Töchterle: Sicherheitsforschung muss im Euratom- Forschungsprogramm zentral verankert werden   

erstellt am
01. 06. 11

Wissenschafts- und Forschungsminister beim Wettbewerbsrat in Brüssel – setzt sich für Neuorientierung im Euratom-Forschungsprogramm ein
Wien (bmwf) - „Die Sicherheitsforschung muss im Euratom-Forschungsprogramm zentral verankert werden. Wir tragen gemeinsam die Verantwortung für über 500 Millionen Menschen in Europa, die zu Recht von uns erwarten, ihre Interessen zu achten und zu schützen“, betonte Wissenschafts- und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle in seiner Rede beim Wettbewerbsrat am 31.05. in Brüssel. Er spricht sich für eine Neuorientierung im Euratom-Forschungsprogramm aus, das nun bis Jahresende für den Zeitraum 2012 – 2013 verhandelt wird. Aus Sicht Österreichs müssen dabei fünf zentrale Punkte berücksichtigt werden, darunter der massive Ausbau der Forschung zur Erhöhung der Sicherheit mit verpflichtendem Umsetzungsbericht bis Anfang 2013 und die höhere budgetäre Gewichtung für die nicht-nukleare Energieforschung ab dem Jahr 2014. In seinen Bestrebungen wird Österreich von Luxemburg unterstützt. In den nun anstehenden Gesprächen gilt es, weitere Länder von der Neuorientierung zu überzeugen.

„Manche denken, die Interessen der Menschen bestehen darin, dass wir weitermachen wie bisher. ‚Kontinuität‘ heißt das Schlagwort, mit dem man das auslaufende Forschungsprogramm einfach um zwei weitere Jahre fortschreiben will. Natürlich wäre das ein bequemer Weg, bei dem wir keine langen Debatten führen müssten“, sagte Töchterle. Aber dieser Weg wäre aus seiner Sicht „nicht verantwortungsvoll. Es ist nämlich unsere gemeinsame Verantwortung, den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass wir aus den katastrophalen Ereignissen in Japan Konsequenzen ziehen.“

„Manche denken, dass wir ‚Kontinuität‘ mit ein bisschen mehr ‚Sicherheitsforschung‘ verbinden sollen“, so Töchterle weiter. Diese Haltung komme ihm vor wie ein Autofahrer, der mit überhöhter Geschwindigkeit durch den Nebel rast, und dabei auf den Sicherheitsgurt allein vertraue. Jetzt sei aber gefragt, „Tempo wegzunehmen, auf Sicht zu fahren und die Richtung zu ändern, in die wir in der Nuklearforschung unterwegs sind“. Österreich spricht sich daher klar für eine „Neuorientierung“ des Euratom-Forschungsprogramms im Bereich der Kernspaltung aus.

Diese „Neuorientierung“ umfasst folgende fünf Punkte:

  • Die Fördermittel sollen auf Fragen im Zusammenhang mit bestehenden Reaktoren konzentriert werden. Das bedeutet, dass kein Geld aus dem EU-Haushalt in Konzepte der neuen 4. Generation von Reaktoren investiert werden soll. Der Euratom-Vertrag ist kein Freibrief für die Industrie, Produkte mit Steuermittel zu entwickeln, die die Bevölkerung in Europa massiv gefährden.
  • Die Sicherheitsforschung muss weit über das bisherige Maß hinaus in den Mittelpunkt der Bemühungen gerückt werden. Konkret heißt das zum Beispiel, den möglichst sicheren Umgang mit Atommüll aus den bestehenden Anlagen zu erforschen oder sicherzustellen, dass die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission ihre Expertise im nuklearen Ernstfall rasch zur Verfügung stellt. Österreich fordert einen Umsetzungsbericht Anfang 2013, der glaubwürdig darlegen muss, wie die verstärkten Bemühungen um Sicherheitsforschung implementiert wurden.
  • Budget: Bei der Kernspaltung geht es um einen vergleichsweise kleinen Teil des Euratom-Forschungsprogramms. Weit über 80 Prozent der vorgeschlagenen Fördermittel sollen in die Fusionsforschung gehen, also in einen Bereich, wo Europa weltweit führend die Grundlagen für die mögliche langfristige Energiegewinnung aus der Kernfusion erforscht. „Ich sage mit bewusstem Blick auf Frankreich, wo in Cadarache der ITER mit vereinten Kräften errichtet wird, dass Österreich den Konsens in der Fusionsforschung heute nicht in Frage stellt. Wir tun dies nicht zuletzt im Bewusstsein, dass wir in Europa manchmal in der Forschung Projekte gemeinsam vorantreiben müssen, auch wenn wir im eigenen Land durchaus Zweifel am Nutzen dieser Forschung haben“, so Töchterle. Im Gegenzug erwarte sich Österreich aber die Bereitschaft, in dem relativ bescheidenen Budget für die Kernspaltung die budgetären Schwerpunkte dort zu setzen, „wo wir ohne Vorbehalte den größten Nutzen erkennen: im Strahlenschutz, in der Nuklearmedizin, in der Risikoforschung oder bei allen Aktivitäten, die mit dem Nichtweiterverbreiterungsvertrag verbunden sind“.
  • „Wir müssen die geschlossenen Denksysteme derjenigen aufbrechen, die sich eine Welt ohne Nuklearenergie gar nicht mehr vorstellen können; die uns ernsthaft einreden wollen, dass die Nuklearforschung von der allgemeinen Energieforschung und der Frage des Energie-Mix der Zukunft zu trennen wäre“, fand Töchterle klare Worte. „Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir im kommenden Euratom-Forschungsprogramm den Dialog zwischen Befürwortern der Nuklearforschung und jenen von Alternativenergien verstärken können. Auch eine Studie von unabhängiger Seite wäre zweckmäßig.“
  • Während der Rede des Ministers wurde von den Vereinten Nationen der neueste Bericht zur Rolle von erneuerbaren Energien im Klimawandel präsentiert. Die Forscherinnen und Forscher des mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) plädieren im heute veröffentlichen Bericht für mehr Forschung und Innovation im Bereich der erneuerbaren Energieträger. „Ich möchte im Namen der österreichischen Bundesregierung diesen Appell an die Forschungspolitik unterstützen und alle einladen, dass wir bei den ab 2014 beginnenden Forschungsprogrammen mehr budgetäres Gewicht auf die nicht-nukleare Energieforschung legen“, appellierte Töchterle.
     
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