Aktuelles Thema Innovation und Technologie im Bundesrat
Wien (pk) - Am Beginn der Sitzung des Bundesrats vom 01.06., der erstmals live und ungekürzt
von TW1 übertragen wird, ging es im Rahmen einer Aktuellen Stunde um das Thema "Förderung der wirtschaftsnahen,
angewandten Forschung für Wachstum und Beschäftigung in Österreich". Von Seiten der Bundesregierung
stand zu dieser Debatte die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, Doris Bures, den Bundesrätinnen
und Bundesräten Rede und Antwort.
Bundesrat Reinhard TODT (S/W) leitete die Diskussion ein, indem er von einer einzigartigen Erfolgsgeschichte Österreichs
in der Forschungs- und Technologiepolitik während der letzten Jahre sprach. Sei das Land noch 2003 bei der
Forschungsquote international noch weit hinten gelegen, nehme es nun bereits die siebente Stelle in Europa ein.
In der Forschungs- und Entwicklungspolitik wird die Frage entschieden, "wie wir in 20 Jahren leben werden,
mit welcher Energie wir heizen und kühlen und wie Waren erzeugt werden". Und dies werde auch über
die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen entscheiden, sagte Todt, der die Bundesregierung bei der Förderung
neuen Wissens und dessen praktischer Nutzung auf einem guten Weg sah. Die Bundesregierung unterstützt die
Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen, lobte Todt und würdigte dabei die Tätigkeit
der Forschungsförderungsgesellschaft(FFG). Forschung und Innovationsentwicklung sind ein Schlüssel für
die Bewältigung der Zukunftsaufgaben Österreichs, schloss Bundesrat Todt.
Auch Bundesrätin Angelika WINZIG (V/O) sah die Stärkung von Innovation, Forschung und Entwicklung als
einen wichtigen Faktor zur Absicherung des Wohlstands in Österreich. Im zunehmenden globalen Wettbewerb komme
der Erhöhung der Forschungsquote auf 3,8%, wie es die Forschungs-, Technologie- und Innovationsstrategie vorsieht,
zentrale Bedeutung zu, sagte Winzig und unterstützte das Ziel der Regierung, Österreich zu einem Innovationsleader
zu machen. Dazu gehört die ständige Evaluierung der Forschungsbemühungen und die Erhöhung der
privaten Forschungsquote. Öffentliche Mittel sollten als Hebel eingesetzt werden, um das private Forschungsengagement
zu steigern. Forschungs-Schwellenängste bei KMU seien abzubauen und der Kontakt von ForscherInnen und mittelständischer
Wirtschaft weiter zu intensivieren.
Ihr Bundesland Oberösterreich sei wegweisend, sagte die Bundesrätin und machte auf die OÖ-Innovationsholding
aufmerksam, die als Dachorganisation für alle Landesstellen, die Forschung und Innovation fördern, tätig
ist. Kooperationen zwischen Wirtschaft und Forschungseinrichtungen werden gestärkt und Synergien genutzt.
Das Ziel Oberösterreichs laute, ein High-Tech-Land, ein "Land der rauchenden Köpfe" zu werden.
Bundesrat Gerd KRUSCHE (F/St) kritisierte, erst gestern erfahren zu haben, welches Thema heute in der Aktuellen
Stunde des Bundesrats behandelt werde. Forschungsförderung und wirtschaftsnahe Forschung seien wichtige Themen,
im Ressortbereich von Bundesministerin Bures sah Krusche aber aktuellere Themen. Er nannte die ständige Baustelle
ÖBB und das "Millionengrab Skylink". Kritisch sah Krusche auch jüngste Entscheidungen im kombinierten
Verkehr der ÖBB. Er erwarte verstärkten Lkw-Verkehr im Stückguttransport und zusätzliche Feinstaubimmissionen
im ohnehin schon stark belasteten Großraum Graz, klagte Krusche. So werde man den Klimaschutzzielen sicher
nicht näher kommen, sagte der Bundesrat und ortete Widersprüche zwischen den "schönen Worten"
und der unzulänglichen politischen Praxis der Ministerin. Krusche vermisste eine umweltfreundliche Verkehrspolitik
und kritisierte eine ungenügende Straßenbaupolitik sowie die Einstellung wichtiger Bahnverbindungen,
etwa zwischen Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck. Ältere Menschen litten unter den Folgen dieser Verkehrspolitik
und insbesondere an viel zu kurzen Zeitintervallen für das immer öfter notwendige Umsteigen von einem
Zug auf den anderen. Hinsichtlich der Tunnelprojekte Koralm und Semmering sprach sich der Bundesrat dafür
aus, die Gelegenheit für die Förderung von Innovationen in der österreichischen Tunnelbautechnik
zu nutzen.
Bundesministerin Doris BURES unterstrich ebenfalls die Bedeutung von Forschung, Innovation und Technologie für
den Wirtschaftsstandort Österreich. Das sei kein Thema für "schöne Worte", sondern ein
Schlüsselfaktor, um der Jugend Zukunftschancen zu sichern, antwortete die Ministerin ihrem Vorredner. Jüngste
Entscheidungen im Stückgutverkehr der ÖBB beträfen nur 4% des gesamten Stückguttransports,
informierte die Ministerin und bekannte sich dazu, die ÖBB "zukunftsfit" zu machen und deren Position
als Europameister im Güterverkehr zu erhalten.
Die gemeinsame Forschungsstrategie 2020 der Bundesregierung stelle ein umfassendes Programm dar, das von den Kindergärten
über die Schulen und Forschungseinrichtungen bis zu den Universitäten reicht und der Vision folge, Österreich
in eine Führungsposition auf dem Feld der Innovation zu bringen. Das brauche Innovationsinvestitionen in der
Wirtschaft und die Entwicklung neuer Produkte sowie neuer Produktionsverfahren. Die Bundesregierung verfolge zugleich
mit der Budgetkonsolidierung eine Politik der klugen Investitionen, und dazu gehöre die Forschungs- und Technologieentwicklung,
für die in den nächsten Jahren zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen. Dass sich das lohne,
zeigten die jüngsten Erfolge der Technologiepolitik, etwa in der Autobranche, die dazu beigetragen haben,
die Krise gut zu bewältigen, stellte Bures fest. Wichtig ist für die Ministerin auch die Förderung
innovativer Ideen in den KMU. 3.000 kleine und mittlere Unternehmen seien bereits in Forschung engagiert und deren
Zahl habe in der Krise nicht abgenommen, zeigte sich die Ministerin zufrieden.
Schwerpunkte der Technologieentwicklung bilden laut Ministerin Bures Verkehr, Elektromobilität, innovative
Verkehrslösungen, Telematik, Energie, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Produktionstechnologie.
Die Entwicklung neuer Produktionsmethoden sichere die Zukunft Österreichs, das nicht mit Billiglohnländern
konkurrieren könne, sondern sich als Hochtechnologiestandort mit qualitativ hochstehenden Arbeitsplätzen
behaupten müsse. In diesem Zusammenhang erwähnte die Ministerin das Beispiel eines Vorarlberger Unternehmens,
das seine Produktion automatisiert und zugleich die Arbeitsplätze erhöht hat sowie einen innovativen
Wiener Hersteller von Handyteilen, der kürzlich Produktionen von China nach Wien verlagert hat.
Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) zeigte sich ebenfalls überrascht von der Themenwahl für die
heutige Aktuelle Stunde und problematisierte zunächst den 7. Platz Österreichs im Vergleich der Forschungsstandorte,
der bedeute, dass Österreich international eher "in der zweiten Liga" als im Spitzenfeld angesiedelt
sei. Man müsse sich auch fragen, ob das angepeilte Ziel bei der Forschungsquote angesichts eines steigenden
BIP erreicht werden könne. Im Bereich der Verkehrspolitik lobte die Rednerin Bundesministerin Bures für
die Bereitschaft, über die Sinnhaftigkeit mancher Straßenprojekte nachzudenken, mahnte aber zugleich
mehr Engagement bei der Verbesserung der öffentlichen Angebote für PendlerInnen, namentlich im Großraum
Wien, ein. In der Forschungspolitik verlangte Kerschbaum mehr Förderungsmittel zur Entwicklung zukunftsträchtiger
Verkehrslösungen.
Bundesrat Johann KRAML (S/O) sprach sein Bedauern darüber aus, dass das heutige Tagesthema Forschungsförderung
in der Öffentlichkeit zu wenig Beachtung findet. Auch Bundesrat Kraml wies auf die Bedeutung der Forschung
für KMU hin und gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass sich nicht nur große Unternehmen, sondern
auch 3.000 kleine Betriebe in Österreich mit Forschung und Entwicklung befassen. Den 7. Platz im internationalen
Vergleich bewertete der Bundesrat als sehr gut, bekannte sich aber zugleich zur Zielsetzung der österreichischen
Forschungsstrategie, das Land zu einem Innovationsleader zu machen. Dem entspreche die Strategie der Bundesregierung,
die den Zugang der Wirtschaft zu Forschungsförderungsmittel erleichtern, die Planungssicherheit erhöhen
und die Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen stärken soll. Stolz zeigte sich der oberösterreichische
Mandatar über die Entwicklung eines leistungsfähigen Elektromotorrads am BMW-Standort seines Landes.
Angesichts der noch geringen Reichweite dieses Fahrzeugs sah Kraml aber zugleich die Notwendigkeit, die Forschungsanstrengungen
im Bereich der Akku-Forschung zu intensivieren, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Österreich
sei mit seiner Forschungs- und Entwicklungspolitik sehr gut unterwegs, stellte Kraml fest.
Bundesrat Christian JACHS (V/O) sprach in Hinblick auf die Entwicklung des Sektors Forschung und Entwicklung von
einer "rot-weiß-roten Erfolgsgeschichte", die man nicht "kleinreden" dürfe. Mit
seinen diesbezüglichen Bemühungen habe Österreich schließlich ein Fundament für sozialen
Wohlstand geschaffen, das man auch in Hinkunft absichern müsse. Der weitere Ausbau des Bereichs Forschung
und Entwicklung biete diese Möglichkeit, zeigte sich Jachs überzeugt, er sei schließlich die "Straße
ins Morgen und Übermorgen". Mit großer Besorgnis erfülle seine Fraktion aber die Tatsache,
dass sich zunehmend weniger junge Menschen für ein technisches Studium entschieden, meinte Jachs. Angesichts
des Faktums, dass sich 60% der Studierenden auf nur 10% der Studienfächer konzentrierten, bestehe dringender
Handlungsbedarf, konstatierte der Bundesrat, man solle daher offensiv um InteressentInnen im In- und Ausland werben
und auch mehrsprachige Ausbildungsangebote forcieren: Österreich müsse sich schließlich die "besten
Köpfe" sichern. Die zusätzlichen Mittel, die man für Forschung und Entwicklung bereitstelle,
werden "reiche Früchte tragen", zeigte sich Jachs überzeugt, es gelte sie aber auch in Form
eines "Zukunftsbonus" in die MINT-Fächer zu investieren. Der Weg, den Österreich im F&E-Bereich
eingeschlagen habe, sei ein positiver. Davon profitierten auch die Regionen, deren Interesse die Länderkammer
zu vertreten habe.
Bundesrat Johann ERTL (F/N) nutzte seine Wortmeldung, um seinen Sorgen in Hinblick auf das EU-Forschungsprogramm
INDECT Ausdruck zu verleihen, das, wie er befürchtete, den "gläsernen Menschen" zum Ziel haben
werde. Das Projekt sei von Seiten der Europäischen Union mit 15 Mio. € dotiert, seine Umsetzung erfolge unter
Einbindung zahlreicher europäischer und außereuropäischer Institutionen, unter denen sich auch
die Fachhochschule Technikum Wien befinde. Vor dem Hintergrund von INDECT, FRONTEX und der bereits genehmigten
Vorratsdatenspeicherung entstehe die "größte Überwachungsoffensive" aller Zeiten, prophezeite
Ertl, der Begriff der Unschuldsvermutung werde damit bedeutungslos. Das geschehe auch nicht in weiter Zukunft,
sondern im nächsten Jahr, wenn INDECT in die Phase des Feldversuchs eintrete, führte der Bundesrat aus.
Bundesministerin Bures möge deshalb dafür Sorge tragen, dass von österreichischer Seite weder finanzielle
Mittel noch Daten an das EU-Projekt fließen.
Bundesministerin Doris BURES dankte für die Diskussion, die einmal mehr gezeigt habe, welch hoher Stellenwert
dem Bereich Forschung und Entwicklung zukomme. Dass trotz dieses Faktums kein "Schulterschluss über alle
Parteigrenzen hinweg" zustande gebracht werden konnte, hielt sie für umso bedauernswerter. Neue Technologien
eröffneten Chancen, gingen allerdings auch mit Risiken einher, die es nicht zu verschweigen gelte. Der Politik
komme aber die Aufgabe zu, sie möglichst gering zu halten. Angesichts der Risiken dürften aber auch die
Chancen neuer Technologien nicht aus den Augen verloren werden, sonst bestehe die Gefahr "rückwärtsgewandt"
zu denken – eine Tendenz, die sie persönlich nicht unterstützen könne, meinte Bures.
Der Bereich Forschung und Entwicklung sei eine klassische Querschnittsmaterie, die es deshalb auch in allen gesellschaftlichen
und politischen Bereichen zu diskutieren gelte. Zumal die diesbezügliche Zusammenarbeit gut funktioniere,
sehe sie darin auch kein Hindernis.
Was das Investitionsvolumen der öffentlichen Hand in Forschung und Entwicklung anbelange, zeigte sich Bures
überzeugt, dass es angesichts der derzeitigen Wirtschaftswachstums an der Zeit sei, auch die Privatinvestoren
wieder in die Pflicht zu nehmen. Es gelte nach der Krise zur ursprünglichen Aufteilung zurückzukehren,
wonach ein Drittel des Investitionsvolumens aus der öffentlichen Hand und zwei Drittel aus der Privatwirtschaft
stammen sollten.
Das "Austrian Institute of Technology" in Seibersdorf habe sich, wie Bures ausführte, vom "Sorgenkind"
zum "Musterschüler" entwickelt. War es vor vier Jahren zahlungsunfähig, schreibe es heute durchwegs
"schwarze Zahlen" erläuterte die Ministerin. |