Besser mit Musik   

erstellt am
14. 06. 11

Studie der Uni Graz bestätigt positive Effekte des Instrumentalspiels bei Kindern
Graz (universität) - Macht Musizieren Kinder kreativer, besser im Lesen und Rechtschreiben und steigert es vielleicht auch ihre Konzentration? Diesen Fragen gehen ForscherInnen am Institut für Psychologie der Uni Graz nach. Erste Ergebnisse bestätigen: Musizieren zeigt Wirkung.

Die Grazer WissenschafterInnen begleiten mit ihren Forschungen das deutsche Bildungsprogramm „JeKi – Jedem Kind ein Instrument“, das seit 2007/2008 im Ruhrgebiet und in Hamburg läuft. Die rund 65.000 GrundschülerInnen, die derzeit daran teilnehmen, haben jede Woche eine Stunde zusätzlichen Musikunterricht und erlernen nach einer spielerischen Vorbereitungszeit ein Instrument ihrer Wahl.

„Wir untersuchen, wie sich aktives Musizieren auf die Verarbeitung akustischer Informationen auswirkt, ob sich Veränderungen im Gehirn nachweisen lassen und ob Verbesserungen bei der auditiven Informationsverarbeitung auch das Lesen und Rechtschreiben sowie Kreativität und Aufmerksamkeit beeinflussen“, erklärt die Grazer Psychologin PD Dr. Annemarie Seither-Preisler. Gemeinsam mit dem Heidelberger Neurologen Dr. Peter Schneider leitet sie das Forschungsprojekt „AMseL: Audio- und Neuroplastizität des musikalischen Lernens“.

In der AMseL-Studie werden etwa 200 SchülerInnen untersucht – je zur Hälfte JeKi-Kinder und SchülerInnen, die nicht am Programm teilnehmen. Letztere unterteilen sich wiederum in Kinder mit und ohne privaten Instrumentalunterricht. Spezielle Subgruppen bilden SchülerInnen mit Legasthenie (Lese-Rechtschreibschwäche) und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätsstörung).

„Um die Wahrnehmung verschiedener akustischer Informationen wie Tonhöhe, Klangfarbe, Lautstärke, Tonlänge und Rhythmus sowie einfacher Sprachlaute exakt überprüfen zu können, haben wir in Graz spezielle Hörtests entwickelt. Zusätzlich werden auch Tests der Universitäten Heidelberg und Cambridge verwendet“, erzählt Seither-Preisler. Hinzu kommen Lese-, Rechtschreib-, Rechen-, Intelligenz- und Kreativitätstests. Mittels Magnetenzephalographie (MEG) lassen sich parallel dazu die Vorgänge im Gehirn beobachten.

Erste Ergebnisse zeigen: „Kinder mit privatem Instrumentalunterricht – dieser ist meist intensiver als der JeKi-Gruppenunterricht – weisen eine deutlich bessere Hörfähigkeit im Sinne einer feineren Wahrnehmung von Tonhöhen, Klängen, Tondauern und Rhythmen sowie bessere Lese-Rechtschreibleistungen auf“, fasst Seither-Preisler zusammen. Auch bei der visuellen und auditiven Aufmerksamkeit liegen sie vorne: „Musizierende Kinder machen weniger Fehler aufgrund von voreiliger Impulsivität und sind offenbar besser darin, längere Informationseinheiten aufzunehmen, bevor sie einen Sachverhalt beurteilen“, erklärt die Psychologin. Diese Zusammenhänge lassen sich unabhängig vom jeweiligen sozio-ökonomischen Umfeld und der Intelligenz der Kinder feststellen. Ob der schulische JeKi-Unterricht vergleichbare Auswirkungen hat, soll sich später im Längsschnittsvergleich erweisen.

In weiterer Folge interessiert die WissenschafterInnen, ob sich die positiven Effekte auch bei Kindern mit Legasthenie und ADHS einstellen und Musizieren somit als „Therapie“ eingesetzt werden könnte. Die Grazer Arbeitsgruppe hat bereits Expertise zur Lese-Rechtschreibschwäche erworben. Vorstudien an steirischen Kindern sind abgeschlossen. „Etwa die Hälfte der LegasthenikerInnen hat Probleme mit der Fähigkeit, gesprochene Wörter in einzelne Abschnitte zu teilen und diese korrekt wahrzunehmen“, weiß Seither-Preisler. „Das wiederum hat Auswirkungen auf den Schriftspracherwerb.“ Häufig sei parallel dazu die Rhythmuswahrnehmung beeinträchtigt. „Die Wissenschaft geht davon aus, dass Rhythmus- und Klangwahrnehmung generell recht gut trainierbar sind und sich durch Instrumentalspiel verbessern lassen, was auch die AMseL-Studie bestätigt hat.“

Im Rahmen des neuen Grazer Forschungsschwerpunktes „Gehirn und Verhalten“ wurde eine interdisziplinäre Legasthenie-Gruppe gegründet, in der ExpertInnen aus Psychologie und Sprachwissenschaft mit ForscherInnen der Medizinischen Universität Graz zusammenarbeiten. Eine Kooperation besteht auch mit dem Zentrum für Systematische Musikwissenschaft. Ziel ist es, die Expertise auf diesem Gebiet noch weiter auszubauen.
     
Informationen: http://www.am-sel.org    
     
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