Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners   

erstellt am
29. 06. 11

Heinz von Foerster - Ausstellung im Taxispalais Innsbruck von 16. Juli - 4. September 2011
Innsbruck (taxispalais) - Mit der aktuellen Ausstellung in der Galerie im Taxispalais wird der Tiroler Bildhauer Peter Sandbichler erstmals in Österreich umfassend vorgestellt. Der Titel "Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners" ist ein Zitat des Physikers und Philosophen Heinz von Foerster (geboren 1911 in Wien, verstorben 2002 in Kalifornien), der sich mit der Konstruktion und dem Erfinden von Wirklichkeit auseinandersetzt, um zu einer neuen Kategorie des Denkens abseits alter Wertungen zu kommen. Peter Sandbichler greift den Begriff der Wahrheit auf und führt uns inhaltlich in einen dichten gesellschaftlichen Diskurs, wobei er konzeptuelles Denken mit plastischen, vom Material her wirkenden Mitteln verknüpft. Ausgehend von skulpturalen Objekten und raumgreifenden Installationen entwirft er einen Ausstellungsparcours, der von geschlossenen Systemen, von der Uniformierung des Individuums, aber auch von dessen plötzlichem Verschwinden hinter glatten Oberflächen in verborgenen Labyrinthen erzählt. Mit geometrischer Präzision thematisiert er den Dschungel aus medialen Lügen, konsumorientiertem Begehren und mafiösen Gesellschaftsstrukturen, in dem wir uns tagtäglich bewegen. Die subtile Verflechtung von skulpturalen Formen mit Referenzen an politische Figuren und Ereignisse oszilliert zwischen Fläche und Raum. Die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten zeichnen sich durch die für den Künstler typische Synthese von Material, Bearbeitung und Inhalt aus.

Peter Sandbichlers Interesse als Bildhauer gilt der Ambivalenz zwischen der Kontrolle darüber, wie etwas erscheint, und der Abweichung, die durch Veränderungen entsteht. Die in der Ausstellung präsentierten, in Metall getriebenen Porträts von verfolgten, entführten oder sogar ermordeten Journalisten und Politikern, die investigativen Journalismus betrieben bzw. sich kritisch äußerten, finden sich als großformatige Bilder an der Wand wie auch in Form eines Regals im Raum (Roberto, 2010; Hrant, 2008; Suu, 2008). Die Ambivalenz der Erscheinungsform, die auf dem Einsatz modularer Konstruktionen beruht, spielt eine tragende Rolle. Ob als monumentales Wandbild oder in fragmentierter Form verweisen die subtil verfremdeten Porträts auf die Systematiken der Medienwelt und die Probleme und Diskrepanzen, die in der Verschränkung von öffentlicher und privater Sphäre entstehen. Die verwendete "archaische" Bildhauertechnik verdeutlicht zudem das Anliegen, die individuellen Schicksale der verfolgten und ermordeten Journalisten und Politiker zu archivieren und zu erinnern.

Auch die eigens für die Ausstellung angefertigte Arbeit Fliegenauge (2011) beschäftigt sich mit unserer Wahrnehmung und verdeutlicht, dass gewonnene Erkenntnisse stets von der jeweiligen Perspektive und dem vermittelnden Medium abhängen. In Anlehnung an panoptische Gebäudearchitekturen, wie die von Gefängnissen, die die gleichzeitige Überwachung vieler Menschen durch eine einzelne Person ermöglichen, macht das Fliegenauge den Betrachter zum Voyeur. Durch mehrere runde Spiegel können die Besucher in anderen Ausstellungsräumen aus einer ungewöhnlichen Perspektive beobachtet werden. Die Arbeit verdeutlicht die Ambivalenz zwischen uneingeschränktem Informationsgewinn durch die 360°-Perspektive und die gleichzeitig entstehenden Kontroll- und Überwachungsmechanismen in unserer Gesellschaft.

In seinen Arbeiten verwendet Sandbichler oft alltägliche, gefundene Materialien, die einerseits bestimmte Zusammenhänge aus der Alltagswelt transportieren und gleichzeitig dazu dienen, den Betrachter zu aktivieren und einzubeziehen. Bei den für Innsbruck entwickelten Arbeiten Hiding (2011) und Labyrinth (2011) handelt es sich um raumgreifende, begehbare Installationen, die sich durch die Spannung von formaler Strenge und sozialer Inanspruchnahme auszeichnen. Die aus recycelten Fahrradkartons konstruierte Installation Labyrinth beschäftigt sich mit der Idee eines Labyrinths als meditative Übung, bei der ein klar vorgegebener Weg abgeschritten wird. Zugleich können die Besucher durch das Fliegenauge im darüber liegenden Ausstellungsbereich unmerklich ins Visier genommen werden. Im Widerspruch dazu suggeriert die Arbeit Hiding (2011) einen sicheren Ort, an dem man sich unbehelligt bewegen kann. Hiding ist eine Weiterführung der früheren Arbeiten Tiger Stealth (2010) und Be Prepared! Tiger! (2006), bei denen Sandbichler ein Stealthboot, das aufgrund seiner spezifischen Oberfläche auf dem Radar nicht ortbar ist, nachgebaut hat. Bei Hiding greift Sandbichler die Idee der Tarnung auf und entwirft eine komplexe Rauminstallation, die mit der Architektur der Galerie verschmilzt.
     
Informationen: http://www.galerieimtaxispalais.at    
     
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