Wien (wifo) - Während die Weltkonjunktur kräftig bleibt, erholt sich die Wirtschaft nach der Krise
in den einzelnen EU-Ländern sehr unterschiedlich und insgesamt nur verhalten. Die Probleme hoher Arbeitslosigkeit
und Staatsverschuldung bleiben bestehen.
Der Welthandel expandierte zur Jahreswende 2010/11 kräftig, der Aufschwung der Weltwirtschaft hält also
an. Das Welt-BIP wird 2011 und 2012 jeweils real um gut 4% zunehmen. Den bedeutendsten Wachstumsmotor bildet die
Wirtschaft der asiatischen Schwellenländer. Dort erweisen sich nicht nur die Exporte, sondern auch die Investitions-
und Konsumnachfrage als kräftig; dämpfende Effekte kommen von der restriktiven Wirtschaftspolitik und
dem Preisauftrieb, insbesondere der Rohstoffpreishausse. Hingegen begünstigt die Verteuerung von Rohstoffen
die meisten lateinamerikanischen Schwellenländer und Russland. In Japan leidet die Wirtschaftsentwicklung
derzeit erheblich unter den Folgen der Naturkatastrophen und der nuklearen Verseuchung; das Ausmaß der Dämpfung
kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Auch die Konjunktur der USA stützt die Weltwirtschaft, vor allem
weil die Wirtschaftspolitik ihren expansiven Kurs bislang noch beibehält.
In der EU leitete die Wirtschaftspolitik und besonders die Fiskalpolitik die Abkehr vom expansiven Kurs hingegen
bereits ein. Unter dem Druck hoher Defizite und verstärkt durch die Finanzmärkte und die Rahmenbedingungen
der EU-Kredithilfen wird in Griechenland, Irland und Portugal, aber auch in Spanien eine sehr restriktive Budgetpolitik
mit Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen umgesetzt. Die Folge ist eine Verringerung des Budgetdefizits,
aber auch eine erhebliche Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und damit zunächst eine Vertiefung
der Rezession. Somit hält die schon vor der Wirtschaftskrise beobachtete Zweiteilung der Konjunktur in der
EU an. Mehrere Mitgliedsländer in Süd- und Westeuropa kämpfen mit den Folgen des Platzens der Blase
auf Immobilienmärkten, fehlender Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und den Wirkungen restriktiver Budgetpolitik;
dies äußert sich auch in einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen. Hingegen
profitieren die Länder mit exportorientierter Sachgütererzeugung Deutschland, die Niederlande, Österreich,
die skandinavischen Länder, Tschechien und die Slowakei von der regen Nachfrage der Weltwirtschaft. In diesen
Ländern sinkt die Arbeitslosigkeit bereits wieder. In der EU insgesamt bleibt die Erholung nach der tiefen
Wirtschaftskrise wegen dieser Zweiteilung der Konjunktur gedämpft: Das Wachstum erreicht 2011 und 2012 real
nur 1¾% (Euro-Raum +1½%). Dies ist zu wenig, um einen merklichen Rückgang der Arbeitslosenquote
zu ermöglichen (2012 EU 9,3% der Erwerbspersonen, Euro-Raum 9,5%), und beeinträchtigt trotz restriktiver
Ausrichtung der Budgetpolitik auch die Erreichung der Konsolidierungsziele (Finanzierungssaldo des Staates 2012
EU 3,8% des BIP, Euro-Raum 3,7%). |