Österreich zu Griechenland-Hilfe / "Euro-Krise"  

erstellt am
20. 07. 11

Faymann: Negativeffekte der Macht der Rating-Agenturen minimieren
EU-Hauptausschuss im Parlament vor Tagung der Staats- und Regierungschefs der Eurozonenländer
Wien (sk) - Bundeskanzler Werner Faymann erläuterte am 19.07. im EU-Hauptausschuss im Parlament die Vorgehensweise Österreichs beim EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungsspitzen der Eurozonenländer, der am 21.07. in Brüssel stattfinden wird. "Zur Stunde muss man davon ausgehen, dass Griechenland trotz der Bedingungen und der Maßnahmen im eigenen Land nicht in der Lage ist, auf den privaten Finanzmärkten wieder Mittel aufzunehmen, wie das ursprünglich für das Jahr 2012 vorgesehen war. Daher muss man sich überlegen, wie kann man den Finanzbedarf in der Höhe von 88 Milliarden Euro sicherstellen, den Griechenland bis 2014 benötigt", sagte der Bundeskanzler.

Die Maßnahmen der Europäischen Union müssten deswegen weiter gehen: "Damit ist zunächst einmal die Verlagerung von bilateralen Hilfen, wie dies bei Griechenland ja noch gegeben ist, hin zum Euro-Rettungsschirm EFES gemeint. Dadurch erreicht man eine Vereinheitlichung der Vorgangsweisen, so wie sie gegenüber Portugal und Irland gewählt wurden. Das halte ich für einen wichtigen Schritt zu Stabilisierung der Gesamtsituation", so Faymann.

"Auch müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie die Einbindung des privaten Sektors organisiert werden kann, sodass zum Schluss nicht mehr Nachteile herauskommen, die Vorteile überwiegen und auch die Kosten der öffentlichen Hand möglichst gering bleiben. Dies beraten derzeit Finanzexperten in verschiedensten Arbeitsgruppen", erläuterte der Bundeskanzler.

"Das alles ist deshalb so ein schwieriger Prozess, weil hier vor allem auch die Rating-Agenturen besondere Macht und Bedeutung übernommen haben." Die Aufgabe der Politik müsse es nun sein, diese übertriebene Macht wieder zurückzunehmen. "Das geht aus meiner Sicht aber nur, indem man mittelfristig auf europäischer Ebene gegensteuert. Ich unterstütze das aus tiefster Überzeugung deshalb, weil die Rolle der Rating-Agenturen eine unrühmliche ist, weil sie Finanzmarktschwankungen und damit auch Schwierigkeiten in der Regel verstärken", betonte Faymann. "Wir brauchen eine gewisse Unabhängigkeit von Rating-Agenturen. Auch die Schaffung einer Europäischen Rating-Agentur wird nicht all diese Probleme beseitigen, dieser Illusion sollte man sich nicht hingeben, aber sie kann diese negativen 'Verstärkereffekte' minimieren und das alleine halte ich schon für außerordentlich wichtig" so der Bundeskanzler.

"Ich spreche mich auch klar für eine Finanztransaktionsteuer aus, weil diese, anders als andere Formen von Finanz-, Banken- oder Versicherungsabgaben, nicht nur vom Banken- und Versicherungssektor zu bezahlen ist, sondern auch von anderen Sektoren, nämlich jenen, die ebenso eine Fülle von Finanztransaktionen durchführen, aber in der Vergangenheit eigentlich wenig bis gar nicht zur Stabilisierung des Euros beigetragen, sondern sich auf Spekulationen konzentriert haben", betonte Faymann.

"Man muss all diese Maßnahmen als Gesamtheit sehen, denn sie scheinen mir der einzige Weg zu sein. Der wird aber sicherlich nicht schon kommenden Donnerstag fix beschlossen sein. Es geht aber um einen notwendigen Teilschritt. Auf diesem Weg wird Österreich seine Forderungen auch weiter vorbringen", sagte der Bundeskanzler abschließend.

 

Spindelegger: Österreich befürwortet klare Einbindung des Privatsektors
Außenminister zur schwierigen Situation der Eurozone im Hauptausschuss des Nationalrats
Wien (övp-pk) - Österreich befürwortet in dieser schwierigen Situation der Eurozone klar die Einbindung des Privatsektors. Noch ist offen, welche Beschlüsse konkret am Tisch des Europäischen Rates am Donnerstag liegen werden. Wir brauchen eine gewisse Flexibilität. Klar ist aber auch, dass wir eine Stabilisierung des Euro brauchen, verwies Außenminister Dr. Michael Spindelegger im Hauptausschuss des Nationalrats im Vorfeld des EU-Rates am 21.07. auf flexible Maßnahmen der European Financial Stability Facility (EFSF) und die Einbindung des Privatsektors. "Das sind die Maßstäbe, nach denen am Donnerstag zu handeln ist", so Spindelegger.

Allen sei wohl klar, dass nicht eine einzelne abschließende Maßnahme getroffen werden könne, sondern eine Reihe von Entscheidungen notwendig sei, um auf dem Markt zu reagieren. Mit einer fortgesetzten Hilfestellung der EU sei zu rechnen. Die entsprechenden Instrumente müssten flexibler werden, um auf die Situationen rascher reagieren zu können, verwies Spindelegger beispielsweise auf die Verlängerung der Laufzeiten für die Kredite.

Mit dem EFSF sei ein Instrument geschaffen worden, das darauf reagieren könne. "Wir sollten dieses Instrument generell für alle Hilfsmaßnahmen zuständig machen", so der Außenminister. Kreative Ansätze müsse man auch hinsichtlich der Überreaktionen der Ratingagenturen finden, damit es nicht zu größeren Schwierigkeiten komme. Entsprechende Studien würden bis Donnerstag vorgelegt werden, damit man auch hier ein gangbares Instrument vorfinden könne.

 

Hübner ortet völlige Konzeptlosigkeit der Regierung in der Euro-Krise
Freiheitlicher Antrag gegen Transferunion und Stabilitätsmechanismus eingebracht
Wien (fpd) - "Der EU-Hauptausschuss brachte heute das erwartete leere Gerede. Es wurde klar, dass die österreichischen Regierungsspitzen nicht einmal ansatzweise einen Plan haben, wie man die sich immer mehr verschärfende Euro-Krise unter Kontrolle bekommt", fasst der außenpolitische Sprecher der FPÖ, Johann Hübner, die Ausführungen von Kanzler Faymann (SPÖ), Außenminister Spindelegger und Finanzministerin Fekter (beide ÖVP) zusammen. Aussagen wie, dass allen Teilnehmern am donnerstägigen EU-Krisengipfel klar sei, "dass hier keine abschließenden Maßnahmen getroffen werden" und man "auf die Märkte reagieren" müsse (Spindelegger), würden das Dilemma verdeutlichen, in das sich die europäische Politik mit ihrem starren Festhalten am Euro in seiner derzeitigen, gescheiterten Form manövriert habe.

Die nun wieder auftretenden Vorschläge zu einer Beteiligung der Banken und sonstigen privaten Gläubiger der Krisenstaaten würden verdeutlichen, dass die Regierungsspitzen in Österreich und anderswo nur nach neuen Wegen suchen, um den Steuerzahler die Zeche zahlen zu lassen. "Egal ob das Kind Finanztransaktionssteuer heißt, wie sie Faymann gerne hätte, oder Bankenabgabe, wie die Franzosen derzeit vorschlagen: Das sind keine Lösungen zur Eindämmung der Krise und auch keine Mittel zur Beteiligung des Bankensektors, sondern allenfalls langfristige Maßnahmen zur Eindämmung der Spekulation", so Hübner. Eine Finanztransaktionssteuer dürfe auch nicht ins Budget der EU fließen.

"Wie Finanzministerin Fekter treffend ausgeführt hat, ist die derzeitige Debatte nur eine Suche nach Lösungen mit dem geringeren Risiko. Wir Freiheitlichen sind jedoch dafür, sich von jedem Risiko zu verabschieden, um die eigene noch funktionierende Volkswirtschaft vor dem Sog des schwarzen Euro-Lochs zu bewahren", hält Hübner fest. Die FPÖ-Abgeordneten haben daher im EU-Hauptausschuss einen Antrag eingebracht, der auf die Verhinderung einer europäischen Transferunion und die Entlassung von Staaten aus der Eurozone abzielt, deren makroökonomische Kennzahlen einen Verbleib in der gemeinsamen Währungsunion nicht rechtfertigen. Zusätzlich werden die Mitglieder der Bundesregierung damit aufgefordert, auf europäischer Ebene alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und die damit einhergehende Einführung einer Transferunion zu verhindern.

 

 Lunacek: Schluss mit Faymanns 'Notoperationen
Griechenland braucht umfassende Finanzkur – Grüne: Dominanz der marktbeherrschenden Ratingagenturen durch europäische Ratingstiftung einschränken
Wien (grüne) - "Die Uneinigkeit über die Maßnahmen zur Stabilisierung der in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Euro-Länder, allen voran Griechenland, muss ein Ende haben. In jeder Phase der Eurokrise hat der Europäische Rat zu spät und zu zögerlich gehandelt und Maßnahmen beschlossen, die zu kurz greifen. Während die Renditeaufschläge für Staatsanleihen dieser Länder an den Finanzmärkten Rekordwerte erreichen, schaffen es die Staats- und RegierungschefInnen sowie ihre FinanzministerInnen nicht, mit klaren Maßnahmen Entschlossenheit zu demonstrieren", erklärt Ulrike Lunacek, Europasprecherin der Grünen, im Vorfeld des für morgen angesetzten Sondergipfels der Euro-Staaten.

Lunacek: "Die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die katastrophale finanzielle Lage in einigen europäischen Saaten zeigen, dass die bisherigen Light-Programme lediglich Stückwerk sind, denen es an Überzeugungskraft mangelt. Es ist deswegen unverzeihlich, dass Bundeskanzler Faymann gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Rat offensichtlich außer Stande ist, nachhaltige Konzepte vorzulegen und die Regierungen der Mitgliedstaaten sich immer noch nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen können. Eine weitere 'Notoperation', wie Faymann diesen Sondergipfel bezeichnet, ist zuwenig - Griechenland und die anderen in finanziellen Turbulenzen geratenen Euro-Staaten brauchen einen nachhaltige wie langfristige Finanzkur."

Die Grünen haben deswegen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europaparlaments einen Plan zum Umgang mit den griechischen Staatsschulden vorgelegt, um den Euro wieder in sicheres Fahrwasser zu bringen. Der Prozess einer sanften und gut abgesicherten Umschuldung muss nach den Prinzipien eines geordneten Insolvenzverfahrens ablaufen. Das Problem weiterhin auf die lange Bank zu schieben, erhöht am Ende nur die Kosten für die europäischen SteuerzahlerInnen. Nach dem Grünen Plan sollen in Zukunft maximal 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Zinsen aufgebracht werden. Zusätzlich werden aktuelle griechische Staatsanleihen gegen mit AAA bewerteten Anleihen des EFSF getauscht.

Lunacek: "Griechenland muss wieder Luft zum Atmen bekommen - das ist das Ziel unseres Plans. Die ablehnende Haltung der österreichischen Finanzministerin gegenüber einem Rückkauf von Anleihen ist daher vollkommen unverständlich. Darüber hinaus können die Probleme der Eurozone aber letztlich nur durch eine echte Europäische Wirtschaftsunion gelöst werden. Dazu gehört auch ein Ende der Zögerlichkeit, wenn es darum geht Privatgläubiger an der Lösung der Schuldenkrise einzubinden und ein deutliches Bekenntnis zur Einführung von Eurobonds, um den Vertrauensverlust in die Eurozone zu stoppen."

Das überfällige Bekenntnis von Bundeskanzler Faymann für eine Europäische Ratingagentur kommentiert Lunacek mit den Worten"Besser spät als nie!" Die Europaabgeordnete erinnert daran, dass das Europaparlament und insbesondere die Grünen bereits vor gut einem Monat für die Schaffung einer völlig unabhängigen europäischen Ratingstiftung gestimmt haben. Lunacek: "Eine solche Einrichtung ist von zentraler Bedeutung für eine ausgewogenere Ratingkultur. Unserer Vorstellung nach sollte für Staatsschulden verpflichtend ein Zweitrating durch diese europäische Agentur vergeben werden. Damit würde auch die unsägliche Dominanz der drei bislang marktbeherrschenden Ratingagenturen eingeschränkt. In dem für diesen Herbst geplanten Gesetzgebungsverfahren zur Überarbeitung der Richtlinie zu Ratingagenturen werden wir Grüne weiter auf umfassende Lösungen pochen."
     

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