Der österreichische Atomspion Engelbert Broda    

erstellt am
03. 06. 11

Wien (universität) - Die Atombombe nahm in der Geschichte des 20. Jahrhunderts entscheidende Bedeutung ein. Doch nur wenig ist über die an der Entwicklung beteiligten WissenschafterInnen bekannt. Einer von ihnen war der österreichische Chemiker und Physiker Engelbert Broda, der in den 1940er-Jahren im englischen Exil für die UdSSR spionierte. Sein Sohn Paul zeichnet nun in einem Buch die turbulente Familiengeschichte nach: "Scientist Spies" wird am 15. Juni an der Fakultät für Chemie der Universität Wien präsentiert.

Im Jahr 2009 veröffentlichte der ehemalige KGB-Mitarbeiter Alexander Vassiliev ein Buch, in dem er die Spionage Engelbert Brodas gegen Großbritannien und für die UdSSR dokumentiert. Vassiliev erhielt für seine Recherchen Einblick in bis dahin nicht zugängliche Dokumente des sowjetischen Geheimdienstes und konnte beweisen, was der britische Geheimdienst MI5 jahrzehntlang nur vermutet hatte: Demnach versorgte Broda, der im britischen Exil an dem Nuklearwaffenprojekt "Tube Alloys" mitwirkte, den KGB unter dem Decknamen "Eric" mit Informationen zu seiner Tätigkeit.

Ideologische, nicht materielle Motive
Broda handelte aus ideologischen, nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen: Der überzeugte Kommunist wollte die Sowjets in ihrem Kampf gegen den Nationalsozialismus unterstützen und dabei das Monopol des Westens auf die Atombombe verhindern. Angebotene Zahlungen des KGB lehnte er stets ab. Geboren 1910, wurde er ideologisch von seinem Onkel geprägt, dem Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst. In seiner Studienzeit schloss sich Broda dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus an, 1934 dissertierte er an der Universität Wien und flüchtete 1938 nach England.

"Drei Elternteile"
Engelbert Brodas Sohn Paul rekonstruiert diese Familiengeschichte in seinem kürzlich erschienen Buch "Scientist Spies. A Memoir of my three Parents". Der im Titel genannte dritte Elternteil verweist auf einen weiteren Wissenschafter, der in Großbritannien für die UdSSR spionierte: Alan Nunn May, Stiefvater von Paul Broda. Wie Engelbert Broda war May überzeugt, mit seinem Handeln die Welt sicherer machen zu können und lehnte Entlohnung für seine Spionage ab. Doch im Gegensatz zu Broda wurde May enttarnt und 1946 angeklagt. Nach sechsjähriger Haftstrafe lernte er Paul Brodas Mutter Hilde kennen.

Engelbert Broda kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Österreich zurück und war von 1968 bis 1980 Professor für Angewandte physikalische Chemie an der Universität Wien. Als sein wissenschaftliches Hauptwerk gilt die "Evolution bioenergetischer Prozesse" aus dem Jahr 1975. Neben seiner Forschung war er in der Friedens- und Umweltschutzbewegung aktiv, u.a. bei der Verhinderung der Kraftwerke Dürnstein und Zwentendorf sowie als früher Förderer der Solarenergie. Auch engagierte er sich in der Pugwash-Bewegung, in der sich WissenschafterInnen für Rüstungskontrolle und Abrüstung einsetzen. Broda starb unerwartet bei einem Spaziergang in der Hainburger Au 1983.

Buchpräsentation mit Rahmenprogramm
In "Scientist Spies" werden die Lebensgeschichten von Engelbert Broda, Hilde Broda und Alan Nunn May miteinander in Bezug gesetzt – drei von Faschismus, Kommunismus, Zweiter Weltkrieg und Atombombe geprägte Biographien. Am 15. Juni liest Paul Broda,
emeritierter Professor für Molekularbiologie an der University of Manchester, an der Universität Wien aus seinem Buch. Die Begrüßung nehmen Walther Schmid (Vizedekan der Fakultät für Chemie), Herbert Ipser (Präsident der Gesellschaft Österreichischer Chemiker) und Brigitte Kromp (Leiterin der Österreichischen Zentralbibliothek für Physik) vor. Arnold Schmidt, emeritierter Professor an der TU Wien, hält einen kurzen Vortrag zu Engelbert Broda.

Zeit: Mittwoch, 15. Juni 2011, 17 Uhr
Ort: Universität Wien, Fakultät für Chemie, Carl Auer von Welsbach-Hörsaal, 1090 Wien, Boltzmanngasse 1
     
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