Diskussion um Wiener Sparmaßnahmen  

erstellt am
21. 07. 11

Wiener SPÖ will nicht amtsführende Stadträte abschaffen
Wien (kurier) - Wie der "Kurier" in seiner Ausgabe vom 20.07. berichtet, plant die Wiener SPÖ die nicht amtsführenden Stadträte abzuschaffen. "Ich gehe davon aus, dass die Opposition Vorschlägen zu mehr Sparsamkeit nicht abgeneigt sein wird", sagt SP-Klubchef Rudolf Schicker.

Als diskussionswürdig sieht der Klubchef vor allem die indirekte Proporzbesetzung der Wiener Landesregierung an, womit er vor allem auf die Funktion "nicht amtsführender Stadträte" anspielt. Diese stehen der Opposition je nach Mandatszahl zu, leiten kein eigenes Ressort, verdienen aber deutlich mehr als normale Gemeinderäte. ÖVP und FPÖ zeigen sich gegenüber dem Reform-Vorstoß nicht grundsätzlich abgeneigt, machen aber deutlich: Nur bei der Opposition zu sparen, kommt nicht in Frage. Auch müssten Kontrollmechanismen gewahrt bleiben. Derzeit gibt es in der Wiener Stadtregierung acht amtsführende Stadträte. Sieben von der SPÖ und eine grüne Stadträtin. Die FPÖ verfügt über drei nicht amtsführende Stadträte, die ÖVP über einen.

 

Gudenus: Schicker träumt weiter von Klein-Nordkorea im Rathaus
Wien (fpd) - Nach Durchhalteparolen für die gescheiterte und von der eigenen Parteibasis abgelehnte SP-Finanzstadträtin Brauner und der Idee, die Redezeit für demokratisch gewählte Mandatare zu beschränken, will SP-Klubchef Schicker nun die nicht amtsführenden Stadträte der Opposition abschaffen.

"Wenn die amtsführenden Stadträte so viel arbeiten würden, wie ihre nicht amtsführenden Kollegen, dann würden nicht Rekord-Defizit, Rekord-Schulden und Rekord-Arbeitslosigkeit über die Wienerinnen und Wienern herunter prasseln", erklärt Wiens FP-Klubchef und stellvertretender Bundesparteiobmann Mag. Johann Gudenus. Schicker, wie seine Partei am absteigenden Ast, suche nur verzweifelt nach Möglichkeiten, die Opposition kalt zu stellen. Gudenus: "Dieser Herr träumt von einem Klein-Nordkorea im Rathaus. Wie wir alle wissen, gibt es so etwas leider bei Postenbesetzungen im Magistrat und bei Auftragsvergaben durch stadtnahe Unternehmen. Aber für frei gewählte Mandatare darf so etwas keinesfalls sein." Und er erinnert den abgehalfterten Stadtrat an simple Grundsätze der Demokratie: "Herr Schicker, was ihre Genossen in Nord-Korea treiben ist eine Sache, was in Wien geschieht, wird die demokratische legitimierte Opposition mitgestalten."

Schickers Vorschläge können nicht ausschließlich mit der Faulheit seiner Gemeinderäte und erst recht nicht mit Sparsamkeit begründet werden. Gudenus: "Wenn er wirklich sparen will: Warum braucht jeder amtsführende Stadtrat einen riesigen Dienstwagen samt Chauffeur, zwei Pressesprecher und einen gewaltigen Mitarbeiter-Stab. Würde der Herr Bürgermeister tatsächlich arbeiten, könnte man sofort den Landesschulratspräsidenten samt Stellvertreter abschaffen und wohl auch auf einen amtsführenden Stadtrat verzichten. Aber Arbeit will der Klubobmann seinem Bürgermeister wohl nicht zumuten . . ."

Bevor die FP über Schickers "Einspar-Ideen" auch nur spreche, müssten demokratiepolitisch längst überfällige Forderungen erfüllt werden. Gudenus: "Wir brauchen erstens einen umfassenden Subventionsbericht aus dem hervorgeht, wer im letzten Jahr Subventionsansuchen an die Stadt Wien gestellt hat - und mit welchem Inhalt." Alle Ablehnungen müssen darin begründet werden.

Zweitens solle es ein genaues Controlling geben, wie es um den Fortgang von Reformen steht. Der FP-Klubchef: "Wenn das Kontrollamt oder der Rechnungshof Missstände aufzeigen und Reformvorschläge machen, dann möchten wir zumindest zwei Mal im Jahr - zum Budget-Voranschlag und zum Rechnungsabschluss - erfahren, wie der Stand der Dinge ist und darüber auch ausgiebig diskutieren."

Der dritte Punkt, so Gudenus, ist die Reform des unfairen und undemokratischen Wiener Wahlrechts, durch das eine Partei im Extremfall mit nur 39 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit erhalten kann. Die Forderungen der Freiheitlichen wären unverändert, hält der Gudenus fest: "Jede Stimme muss gleich viel wert sein! Die Briefwahl gehört reformiert, der Missbrauch abgestellt! Und Wähler müssen sich vor der Wahlbehörde ausschließlich mittels amtlichen Lichtbildausweises legitimieren!"

 

Schicker: Sparsamkeit und Kontrolle schließen einander nicht aus
Wien (spw-k) - Es sei sehr bezeichnend, wenn auf eine Reformidee als erste FPÖ-Trotzreaktion ein wilder Rundumschlag folgt, kommentiert SP-Klubobmann Rudi Schicker die inhaltsleeren wie untergriffigen Schmutzkübelparolen der Wiener Freiheitlichen. Erst gestern hatte Schicker angeregt, im Zuge der "Institutionenreform", die im rot-grünen Koalitionsabkommen festgeschrieben ist, neben einer Reform der Kontrollmechanismen auch die Funktion "nicht amtsführenden Stadträte" kritisch zu hinterfragen.

Kontrolle muss sein
"Kontrolle muss in einer Demokratie sein", stellt Schicker klar, allerdings seien die Kontrollmöglichkeiten der Opposition nicht ausschließlich an die Funktion "nicht amtsführender Stadträte" gekettet. "Es ist bedauerlich, dass sich die FPÖ mit fadenscheinigen und polemischen Rundumschlägen einer inhaltlichen Diskussion entziehen möchte", so der SP-Klubchef. Fakt sei, dass die oppositionellen Stadträte keine Ressortverantwortung tragen würden, dafür aber im Vergleich zu Gemeinderäten ein deutlich höheres Gehalt beziehen. "Vorschläge zu mehr Sparsamkeit und die Wahrnehmung der Kontrolltätigkeit, schließen einander nicht aus", so Schicker.

Antworten Sie, Herr Gudenus
Dass FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus mit großdeutschem Pathos seine "FPÖ-Stadträte ohne Land" als "tatsächlich arbeitende" bezeichnet, hinterfragt der SP-Klubvorsitzende allerdings kritisch. "Trotzdem bleibt dem "nicht amtsführenden" Stadtrat Lasar genug Zeit für Libyen-Trips zur Geldbeschaffung im Strache-Auftrag? Zum Handshake mit Saif al-Gaddafi, dem in einem internationalen Haftbefehl Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden? Zu fragwürdigen Nebengeschäften im Glücksspielgewerbe? Zur Geldbeschaffung für ein Auto, das viermal so viel kostet wie Politiker-Dienstwägen? Antworten Sie, Herr Gudenus", fordert Schicker, "oder vielleicht wissen Sie ja selbst nicht, womit sich ihre FPÖ-Stadträte die Zeit vertreiben."

 

 Marek: SPÖ will Kontrolle in Wien endgültig abschaffen
Wien (övp-wien) - Als "durchsichtigen Sommerschmäh" sowie "demokratiepolitische Frechheit" bezeichnet die Landesparteiobfrau der ÖVP Wien Christine Marek den Vorschlag von SPÖ-Klubobmann Schicker, die Posten der nicht-amtsführenden Stadträte ersatzlos abzuschaffen. Schließlich würden diese Stadträte eine wesentliche Kontrollfunktion in Wien ausüben, die der Wiener SPÖ offensichtlich unangenehm sei. "Kontrolle und Sparsamkeit wird in dieser Stadt von Seiten der regierenden SPÖ seit jeher nicht großgeschrieben", so Marek. Es sei daher auch eine Verhöhnung der Demokratie, wenn die SPÖ nun wesentliche Kontrollrechte der Opposition unter dem Deckmantel der "Sparsamkeit" abschaffen wolle.

"Allerdings kleben wir nicht an Posten", so Marek. "Einem gesamthaften Ansatz, der einen schlankeren Verwaltungsapparat im Auge hat und gleichzeitig nicht die Kontrollrechte der Opposition beschneidet, stehen wir absolut aufgeschlossen gegenüber", so Marek. Dabei müsse man jedoch ernsthaft über Verwaltungsvereinfachungen, Effizienzsteigerungen und Abschaffung von Doppelgleisigkeiten sprechen. "Aus Sparsamkeitsgründen einfach die Opposition auszuschalten, ist eine demokratiepolitische Frechheit und einer demokratischen Partei unwürdig", so Marek.

Konstruktiven Gesprächen zu einer Organisation der Kontrollrechte werde die ÖVP Wien jedoch immer aufgeschlossen gegenüber stehen. Beginnen könne man hier gleich beim aktuellen Thema "Reform des undemokratischen Wahlrechts in Wien", so Marek. Dieses stünde bereits seit Monaten auf der Agenda, ohne dass es allerdings irgendeine Bewegung von Seiten der rot-grünen Stadtregierung gegeben hätte.

 

 Pilz: Konzentrationsregierungen abschaffen
Wien (grüne) - "Ich bin gegen jede Art der Konzentrationsregierung. Das gilt auch für die seltsame Konstruktion in Wien", so Sigrid Pilz, vierte Gemeinderatsvorsitzende und Gemeinderätin der Grünen Wien, zur Diskussion rund um die Abschaffung der nicht amtsführenden StadträtInnen in Wien.

Bei einer Reform der Stadtverfassung dürfen die Rechte der Opposition aber nicht eingeschränkt werden. Dazu Pilz: "Die Wiener Stadtverfassung erlaubt derzeit nur Mitgliedern der Stadtregierung Einsicht in manche Akten. Mit der Abschaffung der nicht amtsführenden Stadträtinnen und Stadträte würde der Opposition dieser Zugang zu Informationen verloren gehen. Es braucht deshalb gleichzeitig weitere Reformen der Stadtverfassung, um die Kontrollrechte nicht einzuschränken". So könnte sich Pilz auch vorstellen, zur Wahrung der Kontrollrechte eigene Kontroll-StadträtInnen einzuführen, pro Partei einen oder eine - doch solche Vorschläge müssten noch im Detail geprüft werden.
 
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