Erste Studienergebnisse eines neuartigen Neurostimulators auf dem Internationalen Kopfschmerzkongress
in Berlin vorgestellt
Berlin (idw) - Auf dem Internationalen Kopfschmerzkongress in Berlin (23. Bis 26. Juni 2011) hat
Prof. Dr. Jean Schoenen, Koordinator der Kopfschmerz- Forschungseinheit an der Universität Lüttich (Belgien),
positive Studienergebnisse eines Neurostimulators zur Behandlung von Cluster- Kopfschmerzen vorgestellt. Entwickler
des neuartigen Implantatsystems zur Behandlung schwerer Kopfschmerzen ist Autonomic Technologies, Inc. (ATI).
Prof. Dr. Arne May, Neurowissenschaftler am Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf (UKE) und Präsident
der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), ist an der Studie beteiligt: "Bisher gab es
für Cluster-Kopfschmerzpatienten nur wenige Behandlungsoptionen. Die gängigen Ansätze umfassten
die präventive Medikation und abortive Therapien zur Akutbehandlung wie z.B. teure injizierbare Substanzen
und das Inhalieren von Sauerstoff. Diese Behandlungsformen können jedoch bei manchen Patienten nicht angewendet
werden, z.B. wenn kardiovaskuläre Risikofaktoren vorliegen; bei anderen Patienten treten erhebliche Nebenwirkungen
auf. Ich hoffe, dass sich dieser neue therapeutische Ansatz weiterhin bei vielen Cluster-Patienten als chancenreich
erweist."
Cluster-Kopfschmerz ist eine neurologische Erkrankung mit äußerst intensivem, stechendem Schmerz, der
einseitig um das Auge auftritt. Außer den Schmerzen kann es auch zu tränenden Augen und Schwellungen
sowie einer verstopften Nase kommen. Diese Art von Schmerz wird auch "Selbstmord- Kopfschmerz" bezeichnet
und zählt zu den schlimmsten Schmerzformen beim Menschen. Die Attacken können mehrmals täglich auftreten
und dauern zwischen 15 Minuten bis 3 Stunden an. Man schätzt, dass mindestens 1 von 1.000 Menschen an Cluster-Kopfschmerz
leidet.
An der Pathway CH-1 Studie, die die Sicherheit und Wirksamkeit des ATI Neurostimulators untersucht, nehmen bislang
22 Personen teil; insgesamt sind für die Studie rund 40 Patienten vorgesehen. Von 7 dieser 22 Patienten liegen
Stimulationsdaten aus der Titrationsphase vor. Eine Schmerzlinderung innerhalb von 15 Minuten -primärer Endpunkt
der Studie- wurde bei 66 Prozent der behandelten Kopfschmerzattacken (n=57) erreicht. Gleichzeitig hat sich mit
der Stimulation die Häufigkeit der Kopfschmerzen bei der Mehrheit der Patienten verringert; im Vergleich zu
dem 4-Wochen- Zeitraum vor Beginn der Studie sank die Kopfschmerz-Häufigkeit während der Studie bei 70
Prozent der Patienten um mindestens 50 Prozent ab.
"Die Ergebnisse sind sehr ermutigend", sagte Prof. Dr. Schoenen. "Chronischer Cluster-Kopfschmerz
verursacht schwerste Beeinträchtigungen und starke Schmerzen, die es den Betroffenen oft unmöglich machen,
ein normales Leben zu führen. Gemeinsam mit den Studienärzten freue ich mich auf die Fortsetzung der
Forschungsarbeit zu dieser neuartigen Kopfschmerz- Therapie sowie auf die künftige Erforschung dieses Therapieansatzes
bei schwerer Migräne."
Ben Pless, Präsident und CEO von Autonomic Technologies, kommentierte die Studienergebnisse so: "Wir
sind mit diesen vielversprechenden ersten Daten äußerst zufrieden und sind gespannt auf den weiteren
Verlauf unserer Studien mit dieser neuen Technologie für die Behandlung von Cluster- Kopfschmerz und Migräne.
Es ist unsere Hoffnung, dass sich durch unsere Arbeit eines Tages das Leiden von Millionen von Menschen lindern
lässt."
Das ATI Neurostimulationssystem
Das in der Erprobungsphase befindliche Neurostimulationssystem besteht aus einem neuartigen implantierbaren
Mini-Stimulator. Er ist etwa mandelgroß und wurde für die Behandlung starker Kopfschmerzen einschließlich
Cluster- Kopfschmerz und Migräne entwickelt. Dieser Neurostimulator wird ohne sichtbare Narben oder kosmetische
Beeinträchtigungen in das Zahnfleisch implantiert. Die Spitze des Implantats wird an dem als Ganglion sphenopalatinum
(GSP) oder Meckel-Ganglion bezeichneten Nervenbündel hinter dem Wangenknochen platziert. Schon seit Jahren
konzentriert man sich in der Klinik bei der Behandlung starker Kopfschmerzen auf das GSP, um dort vor allem Lidocain
oder sonstige Substanzen zu injizieren, um so die Nervenblockade auszulösen.
Nach Implantation des Mini-Stimulators kann der Patient über eine externe Fernsteuerung, die einem großen
Mobiltelefon ähnelt, bei Bedarf die Stimulation auslösen, die zur Linderung des Kopfschmerzes führt.
Nach Behandlung der Schmerzen wird das Fernsteuergerät einfach wieder von der Wange genommen und die Stimulationstherapie
damit ausgeschaltet.
Die Pathway CH-1 Studie
An der multizentrischen Pathway CH-1 Studie sind sieben führende Kopfschmerzzentren in sechs europäischen
Ländern beteiligt. Insgesamt soll die Studie 40 Patienten umfassen. In einer Titrationsphase werden die Stimulationsparameter
eingestellt und ggf. angepasst. Danach werden die Kopfschmerzen der Patienten im Rahmen einer experimentellen Phase
in randomisierter Form mit einer von drei verschiedenen Stimulationsdosen behandelt, darunter ein Placebo. Dieses
strenge Studiendesign ist üblich bei Kopfschmerzstudien. Prof. Dr. Schoenen präsentierte auf dem Kongress
die ersten Daten von sieben Patienten aus der Titrationsphase. Ergebnisse der randomisierten Phase wurden noch
nicht vorgestellt. |