Themen: UNO, Euro, Griechenland, AKW
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete am 16.06. die 110. Sitzung
des Nationalrats mit einer Fragestunde, in der Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger den Abgeordneten
Rede und Antwort stand.
Frage der Abgeordneten Christine MUTTONEN (S): Die österreichische Bundesregierung setzt sich für
die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene ein. Welche konkreten Schritte werden
Sie Ihrerseits setzen, um dieses gemeinsame Ziel der Bundesregierung mit Nachdruck voranzutreiben?
Antwort: Vizekanzler Michael Spindelegger bekannte sich mit Nachdruck zur Einführung einer Transaktionssteuer
und berichtete, er sei in dieser Frage mit seinen französischen Amtskollegen Alain Juppé eng verbunden,
wies aber auf noch notwendige Überzeugungsarbeit bei den europäischen Partnern hin. Es gehe primär
darum, im Rahmen der G8 einen Durchbruch zu erzielen. Sollte dies nicht gelingen, wäre die EU eine zweite
Ebene. Als mögliche dritte Ebene für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer stufte Spindelegger
die Eurozone ein, wobei er einschränkte, dies wäre eine sehr abgespeckte Variante und würde überdies
Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen mit sich bringen. Ziel sei es jedenfalls, mit den Instrumentarien
des Lissabon-Vertrags auszukommen und nicht neue Kompetenzen in der EU zu schaffen, versicherte der Vizekanzler
auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Elmar Podgorschek (F), der sich vehement gegen die Abgabe der Finanz- und
Budgetrechte an Brüssel aussprach.
Gegenüber den Abgeordneten Robert Lugar (B) und Werner Kogler (G), die beide das Thema Griechenland aufs Tapet
brachten, stellte Spindelegger klar, dass jedes Geld, das Athen bekomme, durch eine Reformagenda abgedeckt sein
müsse. Die Strategie Österreichs sei dabei unverändert. Neue Mittel für Griechenland seien
von Konditionen abhängig, komme es nicht zu den notwendigen Reformen, dann könne er, Spindelegger, sich
nicht vorstellen, dass Gelder nach Griechenland fließen.
Frage der Abgeordneten Ursula PLASSNIK (V): Was werden Ihre Schwerpunkte als Mitglied im Menschenrechtsrat der
Vereinten Nationen sein?
Antwort: Spindelegger nannte die Frage der Religionsfreiheit als umfassendes Menschenrecht, die Förderung
der Meinungsfreiheit und Sicherheit der Journalisten sowie Initiativen in Sachen Kinderrechte als vorrangige Ziele
Österreichs und meinte, das Engagement im UN-Sicherheitsrat sollte nun im Menschenrechts-Beirat fortgesetzt
werden. Dies gelte auch und vor allem hinsichtlich der Frauenrechte, bekräftigte er überdies auf eine
Zusatzfrage der Abgeordneten Judith Schwentner (G).
Der konkrete Nutzen der Mitgliedschaft im Menschenrechts-Beirat liege darin, dass Österreich als ein Land
wahrgenommen werde, das sich für Menschenrechte engagiert, erwiderte Spindelegger im Übrigen auf Bedenken
des Abgeordneten Andreas Karlsböck (F).
Vom Abgeordneten Herbert Scheibner (B) auf Österreichs Rolle im Nahen Osten angesprochen, verwies der Vizekanzler
auf den Plan Wiens, eine Konferenz für eine nuklearwaffenfreie Zone in dieser Region zu veranstalten.
Was Syrien betrifft, betonte der Vizekanzler gegenüber dem Abgeordneten Hannes Weninger (S), es gehe darum,
mit den Mitteln, die eine internationale Staatengemeinschaft und vor allem die EU haben, einzuwirken, dass sich
die Zustände ändern. Konkret nannte Spindelegger dabei den Beschluss von Sanktionen gegen den syrischen
Präsidenten sowie das Einfrieren von dessen Vermögen, aber auch Wirtschaftssanktionen gegen das Land.
Frage des Abgeordneten Johannes HÜBNER (F): Welche konkreten Maßnahmen werden Sie zur Verhinderung
einer EU-Mitgliedschaft der Türkei setzen?
Antwort: Der Vizekanzler bekräftigte, Österreich trete für eine maßgeschneiderte Partnerschaft
mit der Türkei und nicht für einen Vollbeitritt des Landes ein. Derzeit stehe man aber immer wieder vor
der Situation, dass die Türkei die Regeln der EU nicht akzeptiert. Solange sich dies nicht ändert, werde
es keine Fortschritte geben. Zum Verhältnis Österreichs mit der Türkei, das Gegenstand von Zusatzfragen
der Abgeordneten Karin Hakl (V), Ewald Stadler (B) und Judith Schwentner (G) war, bemerkte Spindelegger, er hoffe
auf eine gute Entwicklung der bilateralen Beziehungen, und erinnerte dabei an die intensiven unternehmerischen
Aktivitäten. Wichtig sei aber, dass Österreich auch jenseits aller wirtschaftlichen Interessen politisch
zu seinen Grundsätzen stehe. Der Vizekanzler appellierte in Anspielung auf das Veto Ankaras gegen Ursula Plassnik
an den "Anstand" und betonte, es gehe nicht an, dass man politisch etwas verspreche und es nachher nicht
halte.
Frage des Abgeordneten Karl ÖLLINGER (G): Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit ein Schaden
für das internationale Ansehen Österreichs durch den Angriff von FPÖ-Chef Strache auf die freie
und unabhängige Medienberichterstattung im Rahmen der Pressekonferenz im Europaparlament mit Marine Le Pen
abgewendet wird?
Antwort: Grund für einen möglichen Schaden sei die Frage der Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Hitlers
in österreichischen Gemeinden, meinte Spindelegger und warnte davor, dieses Thema hochzuspielen. Es handle
sich hier um eine österreichische Frage, die nicht internationalisiert werden sollte. Diskussionen dieser
Art gehörten nach Österreich, auch ins Parlament, stand für Spindelegger fest, der sich im Übrigen
dagegen aussprach, über die internationalen Medien Österreich in seinem Ansehen zu schädigen. Was
von der FPÖ in diesem Zusammenhang nun unter dem Titel der Freiheit der Berichterstattung diskutiert wird,
habe mit der Realität in vielen Ländern, wo Journalisten verfolgt und oft auch getötet werden, überhaupt
nichts zu tun, replizierte der Vizekanzler auf Einwände des Abgeordneten Harald Vilimsky (F).
Frage des Abgeordneten Josef BUCHER (B): Sind Sie nicht auch der Ansicht, dass die Auszahlung der nächsten
Rate in der Höhe von 153 Mio. Euro ungerechtfertigt ist, nachdem Griechenland die Auflagen zur Budgetstabilisierung
nicht erreicht hat?
Antwort: Wichtig sei es, dass es Konditionalität gibt, stellte Spindelegger klar. Geld an Griechenland sei
deshalb von der Reformagenda abhängig. Spindelegger drückte seine Hoffnung aus, dass nun in Athen ein
neues Maßnahmenpaket geschnürt werde. Österreich werde sich mit den europäischen Partnern
insbesondere mit den Hartwährungsländern Deutschland und Niederlande vor dem nächsten Europäischen
Rat abstimmen, man könne aber heute noch nicht sagen, was morgen in Athen geschehen werde. Einig war sich
Spindelegger mit dem Abgeordneten Werner Kogler (G) darüber, dass es nun auch gelte, den Privatsektor bei
der Griechenland-Hilfe mit einzubeziehen. Für Griechenland wiederum sah er keinen anderen Weg, als die notwendigen
Hausaufgaben, die bisher nicht erledigt wurden, nun schmerzlich nachzuholen.
Auf Fragen des Abgeordneten Josef Cap (S), der sich kritisch zur Haltung der konservativen Oppositionspartei Nea
Dimokratia äußerte, bemerkte Spindelegger, er habe keinen unmittelbaren Einfluss auf die Parteien in
Griechenland. Entscheidend sei jedenfalls, dass jetzt etwas geschieht und dass die Reformen durch einen parlamentarischen
Prozess laufen und eine Mehrheit finden. Dies sei alternativenlos, unterstrich er. Hilfe sei aber notwendig, zumal
man nicht in Kauf nehmen könne, dass ein Land der Eurozone in fundamentale Schwierigkeiten gerät, wo
doch die Auswirkungen auf alle anderen Länder absehbar seien, gab er zu bedenken.
Von einer Aufgabe des Euro und Wiedereinführung des Schilling halte er "gar nichts", betonte Spindelegger
dem Abgeordneten Peter Haubner (V) gegenüber. Dies würde zu einem sofortigen Verlust von Arbeitsplätzen,
zu einer wirtschaftlichen Anti-Dynamik und zu Spekulationen gegen den Schilling führen, warnte er.
Frage der Abgeordneten Petra BAYR (S): Die österreichische Bundesregierung hat sich die Gründung einer
Anti-Atom-Allianz auf europäischer Ebene zum Ziel gesetzt. Durch welche Maßnahmen werden Sie in Ihrer
Funktion als Außenminister einen Beitrag dazu leisten?
Antwort: Spindelegger berichtete, er nütze jedes bilaterale Gespräch, um auf die Gefahren der Atomkraft
aufmerksam zu machen, und kündigte überdies seine Teilnahme an der internationalen Atomenergiekonferenz
in Wien an. Ausdruck des österreichischen Engagements gegen die Atomkraft sei es aber auch, die Möglichkeiten
der alternativen Energieträger in Österreich international aufzuzeigen. Vom Abgeordneten Hermann Schultes
(V) auf die erneuerbaren Energien angesprochen, betonte Spindelegger, mit dem gestern vom Ministerrat beschlossenen
Ökostromgesetz und seinem Investitionsvolumen gehe man einen gewaltigen Schritt nach vorne.
Zur Forderung des Abgeordneten Rainer Widmann (B) nach einem Veto gegen den EU-Beitritt Kroatiens wegen des AKW
Krsko stellte der Vizekanzler dar, dieses Kraftwerk liege gar nicht in Kroatien, Kroatien sei vielmehr für
Österreich ein willkommenes Mitglied in der Europäischen Union.
Was die von den Abgeordneten Christiane Brunner (G) und Werner Neubauer (F) aufgeworfenen grenznahmen AKW betrifft,
teilte Spindelegger mit, er habe mit allen Nachbarländern intensive Gespräche über eine gemeinsame
Vorgangsweise, aber auch über Alternativen geführt. Er könne sich aber nicht über die Rechtsordnung
hinwegsetzen, die vorsehe, dass jedes Land selbst über seine Energieträger bestimmen kann.
Frage des Abgeordneten Wolfgang Großruck (V): Wie kann Österreich durch das Regionalforum des "World
Economic Forum", das Anfang Juni stattgefunden hat, langfristig profitieren?
Antwort: Spindelegger erwiderte, man habe mit der Auftaktveranstaltung in dieser Angelegenheit bereits viel erreicht,
weil man Österreich und Wien als eine Drehscheibe für diesen Raum erfolgreich positioniert habe. Daher
werde man diesen Kurs fortsetzen, um die "Marke Österreich" weiterhin zu präsentieren, was
zweifellos auch zu ökonomischen Erfolgen führen werde. Insbesondere betonte das Regierungsmitglied in
diesem Zusammenhang die Bedeutung der Schwarzmeerregion. Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Robert LUGAR (B)
stellte der Minister fest, seine Haltung zu Griechenland habe sich in den letzten 15 Minuten nicht geändert.
Nach einer Zusatzfrage der Abgeordneten Judith SCHWENTNER (G) erläuterte Spindelegger die Zusammenhänge
zwischen Politik und Ökonomie am Beispiel der Schwarzmeerregion. Abgeordneter Anton HEINZL (S) thematisierte
im Rahmen einer Zusatzfrage eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung. |