Grazer Forscher entdecken möglichen neuen Therapieansatz für Krebspatienten   

erstellt am
17. 06. 11

Wichtige Rolle fettspaltender Enzyme bei Kachexie-Entstehung
Graz (meduni) - Eine der schwerwiegendsten Komplikationen von Krebserkrankungen ist die hochgradige Abmagerung der Patienten. Bei diesem als Kachexie bezeichneten Krankheitsbild kommt es zu einem massiven Abbau von Fettgewebe und einer starken Rückbildung der Muskulatur. Man schätzt, dass 20-30 % aller Krebspatienten nicht unmittelbar am Tumor, sondern an den Folgen der Auszehrung sterben. Grazer Wissenschaftern gelang nun in einer aufsehenerregenden Arbeit, die im renommierten Wissenschaftsjournal "Science" veröffentlicht wurde, der Nachweis, dass die Kachexieentstehung mit der Aktivität fettspaltender Enzyme in Zusammenhang steht: Im Unterschied zu kachektischen Krebspatienten, bei denen die Enzymaktivität gesteigert ist, wurde im Mausmodell festgestellt, dass bei Fehlen der entsprechenden Enzyme auf Grund eines Gendefekts keine Kachexie entsteht. Diese Entdeckung könnte auch den Weg für eine neue Behandlungsstrategie bei Krebserkrankungen weisen: Wenn es gelänge, die fettspaltenden Lipasen medikamentös zu hemmen, ließe sich damit vielleicht auch die Kachexie verhindern.

Warum 30 % aller Krebspatienten (bei manchen Krebsformen sogar 70-80 %) im Laufe ihrer Erkrankung eine Kachexie entwickeln, ist bis heute nicht vollständig geklärt. "Manchmal kommt es bereits bei relativ kleinen Tumoren zu einer starken Abmagerung der Patienten. Typische Beispiele dafür sind Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs", erklärt Univ.-Prof. Dr. Gerald Höfler, Leiter des Instituts für Pathologie der Medizinischen Universität Graz, der sich in enger Zusammenarbeit mit Univ.-Prof. Dr. Rudolf Zechner, Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz, schon seit Jahren mit Fragen des Fettstoffwechsels beschäftigt. "Ursache der Kachexie ist nicht mangelnde Nahrungsaufnahme und sie kann nicht durch hochkalorische Ernährung verhindert werden", stellt der Experte klar. "Kachexie unterscheidet sich auch vom Hungerstoffwechsel, bei dem der Körper versucht, die Muskelmasse möglichst lange zu erhalten."

Dem Grazer Forschungsteam gelang es, einen direkten Zusammenhang zwischen dem Fettstoffwechsel und der krebsassoziierten Kachexie herzustellen. Die Wissenschafter konnten im Mausmodell zeigen, dass ein vollständiger Schutz gegen krebsassoziierte Kachexie vorhanden ist, wenn das fettspaltende Enzyme "Adipose Triglyceride Lipase" (ATGL) fehlt. "Das heißt, dass trotz unverändertem Wachstum der Tumore der Verlust sowohl an Fett- als auch an Muskelmasse vollständig gestoppt werden kann", so Mag. Suman Kumar Das, PhDStudent am Institut für Pathologie der Med Uni Graz. Weiters konnte gezeigt werden, dass bei Fehlen eines anderen wichtigen fettspaltenden Enzyms, die "Hormon-sensitive Lipase" (HSL), zumindest ein teilweiser Schutz gegen krebsassoziierte Kachexie gegeben war. Erste Studien belegen, dass diese Ergebnisse auch für Menschen von großer Relevanz sind: Bei kachektischen Krebspatienten wurde eine gesteigerte Aktivität von ATGL und HSL im Fettgewebe nachgewiesen.

Die Studienergebnisse könnten die Grundlage eines ganz neuen Therapieansatzes zur Verhinderung von Kachexie bei Krebserkrankungen werden. "Theoretisch könnte man versuchen, Kachexie durch Blockierung einzelner Signalproteine (so genannte Zytokine) zu verhindern", unterstreicht Prof. Höfler die Bedeutung der Grazer Arbeit. "Das verlockende an unserem Modell ist, dass wir durch Hemmung der fettspaltenden Enzyme am zentralen Punkt ansetzen würden." Möglicherweise ließe sich auf diese Weise auch die Auszehrung bei anderen schweren Erkrankungen verhindern: Einen ähnlichen Abbau von Fett- und Muskelgewebe wie bei Karzinomen findet man z.B. auch bei Tuberkulose, AIDS, sowie bestimmten Lungen-, Nieren- und Herzerkrankungen.

Die Veröffentlichung in Science, einer der angesehensten Fachzeitschriften der Welt, ist eine hohe Auszeichnung für die beteiligten Institute und garantiert eine große internationale Beachtung der Arbeit. Dass mit Mag. Suman Kumar Das ein Student des PhD-Programms der Medizinischen Universität Graz als Erstautor der Studie aufscheint, unterstreicht zudem die exzellente Qualität des PhD-Studiums.
     
Informationen: http://gold.uni-graz.at/    
     
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