Karas:
Gipfel scheint schlecht vorbereitet und wird von Faymann unterschätzt
Karas fordert "Entschlossenheit, Geschlossenheit und Schnelligkeit" von Staats- und
Regierungschefs
Brüssel (övp-pd) - Der Vizepräsident der EVP- Fraktion im Europäischen Parlament Othmar
Karas erhofft sich vom Gipfeltreffen am 21.07., dass "alle Staats- und Regierungschefs endlich ihre gesamteuropäische
Verantwortung voll wahrnehmen". Er fordert "Entschlossenheit, Geschlossenheit und Schnelligkeit"
mit einem klaren Signal an den Markt, dass die EU "gemeinsam die Auswirkungen des Staatsschuldentums meistern
will", dies bedeute "den Euro-Schutzschirm glaubwürdig zu dotieren". Das unzureichende Handeln
und die Unentschlossenheit der Mitgliedstaaten hätten in den vergangenen Monaten eine katastrophale Wirkung
gehabt und die Instabilität verstärkt. "Es kann nicht sein, dass die Regierungen sich aus Feigheit
vor den Populisten versuchen an der Europäischen Zentralbank (EZB) abzuputzen", so Karas.
"Was Faymann, Merkel und andere Regierungschefs zum morgigen Gipfel gesagt haben, lässt befürchten,
dass der Gipfel schlecht vorbereitet ist. Dass Faymann eine Ratingagentur und die Transaktionssteuer für prioritär
beim Gipfel hält, ist Irreführung der Wähler und ein unverantwortliches Ablenkungsmanöver.
So zu tun, als könne er jetzt eine Entscheidung zu einer eigenen europäischen Ratingagentur herbeiführen
ist Unsinn und würde Griechenland jetzt auch gar nicht helfen. Es ist zu befürchten, dass manche Regierungschefs
nicht an einer wirklichen mutigen Lösung des Schuldenproblems in der Eurozone interessiert sind, sondern den
Gipfel als ein Medienevent nutzen, bei dem man mit billiger Rhetorik ein paar Punkte im Inland machen kann",
empört sich Othmar Karas im Vorfeld des morgigen Gipfels. Faymann müsse wissen, dass das EU-Parlament
vor Monaten bereits konkrete Vorschläge zur Schaffung einer wettbewerbsfähigen, unabhängigen und
privaten europäischen Ratingagentur beschlossen hat. Faymann müsse außerdem wissen, dass EU-Kommissar
Barnier im Oktober einen konkreten Vorschlag für eine europäische Ratingagentur auf den Tisch legen wird.
"Wenn Faymann das nicht weiß, ist er auf den Gipfel schlecht vorbereitet. Wenn er das aber weiß,
dann täuscht er", so Karas.
Grund der Krise sei auch, dass die EU-Mitgliedstaaten nie den Mut gehabt hätten, "den Euro auf ein zweites
Bein zu stellen" und die budget-, wirtschafts-, steuer- und sozialpolitische Integration voranzutreiben. Dies
räche sich jetzt, so Karas. Außer der "glaubwürdigen Dotierung" des Schutzschirmes schlage
er deshalb drei kurzfristige Maßnahmen vor: 1. Der Europäische Finanzstabilitäts-Mechanismus EFSF
brauche mehr Flexibilitätsmög- lichkeiten (Laufzeit verlängern, Zinsen senken, Umschuldungsmaß-
nahmen prüfen etc.). 2. Im Rahmen des EFSF solle eine "Bad Bank" gegründet werden, die die
Schuldentitel, denen nicht mehr vertraut würde, verwalten solle. 3. Die EU solle eine Privatisierungs- Agentur
gründen, "eine Art europäische ÖIAG oder EU-Treuhand", so Karas, die die notwendigen Privatisierungen
in den verschuldeten Ländern durchführen solle. "Damit könne mehr Ruhe in die Prozesse gebracht
werden und bessere Preise erzielt werden", so Karas.
"Die Regierungen der Eurozone müssen endlich wieder anfangen Politik zu machen, die der Größe
Europas und des Euros entspricht. Immer neue Gipfel abhalten, bei denen nur Flickwerk und Kakophonie herauskommt,
macht alles nur schlimmer. Jetzt müssen wir klotzen, nicht kleckern. Hoffentlich werden wir morgen überrascht",
so Karas abschließend. |
Leichtfried: Finanztransaktionssteuer und europäische Ratingagentur richtige Antworten auf die
Krise
Swoboda: Forderungen stehen in keinem Widerspruch zu Lösung der Griechenlandkrise
Wien (sk) - Der Delegationsleiter der SPÖ-EU-Abgeordneten Jörg Leichtfried hat sich verwundert
über die Äußerungen von EVP-Vizepräsident Karas gezeigt. "Angesichts der Wortmeldung
von Karas muss man sich schon die Frage stellen, ob Karas nichts aus der Krise gelernt hat", sagte Leichtfried
gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. "Es geht jetzt vordringlich darum, die Gefahr eines Flächenbrands
einzudämmen und die richtigen Schlüsse aus der Krise zu ziehen", sagt Leichtfried, der in diesem
Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer neuen Finanzmarktarchitektur, einer Finanztransaktionssteuer und einer
europäischen Ratingagentur verweist.
Der Vizepräsident der S&D-Fraktion, Hannes Swoboda, ergänzt gegenüber dem SPÖ-Pressedienst:
"Es bleibt wichtig, dass Österreich geschlossen und vernehmbar die Forderungen nach einer Finanztransaktionssteuer
und einer europäischen Ratingagentur vertritt, denn nur durch ein nachdrückliches Auftreten werden auch
Kommission und andere Mitgliedstaaten dazu zu bewegen sein, Gesetzesvorschläge zu unterbreiten." Bundeskanzler
Faymanns Forderungen stünden also keineswegs im Widerspruch zu einer Lösung der Griechenlandkrise. |