahren sind die Anteile der gemeinschaftlichen Steuern (Ertragsanteile) eingebrochen und dieser massive Einnahmentfall belastet - trotz nunmehr wieder steigender Ertragsanteile - die kommunalen Haushalte in Zukunft auch weiterhin. Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Städte und Gemeinden besonders im Bereich Soziales und Gesundheit sowie Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) stark an.

Die Einrichtung eines Pflegefonds ist nur ein erster wichtiger Schritt, reicht aber nicht aus, alle anderen strukturellen Defizite auszugleichen. Denn die Transferzahlungen an die Bundesländer machen inzwischen bis zu 50 Prozent der Ausgaben der Städte- und Gemeindehaushalte aus. Nur umfassende Strukturreformen können dazu führen, dass Städte und Gemeinden das hohe Niveau der Leistungen in der Daseinsvorsorge halten können. Der Österreichische Städtebund fordert daher:

  • Klare Aufgaben: Es muss eindeutige Zuständigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften geben und damit eine klare Finanzierungsverantwortung. Nur so sind die radikale Entflechtung der Transferströme und die Abschaffung von intransparenten Kofinanzierungen und Mehrfachzuständigkeiten möglich. Beispiel: Kinderbetreuung durch Städte und Gemeinden, Gesundheit und Soziales durch die Länder.
  • Faire Finanzen: Es muss ein neuer Schlüssel für die Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (Ertragsanteile) gefunden werden: Der Städtebund hat ein neues Modell für den Finanzausgleich (FAG) vorgelegt, der sich an den tatsächlichen Aufgaben einer Stadt orientiert. In Zeiten, in denen die Menschen immer mobiler werden, müssen die "zentralörtlichen Aufgaben" stärker berücksichtigt werden, das sind jene Leistungen, die Städte auch für ihr Umland erfüllen (Öffentlicher Verkehr, Kindergärten, Schulen oder Hochschulen, Theater-, Sport-, Gesundheits-, und Sozialeinrichtungen).
  • Gerechte Steuern: Die gemeindeeigenen Steuern müssen modernisiert und verfassungsmäßig abgesichert werden. Es kann nicht sein, dass die Steuern der Kommunen von Bund und Ländern durch Ausnahmebestimmungen und Nicht-Aktualisierung ausgehöhlt und zunehmend sogar von Verfassungswidrigkeit bedroht werden.
  • Und letztlich ein "Städterettungsschirm" von rund einer Milliarde Euro, der als Akutmaßnahme betroffenen Städten und Gemeinden durch Zwischenfinanzierungen zu Liquidität verhilft. Dies könnte etwa über die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) geschehen, die ja schon Finanzierungen für den Bund und die Länder abwickelt.


Der 61. Österreichischer Städtetag in St. Pölten
Von Mittwoch, 25. bis Freitag, 27. Mai 2011 laden der Österreichische Städtebund und die Stadt St. Pölten zum 61. Österreichischen Städtetag 2011. Unter dem Motto "Starke Städte, starke Regionen - klare Aufgaben, faire Finanzen" stehen im Mittelpunkt des Städtetages Fragen zur Finanzierung von Städten und Gemeinden, aber auch die städtische Dimension in allen Reformvorhaben.

Bei der feierlichen Eröffnung ab 15 Uhr werden neben den Gastgebern, Bürgermeister und Städtebund-Präsident Michael Häupl sowie Bürgermeister Matthias Stadler, unter anderem Bundespräsident Heinz Fischer, Landeshauptmann Erwin Pröll und die neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner das Wort ergreifen. Die Festrede hält der EU-Kommissar für Regionalpolitik Johannes Hahn.

Am zweiten Tag stehen Arbeitskreise zu vier wichtigen Themen -Verwaltungsreform, aufgabenorientierter Finanzausgleich, Pflege, Integration - mit vielen internationalen ExpertInnen und zwei BundesministerInnen auf dem Programm. Den Abschluss bildet am 3. Tag eine Podiumsdiskussion zum Thema "Mythos Stadt-Land".

Der Österreichische Städtetag ist die jährliche Generalversammlung des Österreichischen Städtebundes und seiner rund 250 Mitgliedsstädte und Gemeinden, es werden rund 900 Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte, sowie nationale und internationale Gäste erwartet.

     
Informationen: http://www.staedtetag.at    
     
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