Jülich (forschungzentrum) - Mit einer von Jülicher Wissenschaftlern verbesserten Methode lassen
sich Computersimulationen entscheidend beschleunigen. Während eines Tests mit dem Supercomputer JUGENE berechneten
die Forscher ein System aus 3.011.561.968.121 Teilchen in gut elf Minuten - Weltrekord! Bei dem Verfahren handelt
es sich um die optimierte Form eines der Top 10 Algorithmen für wissenschaftliche Simulationen, der sogenannten
schnellen Multipol-Methode (FMM = "Fast Mulipole Method"). Die Wissenschaftler Ivo Kabadshow und Holger
Dachsel vom Jülich Supercomputing Centre (JSC) stellen den Quellcode für interessierte Anwender ab sofort
frei zur Verfügung.
Auch andere und deutlich kleinere Anwendungen können von dem optimierten Algorithmus profitieren. Die schnelle
Multipol-Methode dient generell dazu, räumlich unbegrenzt wirkende Wechselwirkungen zwischen Teilchen zu berechnen.
Dazu zählen die in der Praxis häufig wichtigsten physikalischen Kräfte: die Gravitation und die
elektromagnetische Wechselwirkung, der Grundlage für die Ausbreitung von Licht, Elektrizität, chemische
Reaktionen und den Aufbau von Feststoffen, Molekülen und Atomen. Da in solchen Systemen jedes Teilchen mit
jedem anderen wechselwirkt, steigt die Gesamtanzahl aller zu berücksichtigenden Wechselwirkungen quadratisch
an und nimmt schnell extreme Ausmaße an.
Wollte man die Wechselwirkungen zwischen drei Billionen Teilchen direkt berechnen, würde ein Superrechner
wie JUGENE mit seinen 294.912 Prozessoren für einen einzigen Durchgang 32.000 Jahre benötigen. Ein gewöhnlicher
PC wäre sogar eine Milliarde Jahre lang beschäftigt. Mit Hilfe der schnellen Multipol-Methode lassen
sich weit entfernte Teilchen zu Clustern zusammenfassen, die durch sogenannte Multipol-Momente beschrieben werden.
So müssen nicht mehr alle Wechselwirkungen einzeln berechnet werden, was die Rechenzeit mit dem in Jülich
optimierten Algorithmus auf Deutschlands schnellstem Superrechner JUGENE auf 695 Sekunden verkürzte.
Großangelegte Simulationen wie etwa in der Astrophysik zur Evolution des Universums waren bisher auf mehrere
hundert Milliarden Teilchen beschränkt. Um diese Grenze nach oben zu verschieben, "schraubten" die
Jülicher Wissenschaftler am benötigten Speicheraufwand. "Superrechner wie JUGENE haben trotz ihrer
extremen Rechenleistung häufig relativ kleine Speicher pro Prozessor, in der Regel weniger als ein PC. Deshalb
ist die Teilchenanzahl eher durch den Speicher als durch die Prozessorleistung beschränkt", berichtet
der Wissenschaftler Ivo Kabadshow.
Zur Optimierung entwickelte das Jülicher Team einen neuen Algorithmus zur automatischen Fehlerkontrolle und
Rechenzeitminimierung. Dieser reduziert den Speicherbedarf und beschleunigt die Rechnung. "Die FMM galt schon
immer als schnelle Methode. Aber bisher war es kaum möglich, sie optimal einzustellen. Die benötigte
Rechenzeit hängt von drei verschiedenen Parametern ab, die sich gegenseitig beeinflussen und im Prinzip fortlaufend
neu angepasst werden müssten. Durch eine unzureichende Anpassung dieser Parameter kann sich die Rechenzeit
schnell um das zehn- bis hundertfache erhöhen", erläutert der Jülicher Forscher Holger Dachsel.
Besonders die Anwender werden deshalb von der einfachen Handhabbarkeit der verbesserten Methode profitieren. Denn
die Jülicher FMM stellt alle Parameter automatisch fortlaufend optimal ein und erlaubt so einen einfacheren
Zugang zum Algorithmus. Die in Zusammenarbeit mit dem Argonne National Laboratory (ANL) und der TU Chemnitz entwickelte
Bibliothek ist ab sofort frei verfügbar. |