Grazer ForscherInnen entwickelten erstmals Methode zur globalen Absolutmessung von Treibhausgasen
Graz (universität) - Eine Revolution in der Messung von Treibhausgasen ist Univ.-Prof. Dr. Gottfried
Kirchengast mit seinem Team an der Karl-Franzens-Universität Graz gelungen. Der Leiter des Wegener Zentrums
für Klima und Globalen Wandel und des Fachbereichs Geophysik und Meteorologie am Institut für Physik
hat mit seinen KollegInnen eine völlig neue Methode entwickelt, die es erstmals möglich macht, die Treibhausgaskonzentrationen
in der freien Atmosphäre langfristig und äußerst genau weltweit zu messen. Gleichzeitig liefert
das System auch exakte Daten der zentralen Klimavariablen Temperatur, Druck, Feuchte und Wind. Die bahnbrechende
Entwicklung ermöglicht tiefere Einsichten in die globalen Klimaänderungen und könnte zur Referenzmethode
für das Monitoring des Klimawandels in der freien Atmosphäre im 21. Jahrhundert werden, wie in der aktuellen
Online-Ausgabe des Top-Fachjournals „Geophysical Research Letters“ zu lesen ist.
Die neue Methode beruht auf Messungen mit Hilfe von Mikrowellen- und Infrarotlaser-Signalen. Bei der Mikrowellen-
und Infrarotlaser-Okkultation senden eigene Sender-Satelliten Signale aus, die von Empfänger-Satelliten aufgefangen
werden. Auf ihrem Weg durch die Atmosphäre werden die Signale gebrochen und teilweise absorbiert, so dass
sie gedämpft beim Empfänger ankommen. Und hier machen sich die ForscherInnen des Wegener Zentrums unveränderliche
quantenmechanische Eigenschaften der Gase zunutze: „Die verschiedenen Treibhausgase – wie Kohlendioxid (CO2), Methan,
Lachgas, Ozon und Wasserdampf – absorbieren die Infrarotlaser-Signale auf ganz bestimmten Wellenlängen stark
und dazwischen fast gar nicht. Jedes Gas hat ganz charakteristische Absorptionslinien“, erklärt Kirchengast.
Bei Wahl der richtigen Linien für Absorptions-Signale lässt sich dann die jeweilige Konzentration der
Gase und auch die Windstärke bestimmen. Daten zu Temperatur, Druck und Feuchte werden über die Signale
der Mikrowellen-Okkultation gewonnen, bei deren Entwicklung die Grazer ForscherInnen auch international führend
mitwirken. „Alle diese Daten weisen eine Qualität auf, die selbst ausgesuchte Bodenstationen mit rein lokaler
Messung schwer erreichen“, betont Kirchengast.
Gottfried Kirchengast hatte die zündende Idee bereits Ende 2004 – zunächst nur eine faszinierende Hypothese.
Seitdem leitet er die Forschung in einem immer größer werdenden internationalen Team. Dr. Susanne Schweitzer,
Koautorin der aktuellen Publikation in den Geophysical Research Letters und Mit-Pionierin seit der ersten Phase,
trug im Rahmen ihrer Dissertation am Wegener Zentrum substanziell die Umsetzung der Idee zur realisierbaren Methode
mit. Die junge Forscherin hat unter anderem herausgefunden, welche Absorptionslinien für die Infrarotlaser-Okkultation
überhaupt in Frage kommen. „Im möglichen Bereich im Kurzwellen-Infrarot gibt es über hunderttausend
Linien, jedoch nur wenige Dutzend waren letztlich geeignet“, so Schweitzer.
Klima-Monitoring der ganzen Erde ist nur mit Hilfe von Satelliten möglich. Bisher konnten in der freien Atmosphäre,
die etwa zwei bis drei Kilometer über der Oberfläche beginnt, nur Temperatur und Druck mit vergleichbarer
Qualität gemessen werden, und zwar mittels GPS Radio-Okkultation. Auch dabei ist die Grazer Gruppe eine der
international führenden. Für die weltweite Beobachtung weiterer Klimagrößen und vor allem
der Treibhausgase gab es kein geeignetes System. Derzeit basieren einschlägige Daten auf punktuellen Messungen
aus Ballons oder Flugzeugen sowie auf Modellberechnungen und vergleichsweise ungenauen Satellitendaten. Die Mikrowellen-
und Infrarotlaser-Okkultation lässt durch die Möglichkeit der hochgenauen und gleichzeitig modellunabhängigen
Beobachtung auf weitreichende neue Erkenntnisse zum Klimawandel hoffen.
Publikation:
Gottfried Kirchengast and Susanne Schweitzer: “Climate benchmark profiling of greenhouse gases and thermodynamic
structure and wind from space”, in: Geophysical Research Letters, vol. 38, L13701, doi:10.1029/2011GL047617, 2011 |