Forschungsförderung - auf dem Weg zum Land der rauchenden Köpfe   

erstellt am
01. 06. 11

Aktuelles Thema Innovation und Technologie im Bundesrat
Wien (pk) - Am Beginn der Sitzung des Bundesrats vom 01.06., der erstmals live und ungekürzt von TW1 übertragen wird, ging es im Rahmen einer Aktuellen Stunde um das Thema "Förderung der wirtschaftsnahen, angewandten Forschung für Wachstum und Beschäftigung in Österreich". Von Seiten der Bundesregierung stand zu dieser Debatte die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, Doris Bures, den Bundesrätinnen und Bundesräten Rede und Antwort.

Bundesrat Reinhard TODT (S/W) leitete die Diskussion ein, indem er von einer einzigartigen Erfolgsgeschichte Österreichs in der Forschungs- und Technologiepolitik während der letzten Jahre sprach. Sei das Land noch 2003 bei der Forschungsquote international noch weit hinten gelegen, nehme es nun bereits die siebente Stelle in Europa ein. In der Forschungs- und Entwicklungspolitik wird die Frage entschieden, "wie wir in 20 Jahren leben werden, mit welcher Energie wir heizen und kühlen und wie Waren erzeugt werden". Und dies werde auch über die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen entscheiden, sagte Todt, der die Bundesregierung bei der Förderung neuen Wissens und dessen praktischer Nutzung auf einem guten Weg sah. Die Bundesregierung unterstützt die Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen, lobte Todt und würdigte dabei die Tätigkeit der Forschungsförderungsgesellschaft(FFG). Forschung und Innovationsentwicklung sind ein Schlüssel für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben Österreichs, schloss Bundesrat Todt.

Auch Bundesrätin Angelika WINZIG (V/O) sah die Stärkung von Innovation, Forschung und Entwicklung als einen wichtigen Faktor zur Absicherung des Wohlstands in Österreich. Im zunehmenden globalen Wettbewerb komme der Erhöhung der Forschungsquote auf 3,8%, wie es die Forschungs-, Technologie- und Innovationsstrategie vorsieht, zentrale Bedeutung zu, sagte Winzig und unterstützte das Ziel der Regierung, Österreich zu einem Innovationsleader zu machen. Dazu gehört die ständige Evaluierung der Forschungsbemühungen und die Erhöhung der privaten Forschungsquote. Öffentliche Mittel sollten als Hebel eingesetzt werden, um das private Forschungsengagement zu steigern. Forschungs-Schwellenängste bei KMU seien abzubauen und der Kontakt von ForscherInnen und mittelständischer Wirtschaft weiter zu intensivieren.

Ihr Bundesland Oberösterreich sei wegweisend, sagte die Bundesrätin und machte auf die OÖ-Innovationsholding aufmerksam, die als Dachorganisation für alle Landesstellen, die Forschung und Innovation fördern, tätig ist. Kooperationen zwischen Wirtschaft und Forschungseinrichtungen werden gestärkt und Synergien genutzt. Das Ziel Oberösterreichs laute, ein High-Tech-Land, ein "Land der rauchenden Köpfe" zu werden.

Bundesrat Gerd KRUSCHE (F/St) kritisierte, erst gestern erfahren zu haben, welches Thema heute in der Aktuellen Stunde des Bundesrats behandelt werde. Forschungsförderung und wirtschaftsnahe Forschung seien wichtige Themen, im Ressortbereich von Bundesministerin Bures sah Krusche aber aktuellere Themen. Er nannte die ständige Baustelle ÖBB und das "Millionengrab Skylink". Kritisch sah Krusche auch jüngste Entscheidungen im kombinierten Verkehr der ÖBB. Er erwarte verstärkten Lkw-Verkehr im Stückguttransport und zusätzliche Feinstaubimmissionen im ohnehin schon stark belasteten Großraum Graz, klagte Krusche. So werde man den Klimaschutzzielen sicher nicht näher kommen, sagte der Bundesrat und ortete Widersprüche zwischen den "schönen Worten" und der unzulänglichen politischen Praxis der Ministerin. Krusche vermisste eine umweltfreundliche Verkehrspolitik und kritisierte eine ungenügende Straßenbaupolitik sowie die Einstellung wichtiger Bahnverbindungen, etwa zwischen Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck. Ältere Menschen litten unter den Folgen dieser Verkehrspolitik und insbesondere an viel zu kurzen Zeitintervallen für das immer öfter notwendige Umsteigen von einem Zug auf den anderen. Hinsichtlich der Tunnelprojekte Koralm und Semmering sprach sich der Bundesrat dafür aus, die Gelegenheit für die Förderung von Innovationen in der österreichischen Tunnelbautechnik zu nutzen.

Bundesministerin Doris BURES unterstrich ebenfalls die Bedeutung von Forschung, Innovation und Technologie für den Wirtschaftsstandort Österreich. Das sei kein Thema für "schöne Worte", sondern ein Schlüsselfaktor, um der Jugend Zukunftschancen zu sichern, antwortete die Ministerin ihrem Vorredner. Jüngste Entscheidungen im Stückgutverkehr der ÖBB beträfen nur 4% des gesamten Stückguttransports, informierte die Ministerin und bekannte sich dazu, die ÖBB "zukunftsfit" zu machen und deren Position als Europameister im Güterverkehr zu erhalten.

Die gemeinsame Forschungsstrategie 2020 der Bundesregierung stelle ein umfassendes Programm dar, das von den Kindergärten über die Schulen und Forschungseinrichtungen bis zu den Universitäten reicht und der Vision folge, Österreich in eine Führungsposition auf dem Feld der Innovation zu bringen. Das brauche Innovationsinvestitionen in der Wirtschaft und die Entwicklung neuer Produkte sowie neuer Produktionsverfahren. Die Bundesregierung verfolge zugleich mit der Budgetkonsolidierung eine Politik der klugen Investitionen, und dazu gehöre die Forschungs- und Technologieentwicklung, für die in den nächsten Jahren zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen. Dass sich das lohne, zeigten die jüngsten Erfolge der Technologiepolitik, etwa in der Autobranche, die dazu beigetragen haben, die Krise gut zu bewältigen, stellte Bures fest. Wichtig ist für die Ministerin auch die Förderung innovativer Ideen in den KMU. 3.000 kleine und mittlere Unternehmen seien bereits in Forschung engagiert und deren Zahl habe in der Krise nicht abgenommen, zeigte sich die Ministerin zufrieden.

Schwerpunkte der Technologieentwicklung bilden laut Ministerin Bures Verkehr, Elektromobilität, innovative Verkehrslösungen, Telematik, Energie, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Produktionstechnologie. Die Entwicklung neuer Produktionsmethoden sichere die Zukunft Österreichs, das nicht mit Billiglohnländern konkurrieren könne, sondern sich als Hochtechnologiestandort mit qualitativ hochstehenden Arbeitsplätzen behaupten müsse. In diesem Zusammenhang erwähnte die Ministerin das Beispiel eines Vorarlberger Unternehmens, das seine Produktion automatisiert und zugleich die Arbeitsplätze erhöht hat sowie einen innovativen Wiener Hersteller von Handyteilen, der kürzlich Produktionen von China nach Wien verlagert hat.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) zeigte sich ebenfalls überrascht von der Themenwahl für die heutige Aktuelle Stunde und problematisierte zunächst den 7. Platz Österreichs im Vergleich der Forschungsstandorte, der bedeute, dass Österreich international eher "in der zweiten Liga" als im Spitzenfeld angesiedelt sei. Man müsse sich auch fragen, ob das angepeilte Ziel bei der Forschungsquote angesichts eines steigenden BIP erreicht werden könne. Im Bereich der Verkehrspolitik lobte die Rednerin Bundesministerin Bures für die Bereitschaft, über die Sinnhaftigkeit mancher Straßenprojekte nachzudenken, mahnte aber zugleich mehr Engagement bei der Verbesserung der öffentlichen Angebote für PendlerInnen, namentlich im Großraum Wien, ein. In der Forschungspolitik verlangte Kerschbaum mehr Förderungsmittel zur Entwicklung zukunftsträchtiger Verkehrslösungen.

Bundesrat Johann KRAML (S/O) sprach sein Bedauern darüber aus, dass das heutige Tagesthema Forschungsförderung in der Öffentlichkeit zu wenig Beachtung findet. Auch Bundesrat Kraml wies auf die Bedeutung der Forschung für KMU hin und gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass sich nicht nur große Unternehmen, sondern auch 3.000 kleine Betriebe in Österreich mit Forschung und Entwicklung befassen. Den 7. Platz im internationalen Vergleich bewertete der Bundesrat als sehr gut, bekannte sich aber zugleich zur Zielsetzung der österreichischen Forschungsstrategie, das Land zu einem Innovationsleader zu machen. Dem entspreche die Strategie der Bundesregierung, die den Zugang der Wirtschaft zu Forschungsförderungsmittel erleichtern, die Planungssicherheit erhöhen und die Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen stärken soll. Stolz zeigte sich der oberösterreichische Mandatar über die Entwicklung eines leistungsfähigen Elektromotorrads am BMW-Standort seines Landes. Angesichts der noch geringen Reichweite dieses Fahrzeugs sah Kraml aber zugleich die Notwendigkeit, die Forschungsanstrengungen im Bereich der Akku-Forschung zu intensivieren, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Österreich sei mit seiner Forschungs- und Entwicklungspolitik sehr gut unterwegs, stellte Kraml fest.

Bundesrat Christian JACHS (V/O) sprach in Hinblick auf die Entwicklung des Sektors Forschung und Entwicklung von einer "rot-weiß-roten Erfolgsgeschichte", die man nicht "kleinreden" dürfe. Mit seinen diesbezüglichen Bemühungen habe Österreich schließlich ein Fundament für sozialen Wohlstand geschaffen, das man auch in Hinkunft absichern müsse. Der weitere Ausbau des Bereichs Forschung und Entwicklung biete diese Möglichkeit, zeigte sich Jachs überzeugt, er sei schließlich die "Straße ins Morgen und Übermorgen". Mit großer Besorgnis erfülle seine Fraktion aber die Tatsache, dass sich zunehmend weniger junge Menschen für ein technisches Studium entschieden, meinte Jachs. Angesichts des Faktums, dass sich 60% der Studierenden auf nur 10% der Studienfächer konzentrierten, bestehe dringender Handlungsbedarf, konstatierte der Bundesrat, man solle daher offensiv um InteressentInnen im In- und Ausland werben und auch mehrsprachige Ausbildungsangebote forcieren: Österreich müsse sich schließlich die "besten Köpfe" sichern. Die zusätzlichen Mittel, die man für Forschung und Entwicklung bereitstelle, werden "reiche Früchte tragen", zeigte sich Jachs überzeugt, es gelte sie aber auch in Form eines "Zukunftsbonus" in die MINT-Fächer zu investieren. Der Weg, den Österreich im F&E-Bereich eingeschlagen habe, sei ein positiver. Davon profitierten auch die Regionen, deren Interesse die Länderkammer zu vertreten habe.

Bundesrat Johann ERTL (F/N) nutzte seine Wortmeldung, um seinen Sorgen in Hinblick auf das EU-Forschungsprogramm INDECT Ausdruck zu verleihen, das, wie er befürchtete, den "gläsernen Menschen" zum Ziel haben werde. Das Projekt sei von Seiten der Europäischen Union mit 15 Mio. € dotiert, seine Umsetzung erfolge unter Einbindung zahlreicher europäischer und außereuropäischer Institutionen, unter denen sich auch die Fachhochschule Technikum Wien befinde. Vor dem Hintergrund von INDECT, FRONTEX und der bereits genehmigten Vorratsdatenspeicherung entstehe die "größte Überwachungsoffensive" aller Zeiten, prophezeite Ertl, der Begriff der Unschuldsvermutung werde damit bedeutungslos. Das geschehe auch nicht in weiter Zukunft, sondern im nächsten Jahr, wenn INDECT in die Phase des Feldversuchs eintrete, führte der Bundesrat aus. Bundesministerin Bures möge deshalb dafür Sorge tragen, dass von österreichischer Seite weder finanzielle Mittel noch Daten an das EU-Projekt fließen.

Bundesministerin Doris BURES dankte für die Diskussion, die einmal mehr gezeigt habe, welch hoher Stellenwert dem Bereich Forschung und Entwicklung zukomme. Dass trotz dieses Faktums kein "Schulterschluss über alle Parteigrenzen hinweg" zustande gebracht werden konnte, hielt sie für umso bedauernswerter. Neue Technologien eröffneten Chancen, gingen allerdings auch mit Risiken einher, die es nicht zu verschweigen gelte. Der Politik komme aber die Aufgabe zu, sie möglichst gering zu halten. Angesichts der Risiken dürften aber auch die Chancen neuer Technologien nicht aus den Augen verloren werden, sonst bestehe die Gefahr "rückwärtsgewandt" zu denken – eine Tendenz, die sie persönlich nicht unterstützen könne, meinte Bures.

Der Bereich Forschung und Entwicklung sei eine klassische Querschnittsmaterie, die es deshalb auch in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen zu diskutieren gelte. Zumal die diesbezügliche Zusammenarbeit gut funktioniere, sehe sie darin auch kein Hindernis.

Was das Investitionsvolumen der öffentlichen Hand in Forschung und Entwicklung anbelange, zeigte sich Bures überzeugt, dass es angesichts der derzeitigen Wirtschaftswachstums an der Zeit sei, auch die Privatinvestoren wieder in die Pflicht zu nehmen. Es gelte nach der Krise zur ursprünglichen Aufteilung zurückzukehren, wonach ein Drittel des Investitionsvolumens aus der öffentlichen Hand und zwei Drittel aus der Privatwirtschaft stammen sollten.

Das "Austrian Institute of Technology" in Seibersdorf habe sich, wie Bures ausführte, vom "Sorgenkind" zum "Musterschüler" entwickelt. War es vor vier Jahren zahlungsunfähig, schreibe es heute durchwegs "schwarze Zahlen" erläuterte die Ministerin.
     
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