2011 etwas kleinere Getreideernte erwartet   

erstellt am
29. 06. 11

Märkte globalisiert und sehr, sehr volatil - Forderung nach Marktordnung
Wien (bmlfuw/aiz) - Österreich erwartet, so die Landwirtschaftskammern heute bei ihrer Erntepressefahrt, wenn nicht noch etwas Gröberes passiert, 2011 eine "mäßige bis durchschnittliche" Getreideernte von 2,7 Mio. t nach 2,76 Mio. t (minus 2,2%) 2010. Weichweizen wird mit 1,42 Mio. t leicht im Plus gegenüber dem Vorjahr geschätzt.

Die Rückgänge bei der Getreideernte gehen vor allem auf das Konto von Gerste (710.000 t nach 777.960 t). Da wegen der guten Entwicklung der Maisbestände hier mit etwas über 2 Mio. t mit einer größeren Ernte als im Vorjahr (1,96 Mio. t) gerechnet wird, dürften insgesamt an Getreide und Mais mit 4,7 Mio. t gleich viel eingefahren werden wie 2010. Bei den Ölsaaten wird bei Sojabohne mit 105.000 t ein höherer Ertrag als aus der letzten Ernte erhofft und ebenso bei Sonnenblumen, während die Rapsmenge mit 145.000 t geringer ausfallen soll. Sowohl LK Österreich-Vorsitzender Gerhard Wlodkowski als auch der Präsident der Landwirtschaftskammer Burgenland, Franz Stefan Hautzinger, betonten aber, dass es sich dabei um eine Prognose aus derzeitiger Sicht handle und bis zu der Mitte Juli anlaufenden Haupternte das Wetter nicht so wie im Vorjahr wieder einen Strich durch die Rechnung machen dürfe. Jedenfalls sei sowohl damit die Versorgungssicherheit im Inland gewährleistet als auch der Export hochwertigen Aufmischweizens nach Italien möglich.

Auch unterstrich der Vorsitzende des Ausschusses für Pflanzenbau in der LK Niederösterreich, Andreas Leidwein, 2011 werde "ein guter Getreidejahrgang mit höherer Qualität bei moderaten Ernteaussichten". Die Aussaat im Herbst hat unter schwierigen Bedingungen stattgefunden und im Frühjahr bereitete die lang anhaltende Trockenheit Sorgen, wobei der Regen Ende Mai gerade noch rechtzeitig gekommen sei, die Qualitätsbildung zu fördern. Im Nordburgenland, so Hautzinger, ist die Wintergerste auf leichten, schottrigen Standorten schon gedroschen, wobei man fünf bis sechs Tage früher als normal drangewesen ist. Generell haben die Pflanzen auf tiefgründigen, schweren Böden die Frühjahrstrockenheit besser überstanden als jene auf leichten, schottrigen Gründen mit geringerer Wasserspeicherung. Auch waren die Niederschläge lokal und zeitlich sehr unterschiedlich verteilt, wobei das Burgenland zum Beispiel besser ausgestiegen ist als westliche Anbauregionen.

Bei den Preisen die Kirche im Dorf lassen
"Bei den Preisen sollte man die Kirche im Dorf lassen", relativierte Leidwein das vermeintlich hohe Niveau der Getreidepreise. "Wir brauchen Preise für die Kosten." Die Preise lägen immer noch unter dem Niveau vor Österreichs EU-Beitritt und dieser Preisverfall, so der Wiener LK-Präsident Franz Windisch, sei nur teilweise durch die Ausgleichszahlungen der EU kompensiert worden. Selbst die aktuell hohen Getreidepreise würden die Kosten nicht decken, rechnete Windisch vor, dass von Euro 600,- Rohertrag Euro 300,- an Sozialversicherung zu zahlen seien und davon noch weiters die variablen Kosten für Saatgut, Diesel, Pflanzenschutz und Düngung bestritten werden sollen, wobei davon noch keine Fixkosten oder eine Afa gedeckt seien. Er argumentierte weiters, inflationsbereinigt habe sich der Getreidepreis seit dem EU-Beitritt 1995 halbiert, während der Dieselpreis in den letzten zehn Jahren von 60 Cent auf Euro 1,27 pro l geklettert sei, Pflanzenschutzmittel um 30% und Dünger sogar um mehr als 100% teurer geworden seien.

Daher gehe sich eine wirtschaftliche Produktion selbst für einen Großbetrieb nicht ohne Ausgleichszahlungen aus, denn "auch beim 500. oder 1.000. Hektar kommt ohne Förderung ein Minus raus". Auch Hautzinger sieht den Reichtum bei den Getreidebauern nicht ausbrechen, da die Betriebsmittelpreise noch stärker anstiegen als die Produktpreise. Er legte Berechnungen vor, wonach aus der Ernte 2011 bei einem angenommenen Mahlweizenpreis von Euro 200,- pro t mit Euro 280,- bis 330,- sogar ein niedrigerer Deckungsbeitrag herauskomme als aus der Ernte 2010, wo der Weizenpreis nur bei Euro 190,- angesetzt worden war, aber der Deckungsbeitrag Euro 320,- bis 370,- pro ha erreicht habe.

Leidwein ergänzte, dass bei den Marktfruchtbetrieben im Ackerbau der stärkste Strukturwandel stattgefunden habe, wobei, so Windisch, der Ackerbau selbst mit diesem starken Strukturwandel ohne Direktzahlungen auch nicht überleben könne.

Märkte globalisiert und sehr, sehr volatil - Forderung nach Marktordnung
"Die Märkte sind globalisiert und sehr, sehr volatil", so Hautzinger. Sie reagierten auf jede neue Ernteprognose oder jedes Wetterereignis sehr empfindlich. Im auslaufenden Wirtschaftsjahr seien die Weizennotierungen von Euro 210,- bis 270,- ausgeschlagen und zuletzt wieder unter Euro 200,- pro t gesunken. Die weltweite Versorgungslage bei Getreide und das Verhältnis zwischen Lagerbestand und Verbrauch bleiben angespannt. Damit gewinne auch die Versorgungssicherheit immer mehr an Bedeutung, weshalb die Landwirtschaftskammern die Notwendigkeit wirksamer Marktordnungsinstrumente unterstreichen - auch um extreme Preisschwankungen abzufangen. Diese seien nämlich nicht nur ein Risiko für die Landwirte, sondern auch für die Konsumenten, die sich, so Windisch, Sicherheit nicht nur bei der Versorgung, der Qualität und auch der Preise erwarteten. "Niemand ist bereit für Krisen- oder Interventionslager zu zahlen, wobei dies aber nichts anderes als eine Versicherungsprämie wäre." Auch Leidwein verwies auf die Sicherheit der Versorgung in Österreich, das dank seines gemäßigten Klimas im Gegensatz zu Russland, Kanada oder Australien mit extremen Ertragsschwankungen immer Erträge liefern könne, "aber den Nachteil hat, wegen höherer Standards nicht so preiswert zu sein". Dies sei aber der Preis für diese Sicherheit.

Aber: "Jeder wird sich weiter die Lebensmittelpreise leisten können", so Hautzinger, denn: "nie waren Lebensmittel im Verhältnis zu den Gesamtausgaben so billig". Zudem machten die Rohstoffkosten je nach Produkt nur 1 bis 5% der Endpreise aus.

"Auch die Wetterkapriolen zeigen, wie wichtig Lagerhaltung und Interventionslager sind, um bei Verwerfungen rasch eingreifen zu können", betonte Wlodkowski. Er verwies aber auf einen Gesinnungswandel der EU in Brüssel. Zuletzt habe man zum Beispiel mit der Einlagerung von Schweinefleisch rasch auf den Dioxinskandal oder mit der Hilfe für die Gemüsebauern auf EHEC reagiert.

Er unterstrich auch, dass die Verwendung von Getreide für die Energieproduktion in Österreich die Preise nicht in die Höhe treibe, weil genügend Ressourcen für die Erfüllung des Prinzips "Teller - Trog - Tank" zur Verfügung stehen. Rund 10% der heimischen Getreideproduktion werden zu Treibstoffen verarbeitet, wobei etwa im Ethanolwerk in Pischelsdorf ein Drittel davon wieder als Futtermittel Verwendung findet und eine Sojafläche von 60.000 ha ersetzt.

Lang: Forderung nach stabilen agrarpolitischen Rahmenbedingungen
Die Forderung nach stabilen agrarpolitischen Rahmenbedingungen erhob auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Raiffeisen Ware Austria AG (RWA), Hannes Lang. Die Lagerhausorganisation sei ein Unternehmen der Bauern und begleite ihre Produktion vom Anbau über Düngung, Pflanzenschutz, Lagerung und Vermarktung. Aus der Ernte 2010 seien die Lager praktisch leergeräumt und die Mengen der kommenden Ernte 2011 könnten problemlos aufgenommen werden.

In der Vermarktung "sind wir gefordert, die besten Preise für die Bauern zu erzielen", so Lang. Dabei biete man Fixpreise oder die Poolvermarktung mit Anzahlung im August und Nachzahlung im folgenden Juni an, weil die Preise übers Jahr schwanken. Die RWA als Großhandeldach der Lagerhäuser wolle aber Getreide nicht zum Spekulationsobjekt machen, sondern baue auf eine kontinuierliche Versorgung der Verarbeiter über die ganze Saison hin und auf den gezielten Export von Qualitäten.

Die Lagerhausorganisation sei bisher im konventionellen und zukünftig verstärkt im Bio- Bereich tätig, weil sich hier andere Vermarktungsfirmen zurückziehen. "Wir können das Risiko managen", so Lang.
     
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