Nationalrat gegen Spekulationen mit Agrarrohstoffen
Wien (pk) - Die am 23. Mai 2011 stattgefundene Enquete über die Gemeinsame Agrarpolitik nach
2013 bildete in der Nationalratssitzung vom 06.07. einen Ansatzpunkt für eine Debatte über die Zukunft
der Landwirtschaft in Österreich. Allgemein wurde Sorge wegen der geplanten Kürzungen der Agrarförderungen
geäußert, einige Abgeordnete plädierten für mehr Verteilungsgerechtigkeit bei den Förderungen
sowie für Förderobergrenzen.
Die Abgeordneten waren sich auch einig darin, dass man den Spekulation mit Agrarrohstoffen den Kampf ansagen muss.
Berlakovich: Kürzungen der EU-Agrarförderungen nicht akzeptabel
Abgeordneter Fritz GRILLITSCH (V) erinnerte an die Enquete und plädierte für eine starke und nachhaltige
europäische Agrarpolitik. Die heimischen Bauern müssten auch in Zukunft die Möglichkeit haben, ihre
hervorragende Arbeit im Interesse der KonsumentInnen und des Landes fortsetzen zu können, wozu es faire Preise
für ihre Produkte brauche. Gerade deshalb werde man es nicht hinnehmen, dass der Agrarbereich als einziger
in Europa von Budgetkürzungen betroffen sein solle. Immerhin gehe es um eine Unzahl von Arbeitsplätzen
und um Sicherheit für die KonsumentInnen.
Abgeordnete Rosemarie SCHÖNPASS (S) meinte, es sei erfreulich gewesen, dass es im Rahmen der Enquete Konsens
über mehr Verteilungsgerechtigkeit in der Landwirtschaft gegeben habe. Es müsse darum gehen, die Chancen
im ländlichen Raum zu verbessern, weshalb es verstärkten Einsatz für mehr Arbeitsplätze im
ländlichen Raum brauche. Daher müssten die Förderungen gerecht verteilt werden, wozu das Fördersystem
auf eine neue Basis gestellt werden müsse.
Abgeordneter Rupert DOPPLER (F) sagte, die Enquete habe keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gebracht. Damit die
heimischen Bauern auch weiterhin ihre bedeutsame Arbeit leisten könnten, bräuchten sie auch die entsprechende
Förderung, denn die heimische Landwirtschaft sei die "Lunge unserer Heimat".
Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) bezeichnete die Enquete als einen guten Start in eine vertiefte österreichische
Debatte. Man stehe vor zahlreichen Herausforderungen, die Vorschläge der Kommission seien hier nicht weitreichend
genug, weshalb es noch Diskussionsbedarf gebe. Konkret brauche es eine praxisnahe Lösung ohne ein Übermaß
an Bürokratie. Insbesondere betonte der Redner die Notwendigkeit einer generellen europäischen Gentechnikfreiheit
der Landwirtschaft und des Ausbau des Bio-Landbaus.
Abgeordneter Gerhard HUBER (B) meinte, man brauche einen Minister, der sich vor die Bauern stelle und für
sie kämpfe, denn die avisierten Kürzungen würden sich, so umgesetzt, als fatal erweisen. Stattdessen
brauche man ansprechende Rahmenbedingungen, um die Bauern nicht zu versklaven. Vielmehr müsse man ihnen ermöglichen,
ihre bedeutsamen Leistungen fair abgegolten zu bekommen. Österreich müsse seine Hausaufgaben machen,
denn das wäre nicht nur für die heimischen Bauern, sondern für alle gut.
Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH verwahrte sich gegen apokalyptische Sichtweisen der heimischen Landwirtschaft.
Diese sei gentechnikfrei, und das werde auch in Hinkunft so bleiben. Eine Reform der europäischen Agrarpolitik
sei im allgemeinen Interesse, zumal im österreichischen, denn Österreich wolle seinen Weg auch weiter
gehen. Die überaus erfolgreiche österreichische Agrarpolitik solle auch in Zukunft abgesichert werden.
Die geplanten Kürzungen könne man nicht akzeptieren, doch gebe es bereits Signale in die richtige Richtung.
Es könne eine erfolgreiche Agrarpolitik nur dann geben, wenn die entsprechenden Programme auch adäquat
gefördert würden, erklärte der Minister, der sodann die nächsten Schritte auf europäischer
Ebene skizzierte.
Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) würdigte die Leistungen des Landwirtschaftsministers. Die heimische Landwirtschaft
zeitige hochqualitative Ergebnisse, und um diese auch weiterhin zu produzieren, brauche es entsprechende politische
Unterstützung, wofür der Minister mit seiner Arbeit stehe, der die österreichischen Interessen in
Brüssel hervorragend vertrete.
Abgeordneter Walter SCHOPF (S) hob die Notwendigkeit hervor, Agrarförderungen umzuschichten. Man müsse
für mehr Verteilungsgerechtigkeit und mehr Transparenz sorgen, bekräftigte er. Arbeitsaufwand und Arbeitseinsatz
müssten verstärkt berücksichtigt werden. Schopf will außerdem Förderobergrenzen festlegen.
Seiner Ansicht nach geht es nicht an, dass 20% der Betriebe 80% der Förderung erhalten.
Abgeordneter Maximilian LINDER (F) wies auf die große Verunsicherung unter den LandwirtInnen durch die geplante
Kürzung der EU-Agrarförderungen hin. Man brauche entweder Förderobergrenzen oder eine stark degressive
Gestaltung der Agrarfördermittel, um zumindest die Förderungen für die kleinen Bauern weiter zu
garantieren, mahnte er. Linder wandte sich auch gegen zu viel Bürokratie bei der Förderabwicklung.
Abgeordneter Franz ESSL (V) hielt fest, Agrarförderungen seien notwendig, um leistungsstarke landwirtschaftliche
Betriebe zu erhalten und Österreich damit weiter mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen und die Landschaft
zu erhalten. Er äußerte in diesem Sinn die Hoffnung, dass es zu keiner Kürzung der Förderungen
kommen werde. Eßl sprach sich außerdem dafür aus, einen Leistungskatalog für Bauern zu definieren
und die geforderten Leistungen außerhalb der Ermessensförderung abzugelten.
Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) wies darauf hin, dass die Anforderungen an die österreichische Landwirtschaft
enorm hoch seien. Die gewünschten Leistungen spiegeln sich seiner Meinung nach aber nicht in den Marktpreisen
wider. Deshalb seien Agrarförderungen notwendig. Über die geplante EU-Agrarreform gilt es ihm zufolge
noch intensiv zu verhandeln.
Auch Abgeordneter Peter MAYER (V) machte geltend, dass die von den Bauern geforderten Mehrleistungen durch Marktpreise
nicht abgegolten würden und deshalb Ausgleichszahlungen notwendig seien. Österreich sei Vorreiter, was
eine nachhaltige Landwirtschaft betrifft, bekräftigte er und verwies etwa auf den überproportionalen
Anteil an Biobauern und strenge Tierschutzvorschriften. Mehr Auflagen für die Bauern bei gleichzeitig geringerem
Einkommen, könne jedenfalls, so Mayer, "nicht der Weisheit letzter Schluss sein".
Abgeordneter Harald JANNACH (F) bekräftigte die Forderung der FPÖ nach mehr Verteilungsgerechtigkeit
bei den Agrarförderungen. Die Großen bekämen viel, die Kleinen bekämen wenig bis gar nichts,
kritisierte er. Jannach will daher Förderobergrenzen einziehen und darüber hinaus Agrarfördermittel
für die Landwirtschaftskammern, die AMA und für Handels- und Industriebetriebe kürzen.
Das Stenographische Protokoll der Agrar-Enquete wurde vom Nationalrat einstimmig zur Kenntnis genommen.
Abgeordnete einstimmig gegen Spekulation mit Agrarrohstoffen
Nach der Debatte über die GAP-Reform sprachen sich die Abgeordneten einstimmig für eine Entschließung
des Nationalrats gegen die Spekulation mit Agrarrohstoffen aus. Konkret wird die Regulierung der Finanz- und Warenmärkte,
die Einrichtung einer internationalen Regulierungsstelle, die Besteuerung der Spekulation mit Agrarrohstoffen und
die Einführung einer internationalen oder zumindest europäischen Finanztransaktionssteuer verlangt.
Abgeordneter Fritz GRILLITSCH (V) begrüßte den vorliegenden 5-Parteien-Antrag, der auf Maßnahmen
zur Verhinderung von Spekulationen mit Agrarrohstoffen abzielt. Die Preise für Agrarprodukte würden immer
weniger von Angebot und Nachfrage abhängen, bemängelte er. Stattdessen sorgten unkontrollierte Spekulationen
für exzessive Preisschwankungen und verteuerten Grundnahrungsmittel vor allem auch in ärmeren Ländern
massiv. Ein adäquates Mittel gegen solche Spekulationen wäre seiner Ansicht nach die Einführung
einer Finanztransaktionssteuer.
Abgeordnete Ulrike KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) äußerte sich gleichfalls positiv zum vorliegenden 5-Parteien-Antrag.
Man müsse sowohl auf europäischer als auch global gegen Agrarspekulationen vorgehen, mahnte sie. Königsberger-Ludwig
machte darauf aufmerksam, dass die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel im April 2011 ein Allzeithoch erreicht
hätten. Neben Umweltkatastrophen und steigender Nachfrage seien dafür auch Spekulationen verantwortlich.
Ihr zufolge sind 850 Millionen Menschen weltweit unterernährt.
Abgeordneter Harald JANNACH (F) meinte, der vorliegende Entschließungsantrag werde nicht reichen, um Spekulationen
mit Agrarrohstoffen einzudämmen. Am ehesten wäre seiner Ansicht nach eine EU-weit einheitliche Steuer
auf Spekulationsgeschäfte zielführend. Es gebe aber nicht nur Spekulationen mit Agrarrohstoffen, konstatierte
Jannach, auch mit Agrarland würde spekuliert. Er verwies in diesem Zusammenhang auf großflächige
Landkäufe in Ostdeutschland, Bulgarien und Rumänien, mit denen die industrielle Landwirtschaft befördert
werde.
Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) machte darauf aufmerksam, dass der vorliegende Antrag auf Initiative der Grünen
zustande gekommen sei. Seiner Ansicht nach ist es aber nicht nur notwendig, gegen Spekulationen mit Agrarrohstoffen
vorzugehen, er sieht auch die Notwendigkeit, die kleinbäuerliche Landwirtschaft weltweit zu unterstützen.
Nur so könnte das Millenniumsziel, den Hunger der Welt zu halbieren, erreicht werden. Pirklhuber gab zu bedenken,
dass es die meisten hungernden Menschen in Asien gibt, für ihn ist dafür nicht zuletzt auch die verfehlte
Agrarpolitik in Indien mitverantwortlich.
Abgeordneter Gerhard HUBER (B) warf der ÖVP vor, selbst eine "Spekulantenpartei" zu sein. Er verwies
in diesem Zusammenhang auf ein von der Volksbank angebotenes Finanzprodukt des Raiffeisenkonzerns, dass für
Investitionen in Agrarrohstoffe einen Gewinn von 160% in Aussicht stelle. Seiner Ansicht nach werden Spekulationen
außerdem auch durch die vielen in Österreich brachliegenden Agrarflächen gefördert.
Landwirtschaftsminister Nikolaus BERLAKOVICH machte darauf aufmerksam, dass Agrarrohstoffmärkte immer stärker
mit Energiemärkten verbunden seien. Steigen die Energiepreise, würden auch die Rohstoffpreise mitgezogen.
Dass heiße aber nicht, dass die Bauern mehr für ihre Produkte bekämen, betonte der Minister.
Warentermingeschäfte sind für Berlakovich, wie er ausführte, grundsätzlich ein wichtiger Beitrag,
um Agrarpreise zu stabilisieren. Seiner Meinung nach braucht es aber mehr Transparenz bei Geschäften, die
außerhalb der Börse über das Internet laufen. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer
könnte hier ihm zufolge Abhilfe schaffen. Der Minister unterstützt daher das entsprechende Vorhaben der
EU-Kommission.
Abgeordneter Franz ESSL (V) hob hervor, dass starke Preisschwankungen für Agrarprodukte nicht nur negative
Auswirkungen auf die KonsumentInnen hätten, sondern auch auf die ProduzentInnen. Diese würden zum Teil
in ihrer Existenz gefährdet. Für ihn ist es daher wichtig, nach Regeln zu suchen, um Spekulationen zu
unterbinden.
Abgeordneter Kurt GASSNER (S) wies darauf hin, dass für steigende Preise bei den Agrarrohstoffen nicht nur
Spekulationen verantwortlich seien, sondern auch Ernteausfälle, die wachsende Weltbevölkerung und die
verstärkte Nutzung von Agrarflächen zur Erzeugung von Energierohstoffen. Auch darüber müsse
man reden, meinte er.
Bei der Abstimmung wurde die dem Ausschussbericht angeschlossene Entschließung einstimmig angenommen.
Anträge von Grünen und BZÖ abgelehnt
Für die Sicherung der Saatgutvielfalt und gegen die Politik multinationaler Konzerne trat das BZÖ
ein, Grüne MandatarInnen wiederum sprachen sich für das Recht der Bauern aus, Saatgut aus eigener Ernte
zu gewinnen, zu züchten und weiterzugeben. Beide Anträge blieben aber in der Minderheit.
Abgeordneter Rupert DOPPLER (F) gab zu bedenken, dass Saatgut die Grundlage der Ernährung sei. Die FPÖ
lehne den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft ab, bekräftigte er. Mittlerweile kontrollierten zehn
Konzerne fast 70% des Saatgutmarktes, und deren "Profitgier" sei noch immer nicht am Ende, klagte Doppler.
Abgeordneter Peter MAYER (V) wies darauf hin, dass Pflanzensorten und Tierrassen nicht patentierbar seien. Das
stelle auch eine EU-Richtlinie klar. Bauern könnten herkömmliches Saatgut vermehren, wiederverwerten
und tauschen. Für ihn ist die genossenschaftliche Struktur in Österreich ein Garant dafür, dass
den LandwirtInnen hochwertiges Saatgut und Tierzuchtmaterial zur Verfügung stehe und die Wertschöpfung
bei den Bauern und Bäuerinnen bleibe.
Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) räumte ein, dass es in Österreich möglich sei, Saatgut aus
eigener Ernte zu gewinnen und zu verwerten. Kleine Züchter hätten die Sorge gehabt, dass sie künftig
untereinander kein Saatgut mehr tauschen dürften, skizzierte er. Diese Frage sei nun aber auf EU-Ebene gelöst
worden. Pirklhuber versteht daher nicht, warum der vorliegende Antrag der Grünen abgelehnt werden soll. Ein
von ihm im Rahmen seiner Wortmeldung vorgelegter Entschließungsantrag zielt auf ein Verbot von Bienen schädigendem
Saatgutbeizmittel – analog zum Verbot in Slowenien, Deutschland, Frankreich und Italien – ab.
Abgeordneter Gerhard HUBER (B) erläuterte, Saatgut sei die Grundlage der Ernährung, nun werde durch Saatgutkonzerne
den BäuerInnen die wichtige Aufgabe der Erhaltung der Sortenvielfalt entrissen. Sich frei ernähren zu
können und sich Saatgut aussuchen zu können, sei ein Menschenrecht. Bereits jetzt hielten internationale
Konzerne 70% an den Anteilen am Saatgut.
Bundesminister Nikolaus BERLAKOVIC meinte, es gebe weltweite Konzentrationsprozesse im Bereich der Saatgutproduktion.
Eines der erklärten Ziele der österreichischen Agrarpolitik sei die Erhaltung der Sortenvielfalt. Die
AGES habe die Aufgabe, als zentrale Genbank die Sortenvielfalt zu bewahren und für den Schutz alter Pflanzenarten
und Haustiersorten zu sorgen. Es gelte, nicht nur Hochleistungsrassen und –pflanzen, sondern auch alte Kultursorten
zu fördern. Die zur Diskussion stehende Regelung solle die Weitergabe kleiner Mengen von Saatgut durch Tausch
oder Kauf weiter ermöglichen, dabei aber sicher stellen, dass die Qualität dieses Saatguts auch kontrolliert
und garantiert werde.
Abgeordneter Kurt GASSNER meinte zum Antrag von Abgeordnetem Pirklhuber betreffend den Schutz von Bienen vor Schädigung
durch behandeltes Saatgut, es wäre wünschenswert gewesen, wenn der Antragsteller das Gespräch mit
allen Parteien gesucht hätte. In der derzeitigen Form werde die SPÖ ihm nicht zustimmen, da sie nicht
gegen ihren Koalitionspartner stimmen werde. Es gebe zudem auch die Möglichkeit, dass der Landwirtschaftsminister
in dieser Frage ein Verbot bestimmter Substanzen verordne.
Abgeordneter Josef A. RIEMER (F) hoffte, der Minister werde sich mit dem von ihm dargelegten Standpunkt auch in
Brüssel durchsetzen. Den Antrag Pirklhubers werde er unterstützen. Riemer sprach sich dafür aus,
die Saatgutzucht mit der Förderung regionaler Ernährungskonzepte zu verbinden. Er zählte dann eine
Reihe aktueller Probleme der südsteirischen Landwirtschaft auf und forderte Abhilfe.
Die beiden auf der Tagesordnung stehenden Anträge von Grünen und BZÖ blieben ebenso in der Minderheit
wie der von Abgeordnetem Pirklhuber in der Debatte eingebrachte Entschließungsantrag. |