Die Kraft des Gesprächs führte in Kärnten zur historischen Lösung
Wien (pk) – An der Spitze der umfangreichen Tagesordnung für die 799. Sitzung des Bundesrates
– mehr als 140 Redner waren bei Sitzungsbeginn um 9 Uhr zu Wort gemeldet – stand am 21.07. die Änderung
des Volksgruppengesetzes mit der als historisch empfundenen Kärntner Ortstafelregelung und Neuerungen bei
der Amtssprache sowie im zweisprachigen Schulsystem Südkärntens.
Staatssekretär Josef OSTERMAYER verlieh seiner Freude darüber Ausdruck, vor dem Bundesrat zu einem Thema
zu sprechen, das ihn zwei Jahre lang intensiv beschäftigt hat. In der Frage der Umsetzung der Minderheitenrechte
in Südkärnten habe man eine Lösung gefunden, die über alle bisherigen Regelungen hinausgehe
und gleichzeitig von breiter Zustimmung getragen werde. Das betreffe die symbolisch wichtige Ortstafelregelung
ebenso wie die Regelung der Amtssprache und das zweisprachige Schulsystem. Die Voraussetzung dafür sei die
Bereitschaft aller beteiligten Stellen gewesen, die strikte Vertraulichkeit der Gespräche zu wahren und darauf
zu verzichten, mediales Kapital aus ihnen zu schlagen. Es handle sich um ein Ergebnis, das aus der Kraft des Gesprächs
und der Durchsetzung der Vernunft entstanden sei, sagte Ostermayer und sprach allen Beteiligten nochmals seinen
Dank aus.
Landhauptmann Gerhard DÖRFLER sprach ebenfalls davon, dass das Ergebnis, zu dem man in der Ortstafelfrage
nun gelangt sei, darauf zurückzuführen sei, dass das frühere Misstrauen nun der Bereitschaft zu
vertrauen gewichen sei. Warum eine Lösung der Frage so lange gebraucht habe, erklärte Dörfler mit
dem "historischen Sonderfall", den Kärnten nach dem Ersten Weltkrieg darstellte: Nachdem die alte
europäische Ordnung zerbrochen war, kam der Streit um die Grenzziehung nach den beiden Weltkriegen, das schwere
Unrecht an der slowenischen Volksgruppe in der NS-Zeit und das darauf folgende Abrechnungsbedürfnis von Seiten
der Partisanen - all das habe tiefe Traumata in der Kärntner Bevölkerung hinterlassen. Nur vor diesem
Hintergrund werde verständlich, warum die seit den 1970er Jahren versuchten Regelungen zu keiner politisch
befriedigenden Lösung geführt hätten und auf Widerstand gestoßen seien. Diesmal habe man frühere
Fehler der Politik vermieden, die Bevölkerung in den Lösungsprozess eingebunden und so jede Eskalation
vermeiden können. In Staatssekretär Josef Ostermayer, einem echten "Kärntenversteher",
habe er persönlich einen geduldigen und kenntnisreichen Gesprächspartner gefunden. Mit ihm und den anderen
Beteiligten konnten die drei Eckpfeiler der Lösung: ein Verfassungsgesetz, Verzicht auf eine Öffnungsklausel
einerseits, eine Minderheitenfeststellung andererseits, auf einer guten Vertrauensbasis im Detail ausverhandelt
und festgelegt werden, sagte der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler.
Auch Bundesrätin Ana BLATNIK (S/K) zeigte sich stolz, weil man ein Gesetz beschließe, das ihr ein großes
Anliegen sei. Diese Vorlage sei Ausdruck des Zusammenlebens zweier Sprachen und zweier Kulturen, sei Bekenntnis
zur Vielfalt, was in unserer Zeit eine Stärke sei. Die Bevölkerung brauche für die Zukunft ein gemeinsames
Kärnten des Vertrauens, des Miteinanders. Werde diese Neuregelung umgesetzt, dann werde es einen Sieger geben:
das Land Kärnten! Mit diesem Gesetz werde kein Schlussstrich gezogen, vielmehr eine neue Seite aufgeschlagen,
eine Seite, die das Gemeinsame in den Mittelpunkt stelle, und das sei zu begrüßen.
Bundesrat Karl PETRITZ (V/K) dankte dem Landeshauptmann von Kärnten für seine Anwesenheit in dieser Debatte
und bezeichnete sodann die gefundene Lösung als wichtig für das Land, ziehe man damit doch einen Schlussstrich
unter eine lange Debatte, die Kärnten sehr geschadet habe. Nun aber könne man einen Neubeginn unter guten
Voraussetzungen wagen, da es gelungen sei, die Ortstafelfrage auf breitester Basis zu lösen, denn es habe
sich gezeigt, dass man solche Fragen nur im Konsenswege zufriedenstellend regeln könne. Es sei ein mühevoller
Weg gewesen, aber es habe sich gelohnt, ihn zu gehen.
Bundesrat Franz PIROLT (F/K) bezeichnete den Ortstafelkonflikt als eine Auseinandersetzung der Funktionäre,
denn die Bevölkerung selbst habe sich immer verstanden. Die nun eingeschlagene Richtung habe sich als richtig
erwiesen, man könne damit eine Lösung vorlegen, die für alle Seiten akzeptabel sei, sodass man sagen
könne: Kärnten ist schön.
Bundesrätin Jennifer KICKERT (A/W) sprach von einem guten Kompromiss, wenngleich es durchaus möglich
gewesen wäre, eine noch bessere Lösung zu erzielen, wie einzelne Detailregelungen zeigten. Auch sei zu
kritisieren, dass ein Teil der Betroffenen nicht in die Lösungsfindung einbezogen wurde, nur, weil er nicht
in Kärnten, sondern in der Steiermark lebe. Die Rednerin zitierte das Sprichwort, wonach das Gute der Feind
des Besseren sei und erklärte, sie werde aus den genannten Gründen der Lösung nicht zustimmen.
Bundesrat Stefan SCHENNACH (S/W) zog einen europaweiten Vergleich im Hinblick auf die Lage der Minderheiten in
ihren jeweiligen Länder. Europa sei ein Kontinent der vielen Minderheiten und Sprachen, und daher brauche
es auch eine europäische Lösung derartiger Fragen. So gesehen könne man mit der gefundenen Formel
zufrieden sein, schloss der Redner, denn sie stelle 91 Jahre nach dem Beweis der "Österreich-Treue"
der Kärntner Slowenen eine Art Dankeschön seitens der Politik dar.
Bundesrat Efgani DÖNMEZ (A/O) erklärte, er werde der Vorlage zustimmen, wiewohl er mit dem Resultat nur
deswegen zufrieden sei, weil man damit ein neues Kapitel aufschlagen könne, das hoffentlich nicht mehr von
derartigen Konflikten belastet sein werde, wie sie die Kärntner Wirklichkeit in den letzten Jahrzehnten gekennzeichnet
hätten.
Es wurde kein Einspruch erhoben, die verfassungsmäßige Zustimmung wurde erteilt. |