Justizausschuss: Aussprache über Vorhaben der neuen Ministerin
Wien (pk) - Bei ihrem ersten Auftritt im Justizausschuss nahm am 22.06. Ministerin Beatrix Karl eine
Aktuelle Aussprache zum Anlass, die Abgeordneten über die Schwerpunkte ihres Arbeitsprogramms zu informieren.
Im Anschluss daran beschloss der Ausschuss verschärfte Bestimmungen gegen Missbrauch bei der Vorratsdatenspeicherung,
ein Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz im Lichte von mehr Transparenz sowie Änderungen beim Zuständigkeitsübergang
auf die neue Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Konkret kündigte Karl bis spätestens Herbst 2012 ein Familienrechtspaket an, das vor allem auch Regelungen
über die gemeinsame Obsorge enthalten wird. Demnach soll nach einer Ehescheidung grundsätzlich gemeinsame
Obsorge gelten, geplant ist nach den Worten Karls aber auch eine Verfahrensbeschleunigung beim Besuchsrecht. Überdies
will die Ministern einen Schiedsmechanismus einführen, der die Familiengerichte unterstützen und zur
Deeskalierung beitragen soll. Ob dies, wie von der Abgeordneten Daniela Musiol (G) vorgeschlagen, in Form einer
dem Gericht vorgelagerten Schiedsstelle geschieht, sei angesichts von Bedenken hinsichtlich des Art. 6 MRK noch
ungewiss, meinte Karl. Teil des Pakets werden auch Änderungen im Namensrecht sein, wobei die Ministerin, wie
sie sagte, vor allem mehr Flexibilität bei Doppelnamen anstrebt.
Anliegen der Ministerin wird auch eine Verbesserung des Schutzes der Kinder sein. Geplant sind in diesem Sinn die
Schaffung eines Straftatbestands bezüglich des Anbahnens sexueller Kontakte mit Kindern via Internet sowie
die Einführung einer Mindeststrafe für Gewalt gegen Minderjährige.
An weiteren Gesetzesvorhaben nannte Karl eine GmbH-Reform, die eine Herabsetzung des Mindeststammkapitals von derzeit
30.000 € auf 10.000 € sowie Erleichterungen bei der Gründung von Ein-Mann-GmbHs durch Senkung der Notartarife
vorsieht. Schrittweise will Karl schließlich bei der ABGB-Reform vorgehen. Ins Auge gefasst sei zunächst
eine Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in einer weiteren Phase stehe dann eine Reform des Erbrechts
auf dem Programm, kündigte die Ministern an.
Breiten Raum in der Debatte nahmen die Themen "Mafia-Paragraph" und Terrorismus-Prävention ein.
Die Abgeordneten Johannes Jarolim (S), Petra Bayr (S) und Albert Steinhauser (G) erinnerten an den Tierschützerprozess
von Wiener Neustadt, wobei Jarolim feststellte, die Anwendung des Paragraphen 278a StGB habe gezeigt, dass es notwendig
sei, legistisch nachzuschärfen. Zu Vorsicht mahnte der Justizsprecher der SPÖ auch im Zusammenhang mit
der Terror-Prävention. Hier gelte es, nicht mit generellen, überschießenden Normen zu agieren,
warnte er. Steinhauser sprach in diesem Zusammenhang von einer massiven Gefahr des Missbrauchs, während die
Abgeordneten Peter Michael Ikrath und Karin Hakl (beide V) einwarfen, man müsse bei den geplanten Änderungen
auf die jüngsten Ereignisse reagieren und bestehende Gesetzeslücken schließen.
Die Ministerin sprach sich dafür aus, sowohl den Tierschützerprozess, als auch allgemein den Paragraphen
278a StGB zu evaluieren, wollte aber zuvor noch den Abschluss des Verfahrens abwarten. Zur Terrorprävention
stellte sie fest, es gebe Lücken, die geschlossen werden sollten. Ansatzpunkte sah sie dabei in Vorschlägen,
das Anleiten zu Terrorakten im Internet unter Strafe zu stellen und beim Auffordern zu Terrorakten und Gutheißen
des Terrors die qualifizierte Öffentlichkeit zu reduzieren, dies vor allem auch, um gegen Hassprediger vorgehen
zu können.
Verbesserter Schutz bei der der Vorratsdatenspeicherung
Mit einer Überarbeitung der österreichischen Umsetzung der EU-Richtlinie über die Vorratsspeicherung
von Daten soll der Schutz vor missbräuchlicher Verwendung der auf diesem Wege bezogenen Informationen ausgeweitet
werden. Ein vom Justizausschuss im Anschluss an die Aussprache teils einstimmig, teils mit den Stimmen der Regierungsparteien
beschlossener S-V-Antrag (1507/A) sieht in diesem Sinn vor, dass derartige Datenauskünfte von den Staatsanwaltschaften
nur streng nach dem "Vier-Augen-Prinzip" angeordnet werden dürfen und Personen, die gespeicherte
Daten unzulässig veröffentlichen, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe
von bis zu 360 Tagessätzen belegt werden können.
Die Abgeordneten Ewald Stadler (B) und Albert Steinhauser (G) begrüßten zwar, dass Teile der ursprünglichen
Kritik an dem Gesetz nun berücksichtigt worden sind, blieben aber bei ihrer Forderung nach einer gerichtlichen
Genehmigung.
Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz bringt mehr Transparenz
Weiters verabschiedete der Ausschusse eine Regierungsvorlage eines Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetzes (1252
d.B.), die zunächst bezweckt, das österreichische Umgründungsrecht an die Vorgaben der entsprechenden
EU-Richtlinie anzupassen. Darüber hinaus soll dem im Gefolge des Prüfungsergebnisses der Financial Action
Task Force (FATF) vom Ministerrat beschlossenen Transparenzpaket zur Verbesserung der Transparenz bei Aktiengesellschaften
Rechnung getragen werden, indem nun alle nicht börsennotierten Gesellschaften zur Ausgabe von Namensaktien
verpflichtet werden.
Ein Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage betrifft die Umstellung von der derzeitigen Zeilengebühr
auf verschiedene "Flat-Rates" für Abfragen aus dem Grundbuch, die nunmehr erst mit 7. Mai 2012 in
Kraft treten soll. Begründet wurde dies damit, dass aus Kapazitätsgründen eine Fertigstellung der
technischen Voraussetzungen zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt 1.Oktober 2011 nicht erfolgen könne.
Die Abgeordneten Ewald Stadler (B) und Peter Fichtenbauer (F) unterstützten seitens ihrer Fraktionen die Regierungsvorlage,
übten aber Kritik an den Abänderungen hinsichtlich Grundbuchsgebühren. Diese Reparatur sei nur wegen
einer "Schluderei" der Koalition bei der ursprünglichen Beschlussfassung notwendig geworden, meinte
Stadler.
Bei der Abstimmung passierte die Regierungsvorlage in den von der Abänderung nicht betroffenen Passagen einstimmig
den Ausschuss, der Abänderungsantrag erhielt die Zustimmung von SPÖ und ÖVP.
Kühlgeräteentsorgungsbeiträge: Ausschuss beschließt neuen Modus
Ebenfalls auf die Abgeordneten Heribert Donnerbauer (V) und Johannes Jarolim (S) geht ein Antrag auf rückwirkende
Aufhebung des im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes beschlossenen Bundesgesetzes zur Rückführung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge
der KonsumentInnen zurück. An seine Stelle soll nun ein Bundesgesetz über die Ermächtigung zur Übernahme
der Rückerstattung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge treten. Gemäß den darin enthaltenen
Bestimmungen soll die UFH (GmbH & Co KG sowie Privatstiftung) für die Übernahme der Rückzahlungsverpflichtungen
ein Entgelt von 24 Mio. € an den Bund leisten und bis 31. Dezember 2020 die Prüfung bzw. Abwicklung der Rückzahlungsansprüche
und bis 31. Dezember 2013 die Begleichung der Rückzahlungen kostenfrei übernehmen.
Scharfe Kritik an der Vorgangsweise der Koalition wurde von den Abgeordneten Ewald Stadler und Herbert Scheibner
(beide B), Peter Fichtenbauer (F) und Albert Steinhauser (G) geübt. Ihre Argumentation stellte auf die ihrer
Ansicht nach fragwürdigen Modalitäten ab, durch die eine Überführung von 24 Mio. € aus einem
Fonds, in dem nach ihnen vorliegenden Zahlen tatsächlich noch mindestens 31 Mio. € vorhanden sind, ins Budget
erfolgt. Nach Ansicht der Abgeordneten der Opposition sollte das Geld besser in einer zweckgebundenen Weise verwendet
werden. Außerdem stelle sich die Frage, ob die verbleibende Differenz von mindestens 7 Mio. € eine angemessene
Verwendung finde, so der Tenor der Wortmeldungen. Die Antragssteller Heribert Donnerbauer (V) und Johannes Jarolim
(S) wiesen, ebenso wie Justizministerin Karl, diese Kritik zurück. Sie argumentierten, dass die Regelung sicher
stelle, dass auch weiterhin die gezahlten Entsorgungsbeiträge rückerstattet werden können. Man habe
einen gangbaren Weg gefunden habe, wie mit den nach einer früher geltenden Regelung eingehobenen Geldern nun
verfahren werden solle, meinte Abgeordneter Jarolim.
Der Antrag wurde mit S-V-Mehrheit angenommen.
Anträge der Opposition vertagt
Vertagt wurden hingegen ein Antrag des Freiheitlichen Abgeordneten Peter Fichtenbauer, der darauf abzielt, durch
strikte Fristsetzungen Rechtsstreitigkeiten im Obsorgerecht bzw. im Besuchsrecht zu beschleunigen. Der Antragsteller
argumentierte, dass vor allem durch die Tatsache, dass Expertengutachten oft Jahre auf sich warten lassen, unzumutbar
lange Verfahrensdauern entstehen.
Abgeordneter Johann Maier (S) stimmte dem Antragsteller grundsätzlich zu, dass die derzeitige Regelung überlange
Verfahrensdauern ermögliche, was zu hohen Belastungen führe. Die Materie sollte aber am besten im Familienrechtspaket
gelöst werden, meinte er. Er stellte daher einen Vertagungsantrag, der mit S-V-Mehrheit angenommen wurde.
In Sachen Unterhaltsvorschuss lag dem Ausschuss eine weitere Initiative der Freiheitlichen vor. FPÖ-Abgeordnete
Carmen Gartelgruber trat in ihrem Antrag dafür ein, die Auszahlung eines Unterhaltsvorschusses auch unabhängig
von der Vorlage eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels zu ermöglichen.
In der Diskussion des Antrags, die von der Antragstellerin sowie Abgeordnetem Ewald Stadler (B), Johann Maier (S),
Albert Steinhauser (G) und Ausschussvorsitzendem Heribert Donnerbauer geführt wurde, zeigte sich ein parteiübergreifender
Konsens, dass die Materie nicht ausschließlich durch das Justizministerium gelöst werden könne.
Sie berühre Angelegenheiten des Sozialministeriums sowie der Jugendwohlfahrt und damit der Länder. Es
sei daher zweckmäßig, eine parlamentarische Enquete zu diesen Fragen abzuhalten, so der allgemeine Tenor.
Der Antrag wurde mit S-V-Mehrheit vertagt.
Änderungen des Strafgesetzes bezüglich Folter schlugen BZÖ und Grüne vor. B-Abgeordneten Ewald
Stadler forderte in seinem Antrag lebenslängliche Freiheitsstrafe für jene, die Kinder zu Tode quälen.
Die Grünen wiederum wollten für Folter eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren, bei Dauerfolgen oder
Tod des Opfers bis zu 15 Jahren.
Auch diese beiden Anträge wurden mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt mit dem Hinweis, dass die
Justizministerin beabsichtige, in dem in der Aktuellen Aussprache angekündigten Paket die Kinderrechte zu
stärken.
BZÖ will Wiedereinführung der UntersuchungsrichterInnen
Vertagt wurde weiters der Antrag des BZÖ, in dem Abgeordneter Ewald Stadler die Wiedereinführung der
UntersuchungsrichterInnen verlangt und dabei argumentiert, dass die StaatsanwältInnen mit ihren neu gewonnen
Aufgaben überfordert seien und dabei vergleichsweise wenig Kontrolle unterlägen. Die Staatsanwaltschaft
sei in ihre Rolle nicht hineingewachsen, außerdem gebe es eine "Komplizenschaft" zwischen StaatsanwältInnen
und Polizei, sagte Stadler, das habe einmal mehr die Verfolgung der TierschützerInnen unter Beweis gestellt.
Er plädierte auch für die Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle der Staatsanwaltschaft, etwa durch
einen eigenen Ständigen Unterausschuss des Justizausschusses.
Unbehagen über die derzeitige Situation äußerten auch Abgeordnete der anderen Fraktionen, wobei
jedoch Abgeordneter Johannes Jarolim (S) die Reform nicht gänzlich zurücknehmen wollte. Man sollte zunächst
den Evaluierungsbericht abwarten und dann in eine breite Diskussion eintreten, welche Maßnahmen zur Verbesserung
der Situation zu setzen seien. Deshalb trete er für die Vertagung des Antrags ein. Ähnlich argumentierte
Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V). Ihm zufolge sollte der Evaluierungsbericht genützt werden, strukturiert
an die Probleme heranzugehen. Es gelte vor allem, das Vertrauen der Menschen in die Justiz zu stärken. Diesen
Diskussionsbedarf sah auch Abgeordneter Albert Steinhauser (G), der die Kritik Stadlers in weiten Bereichen teilte
und den Vertagungsantrag unterstützte. Abgeordneter Herbert Scheibner (B) widersprach Jarolim und wies darauf
hin, dass der Evaluierungsbericht ein essentieller Bestandteil der damaligen nicht unumstrittenen StPO-Novelle
war. Man habe offen gelassen, bei einem negativen Befund, die Reform wieder zurückzunehmen.
Ebenfalls vertagt wurde schließlich ein Antrag der Freiheitlichen, der sich gegen die Beschäftigung
von Freigängern bei Gericht wandte. Häftlinge hätten hier Zugang zu sensiblen Daten und Akten und
würden gemäß Strafvollzugsgesetz nicht überwacht, gaben die Abgeordneten Christian Lausch
und Peter Fichtenbauer(beide F) zu bedenken. Die Vertagung durch SPÖ und FPÖ wurde von Abgeordnetem Bernd
Schönegger (V) damit begründet, dass man nicht von Einzelfällen ausgehen und zunächst genau
prüfen sollte, um wie viele Fälle es sich handelt. |