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erstellt am
21. 07. 11

LR Theiner im Halbzeitgespräch
Bozen (lpa) - Die vor drei Jahren eingeführte Pflegesicherung hat sich als Erfolgsmodell erwiesen, das selbst im europäischen Vergleich einzigartig dasteht. Doch auf diesen Lorbeeren will sich Gesundheits- und Soziallandesrat Richard Theiner nicht ausruhen. Am 20.07. hat Theiner betont, dass sein Ressort an einer weiteren Stärkung der Pflege zu Hause arbeite: „Zur Unterstützung der pflegenden Familien wollen wir sowohl die Kurzzeit- als auch die Tagespflegedienste ausbauen.“

Landesrat Theiner mit der Gesundheits- und Bürgerkarte, die ab Juli 2012 auch zur Familienkarte werden soll.Landesrat Theiner mit der Gesundheits- und Bürgerkarte, die ab Juli 2012 auch zur Familienkarte werden soll.

„Seit über drei Jahren gibt es die Pflegesicherung, sie ist ein Erfolgsmodell und vollständig aus Steuermitteln – 2011 waren es 202 Millionen Euro – finanziert“, zog Landesrat Theiner im Rahmen des Halbzeitgesprächs mit den Medienvertretern im Haus Masatsch in Oberplanitzing (Kaltern) Bilanz. Derzeit – im Juli 2011 – wird an 14.612 Personen das Pflegegeld ausbezahlt. 10.877 der Pflegegeldbezieher werden zu Hause, 3735 in Alten- und Pflegeheimen betreut. Landesrat Theiner wies darauf hin, dass immer mehr Personen zu Hause gepflegt werden und dass es ihm ein wichtiges Ziel sei, die Pflege zu Hause zu ermöglichen: „Der Druck auf die Alten- und Pflegeheimen ist zurückgegangen, die Wartelisten sind kürzer geworden. Dennoch werden in Zukunft noch mehr Menschen zu betreuen sein. Unser Ziel ist es, die Pflege zu Hause zu stärken, damit die pflegebedürftigen Personen in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können.“ Theiner will die Hauspflege durch den der Ausbau der Kurzzeit- und Tagespflegedienste ermöglichen. „Diese Dienste sind wichtig für die Unterstützung der pflegenden Familien; wichtig aber auch als Informations- und Anlaufstellen für pflegende Familien“, ist das Mitglied der Landesregierung überzeugt.

Mindestsicherung nach Vorbild der Pflegesicherung
Nach dem Vorbild der Pflegesicherung will Landesrat Theiner noch vor Ende dieser Legislaturperiode auch eine Mindestsicherungssystem einführen. „Die finanzielle Sozialhilfe konnte viele Bürger vor der Armut schützen, doch das ist uns nicht genug. Wie bei der Pflegesicherung sollen auch bei der bedarfsgerechten Mindestsicherung mehrere Maßnahmen zusammengefasst und die Unterstützung dadurch konsistenter werden.“ Die von Theiner angestrebte Mindestsicherung soll alle Maßnahmen umfassen, die heute schon greifen, wenn Familien in Armut abzurutschen drohen, also etwa Wohn- und Mietgeld oder Schulungsangebote für Langzeitarbeitslose. Wie bei der Pflegesicherung soll auch die Mindestsicherung gestaffelt sein.

Landesrat Theiner wies bei der Vorstellung des Modells ganz klar darauf hin, dass die bedarfsgerechte Mindestsicherung nichts mit dem im deutschsprachigen Ausland diskutierten Grundeinkommen zu tun hat: „Ich halte nichts von einem bedingungslosen Grundeinkommen. Es kann nicht sein, denn jeder muss im Rahmen seiner Möglichkeiten für seinen und den Unterhalt seiner Familie beitragen.“ Die bedarfsgerechte Mindestsicherung unterscheide sich grundlegend vom bedingungslosen Grundeinkommen, so Theiner: „Die Mindestsicherung greift nicht, wenn Eigenmittel vorhanden sind oder Eigenleistungen erwartet werden können.“

Einheitliche Einkommens- und Vermögenserhebung
Apropos Eigenmittel: Ab dem 1. September 2011 wird die neue einheitliche Einkommens- und Vermögenserklärung (EEVE) eingeführt. Für Landesrat Theiner bringt diese Neuerung zwei Vorteile: „Es ist unser Ziel, mit der EEVE das Einkommen und Vermögen der Bürger einheitlich zu erfassen und damit Beiträge zielgerichteter und sozial gerechter zu vergeben. Mit der EEVE wird aber Bürokratie abgebaut, da diese Erklärung nur einmal gemacht werden muss und nicht mehr wie bisher bei jedem Gesuch erneut alle Daten zum Einkommen und Vermögen abgegeben werden müssen.“ Theiner hat angekündigt, dass am kommenden Mittwoch, 27. Juli auf einer eigenen Pressekonferenz die Details zur EEVE vorgestellt werden.
   

Familienpass wird in Bürgerkarte integriert
Landesrat Richard Theiner will mit dem Familienpass ein Bonussystem für Familien einführen. Der Pass soll den Familien Preisnachlässe bringen und die Nutzung von Freizeit- und Bildungsangeboten ermöglichen. „Mit Juli 2012 soll der Familienpass eingeführt und in die Gesundheits- und Bürgerkarte integriert werden."

Der Familienpass soll mehr soziale Gerechtigkeit schaffen und bedürftigen Familien die Nutzung von Freizeit- und Bildungsangeboten ermöglichen. „Mir geht es darum, dass Familien von vorneherein weniger ausgeben müssen und so in geringerem Ausmaß auf die finanzielle Unterstützung angewiesen sind. In diese Richtung geht die Initiative Familienpass“, erklärte Landesrat Theiner den Journalisten.

Der Familienpass ist aber nur eine Maßnahme in der Familienförderung des Soziallandesrats. Für Landesrat Theiner ist Familienförderung eine Querschnittsaufgabe, die ressortübergreifend gelöst werden muss und gelöst wird. Er verwies auf einige Bereiche: „Für Sommerbetreuung und Nachmittagsbetreuung sind 2010 4,5 Millionen Euro ausgegeben worden, in den Schülertransport sind etwa 2009/2010 8,6 Millionen Euro geflossen und die Wohnbauförderung – die auch den Familien zugute kommt – hat 2010 mit 69 Millionen Euro zu Buche geschlagen. Es geht nicht an, dass immer wieder kritisiert wird, dass wir ‚nur’ 44 Millionen Euro in die Familienförderung investieren. Das stimmt ganz einfach nicht.“ Die 44 Millionen Euro beziehen sich nur auf das Familiengeld von Land und Region. Dieses soll in Zukuft zusammengelegt werden. Für Landesrat Theiner hat dieser Schritt große Vorteile: „Die Bürger haben nur mehr einen Ansprechpartner, es wird einheitliche Parameter geben und eine bessere Kontrolle, dass das Geld auch am richtigen Ort ankommt.“

Neben der Zusammenführung des Familiengeldes will Theiner weiter am Ausbau der Kleinkinderbetreuung arbeiten. Dazu soll in Zusammenarbeit mit dem Rat der Gemeinden ein neues Finanzierungsmodell ausgearbeitet werden. „Noch innerhalb dieses Jahres wird der Gesetzentwurf der Finanzierung durch Land und Gemeinden vorgelegt. Die Gemeinden und die Landesregierung ziehen an einem Strang. Durch den Ausbau der Kleinkinderbetreuung werden die Eltern entlastet, Frauen können besser in den Beruf wieder einsteigen und Einzelkinder sind in Gesellschaft von anderen Kindern“, so Theiner. Das Ziel ist es, auf 15 Betreuungsplätze pro 100 Kleinkinder zu kommen. Das würde 2400 Betreuungsplätzen im Jahr 2015 entsprechen. Derzeit gibt es etwa 2200 Plätze, die sich auf Kinderhorte, Tagesstätten, Betriebskitas und Tagesmütter bzw. Tagesväter aufteilen.
   

Arbeitsintegration über Sozialgenossenschaften
Über Sozialgenossenschaften, die mit öffentlichen Körperschaften und privaten Unternehmen zusammenarbeiten, sollen neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung entstehen. „Derzeit werden die Sozialgenossenschaften aufgebaut und zwar bewusst auf Bezirksebene, damit wir die Gemeinden und Unternehmen vor Ort erreichen.“

„Es ist nicht so. dass wir in der Vergangenheit nicht für die Integartion von Menschen mit Behinderung getan hätten. Wir haben beispielsweise im öffentlichen Dienst 81 Arbeitsplätze geschaffen, doch wollen wir auch die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in der Privatwirtschaft fördern“, erklärte Landesrat Richard Theiner beim Halbzeitgespräch mit den Medien im Haus Masatsch. Gerade das Haus Masatsch sei ein Ort gelebter Integration, so Theiner, würden in der Struktur doch elf Menschen mit Beeinträchtigung beschäftigt.

Derzeit haben in Südtirol neben den 81 Menschen mit Behinderung in der öffentlichen Verwaltung noch weitere 1790 beeinträchtige Personen einen Arbeitsplatz. Diese Stellen werden vom Land mit 1,4 Millionen Euro gefördert, 300 Personen sind über Anvertrauensabkommen mit 1,1 Millionen Euro subventioniert.

Landesrat Theiner will die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung erhöhen, indem die Sozialgenossenschaften des Typs B, also jenen für die Arbeitseingliederung, vermehrt zu Aufträgen von privaten und öffentlichen Arbeitgebern kommen und in diesem Rahmem etwa die Pflege der Grünanlagen oder Verwaltungstätigkeiten übernehmen. Theiners Konzept ist von der Landesregierung bereits gutheißen worden und Pilotprojekte haben die Erfolgschancen schon bestätigt. „Das Projekt der Genossenschaft „Albatros“ hat gezeigt, dass manche Privatbetriebe durch die Zusammenarbeit mit Sozialgenossenschaften auch für die direkte Einstellung von Menschen mit Behinderungen sensibilisiert werden können. Die direkte Einstellung scheitert immer noch und nicht nur in Italien an den bürokratischen Hürden, die von den Unternehmen gefürchtet werden“, so Theiner.

Der Soziallandesrat möchte, dass sich die Sozialgenossenschaften zur Arbeitseingliederung auf Bezirksebene formieren: „Wir wollen keine Sozialgenossenschaft auf Landesebene, sondern Genossenschaften auf Bezirksebene, damit die Verwalter und Unternehmer vor Ort erreicht werden.“
   

Qualitätsoffensive bei Tumorbehandlungen
„Krebs wird in wenigen Jahren zur Todesursache Nummer eins in Südtirol werden. Es gibt nur einen Weg, um für die Zukunft gerüstet zu sein: Wir müssen die Qualität in der Behandlung anheben“, so der Gesundheitslandesrat. In Zusammenarbeit mit Alfred Königsrainer und der Universität Genua soll diese Qualitätsoffensive gelingen.

Während die Herz-Kreislauferkrankungen als Todesursache leicht rückläufig sind und im Jahr 2009 für etwa 37 Prozent der Todesfälle in Südtirol verantwortlich waren, steigen die Krebserkrankungen beständig an und haben im Jahr 2009 etwa 30 Prozent der Todesfälle verursacht. Derzeit treten jährlich bei etwa 2900 Südtirolern Tumorerkrankungen auf, 1100 Menschen sterben daran. „In den kommenden Jahren wird Krebs die häufigste Todesursache sein, daher muss in der Gesundheitsvorsorgung ein besonderes Augemerk auf sie gelegt werden“, so Landesrat Theiner. Er will auf Landesebene eine Qualitätssteigerung erreichen: „Es geht hier nicht um Bezirksinteressen, sondern um Leben oder Sterben. Deshalb werden wir Qualitätsstandards einführen, die internationalen Maßstäben genügen. Professor Königsrainer, derzeit an der Universität Tübingen, wird uns bei diesem Prozess begleiten und die Zertifizierung überwachen. Auch mit der Universität Genua, die in der Tumorforschung einen hervorragenden Ruf genießt, arbeitet mit uns zusammen“, zeigte Landesrat Theiner auf, wie sich der Gesundheitsdienst für die Zukunft rüsten will. Theiner kündigte überdies an, dass nur in jenen Bereichen, in denen internationale Standards erreicht werden können, Behandlungen in Südtirol erfolgen, in allen anderen Bereichen die Patienten aber außerhalb betreut werden sollen.

Europaweite Patientenmobilität ab 2013
Die Behandlung von Krankheiten außerhalb Südtirols bzw. die Betreuung von EU-Bürgern in Südtirol ist eine weitere Herausforderung, die das Ressort von Landerat Theiner meistern muss. Ab 25. Oktober 2013 können Bürger auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten die medizinischen Leistungen und Behandlungen, auf die sie auch zu Hause Anrecht hätten, in Anspruch nehmen. Die Kosten werden bis zu dem Wert, der in der Heimat anfallen würden, rückvergütet, ambulante fachärztliche Visiten können dann ohne Vorabgenehmigung im EU-Raum beansprucht werden, nur bei einer stationären Aufnahme braucht es eine Vorabgenehmigung vom Landesgesundheitsdienst.

„Auf eine grenzferne Provinz wird diese neue Richtlinie keine Auswirkung haben, aber für ein Grenzland wie Südtirol werden die Folgen enorm sein“, ist Landesrat Theiner überzeugt. „Spätestens in zwei Jahren wird der Südtiroler Gesundheitsdienst sich einer offenen internationalen Konkurrenz stellen müssen. Dafür müssen wir uns rüsten“, so das Mitglied der Landesregierung. Dies soll über eine zentrale Anlaufstelle auf Landesebene geschehen, bei der sich die Bürger informieren können, wo sie die beste Behandlung erhalten und wie die Qualitätsstandards aussehen, die in anderen Staaten eingehalten werden müssen.
   

Stationär behandeln wo notwendig, ambulant wo möglich
Stationäre Aufenthalte wo notwendig und ambulante Versorgung wo möglich: Auf diesen Leitsatz lässt sich die Ausrichtung von Landesrat Richard Theiner bei der Neuordung des Gesundheitsdienstes verkürzen. Theiner will mit dem Ausbau der Bereitschaftsdienste in den Sprengeln, der Förderung von Ärztegemeinschaften und einer Fokussierung auf die Vorsorge Südtirols Gesundheitssystem in die Zukunft führen.

Die Reform des Gesundheitssystems ist in vollem Gange. Theiner erinnerte daran, dass beispielsweise bei der Schaffung des Südtiroler Sanitätsbetriebes Mehrgleisigkeiten abgebaut und Verwaltungsprozesse vereinheitlicht worden sind. „Die Struktur ist verschlankt worden. Um dies festzustellen, genügt ein Blick auf die Anzahl der Führungskräfte: Die Verwaltungs- und Amtsdirektorenstellen werden von 123 auf 81 Einheiten bis Ende des Jahres abgebaut“, führte das für die Gesundheit zuständige Mitglied der Landesregierung aus.

Theiner wies auch darauf hin, dass der Südtiroler Gesundheitsdienst im Vergleich zum deutschsprachigen Ausland sehr kostengünstig arbeite. Dies sei aber kein Grund, nicht weiter an der Effizienz und Rationalisierung des Systems zu arbeiten, so der Landesrat: „Wir planen einen schrittweisen Abbau der Krankenhausbetten und einen gleichzeitigen Ausbau der Versorgung auf dem Territorium.“ Das heißt, dass sich der Gesundheitsdienst auf die wesentlichen Betreuungsstandards konzentrieren soll, die sieben Krankenhäuser beibehalten werden, aber nur noch stationär behandelt wird, wenn es notwendig ist und die ambulante Versorgung dort ausgebaut wird, wo dies möglich ist. Landesrat Theiner führte in diesem Zusammenhang die Behandlung von chronischen Krankheiten wie etwa Diabetes an.

Die Stärkung des Territoriums soll durch den Ausbau von Ärztegemeinschaften und des Bereitschaftsdienstes in den Sprengeln erfolgen. Auch die Prävention soll die Krankenhäuser und den Gesundheitsdienst entlasten. Theiner: „Ein gesunder Lebensstil und die Übernahme von Eigenverantwortung der Bürger, besonders in Zusammenarbeit mit den Schulen, den Gemeinden und der Stiftung Vital sollen sind die Voraussetzung, dass unser Gesundheitssystem auch in Zukunft funktioniert.“

Medical School: Maßnahme gegen Ärztemangel
Damit das Gesundheitssystem auch in Zukunft funktioniert, benötigt es neben der Eigenverantwortung des Bürgers aber vor allem auch genügend Ärzte. Nachdem heute schon in einigen fachspezifischen Bereichen Fachärzte, aber auch Ärzte für Allgemeinmedizin fehlen, soll an der Universität Bozen eine medizinische Fakultät angesiedelt werden. „Diese medizinische Fakultät wollen wir gemeinsam mit dem Land Tirol, der Uni Innsbruck und einer italienischen Universität schaffen. Noch fehlt uns aber die Genehmigung vom zuständigen Ministerium in Rom“, erläuterte Landesrat Theiner den derzeitigen Stand der Dinge. 
 
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