Kardinal Christoph Schönborns Predigt zum Requiem für Otto von Habsburg am 16.07.
Wien (pew) - In seiner Predigt beim Requiem für Otto von Habsburg würdigte Kardinal Christoph
Schönborn den Verstorbenen als Friedensstifter und als Vorbild für die rechte Haltung, ein Leben voller
Umbrüche und unerwarteter Situationen zu meistern. Jeder Mensch, so Schönborn, sei von Gott gewollt,
einzigartig und habe seine eigene unverwechselbare Berufung. Otto von Habsburg habe sowohl die Gabe besessen, „sich
wach und ohne Scheu auf völlig neue Situationen einzulassen“. Gleichzeitig habe er den Mut und die Entschiedenheit
gezeigt, „an dem festzuhalten, was er als Erbe und Auftrag aus seiner Herkunft ansah“.
In seinem Auftrag, seiner Berufung, „das gedeihliche Zusammenleben der Völker und Kulturen, der Sprachen und
Religionen zu fördern“, sei Otto von Habsburg ein Friedensstifter gewesen, „im Geist des Evangeliums, das
die Friedensstifter preist“. In der „in vieler Hinsicht segensreichen“ Regierungszeit Franz Josephs habe es wohl
keinen schwereren, folgenreichen Fehler gegeben, als den Krieg zu erklären, der zum I. Weltkrieg wurde und
dessen „bittere, giftige Früchte“ auch „die beiden schlimmsten, massenmordenden Ideologien“ der Menschheit
gewesen seien. „Dürfen wir das Lebenswerk dieses großen Verstorbenen nicht auch als einen unermüdlichen
Versuch verstehen, das Unglück, das der I. Weltkrieg über Europa, über die Menschheit gebracht hat,
wieder gutzumachen?“, sagte der Wiener Erzbischof.
Otto von Habsburg habe, so Schönborn, „mit aller Leidenschaft seines Herzens, seiner großen Intelligenz
und seines Mutes dem Friedensprojekt Europa gedient“. Der Kardinal erinnerte an den Mitteleuropäischen Katholikentag
2004 mit über 100.000 Pilgern aus acht Ländern. Otto von Habsburg und seine Frau Regina waren dabei –
bei eiskaltem, regnerischem Wetter. Als er, Schönborn, Otto von Habsburg fragte, ob er nicht schrecklich gefroren
habe, hatte dieser geantwortet – „mit einem unvergesslichen Freudestrahlen“: „Nein, dafür haben wir doch gelebt!“
Habsburg habe das Erbe seiner Familie als Auftrag und Berufung verstanden, aber „nicht der Vergangenheit nachgetrauert“.
Er habe sich aber „auch nicht von jenen einschüchtern lassen, die die Vergangenheit kleinreden möchten
und nur deren Schattenseiten sehen wollen.“ Otto von Habsburg habe das Gottesgnadentum auch nicht als ein Anrecht
auf eine Herrschaftsposition verstanden, sondern „zuerst als Verantwortung“: „als Auftrag, die anvertrauten Aufgaben,
in die wir hineingestellt sind, in Verantwortung vor Gott wahrzunehmen“. So habe Habsburg „vorgelebt, wie wir unverkrampft
aus dem Gestern für das Morgen schöpfen können“. In Sachen Umgang mit der Geschichte dürfe
Österreich, so Schönborn, noch von Otto von Habsburg lernen – „und Lernen war noch nie eine Schande“.
Schönborn würdigte an Habsburg auch die „große Gabe der Demut“. Zahllosen Menschen sei an ihm aufgefallen,
dass er keinerlei Standesdünkel gehabt habe. „Wie gut“, so Schönborn, „täte es uns allen, auch ohne
aus dem kaiserlichen Haus zu stammen, uns der königlichen Würde jedes Christen, jedes Menschen bewusst
zu sein, von der die jüdisch-christliche Tradition so mächtig Zeugnis gibt.“ Diese in seinem Glauben
wurzelnde Überzeugung habe es Otto von Habsburg ermöglicht, „Menschen unterschiedlichster Herkunft auf
Augenhöhe zu begegnen“. |