Arbeitsmarkt: Zuwanderung glich Mangel aus   

erstellt am
19. 07. 11

Wien (medienservicestelle) - Die Zuwanderung aus den EU-Mitgliedstaaten hat den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften bisher weitgehend abdecken können. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Deckung des Arbeitskräftebedarfs durch Migration in Österreich“ des Europäischen Migrationsnetzwerkes (EMN). Dass es überhaupt diesen Mangel gibt, sieht die Forscherin und Studienautorin Gudrun Biffl in den Unzulänglichkeiten des österreichischen Bildungssystems begründet.

Basis der Untersuchung waren die Daten der jährlichen Arbeitskräfteerhebungen der Statistik Austria. Einer der Trends, die zwischen 2005 und 2010 beobachtet werden konnten: Das durchschnittliche Qualifikationsniveau der EU-Bürger ist gesunken, während jenes der Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten (Drittstaatsangehörige) gestiegen ist.

Zuwanderer aus EU-15 am besten ausgebildet
„Durch die zunehmende Migration aus der EU hat sich deren Struktur verändert. Es sind mehr gering qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich gekommen“, erklärt Biffl, die an der Donau-Uni Krems das Department für Migration und Globalisierung leitet, in einem Gespräch mit der Medien-Servicestelle. “Wir stellen fest, dass das Sozialsystem unter anderem auch schlecht qualifizierte ‘Hartz-IV-Flüchtlinge’ aus Deutschland anzieht.“

Nichtsdestotrotz sind die Zuwanderer aus den „alten“ EU-Staaten (EU-15) im Durchschnitt am besten ausgebildet und machten 2009 rund 6,0 Prozent aller mittel- und hochqualifizierten Erwerbstätigen hierzulande aus (2004: 4,4 Prozent).

“Rot-Weiß-Rot-Karte” bringt Verbesserungen, löst aber nicht alle Probleme
Die Ergebnisse sind laut Studie ein Indiz dafür, dass es seit 2003 gelungen sei, die Zuwanderung hochqualifizierter Drittstaatsangehöriger zu fördern. „Aber es wurde auch der Zuzug unqualifizierter Drittstaatsangehöriger reduziert, indem zum Beispiel Sozialhilfe-Empfänger seit 2006 keine Familienmitglieder mehr nachholen können“, ergänzt Biffl.

Allerdings nennt sie auch Faktoren, die die Zuwanderung von Hochqualifizierten bisher behindert haben. So haben Drittstaatsangehörige derzeit keinen Zugang zum öffentlichen Sektor, der traditionell viele Akademiker aufnimmt. In der Privatwirtschaft wiederum waren die Einstiegsgehälter bisher oft zu gering, um die nötige Einkommensschwelle für eine Niederlassungsbewilligung zu erreichen.

Zumindest in diesem zweiten Punkt bringe die seit 1. Juli geltende „Rot-Weiß-Rot-Karte“ eine Verbesserung. Denn das neue Punktesystem hat Kriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse und Alter in den Vordergrund gerückt und soll u.a. Hochqualifizierten den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern (siehe dazu auch “Österreich bekommt neues Zuwanderungssystem”).

Was sich laut Studie nicht so bald ändern wird: Der österreichische Arbeitsmarkt ist von internen Karriereleitern geprägt, was Neueinsteiger benachteiligt (Insider-Outsider-Problematik). Es sei für viele junge, gut qualifizierte Menschen wenig reizvoll nach Österreich zu kommen, um dann wieder „von unten“ und mit weniger Gehalt neu anzufangen. Diese Struktur „könnte die Anstrengungen der Zuwanderungspolitik (…) behindern“, wird in der Studie gewarnt.

Zu wenig Erwachsenenbildung, zu viele Schul-Drop-Outs
Dass es überhaupt einen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften gibt, sei in erster Linie ein hausgemachtes Problem: „Das Bildungssystem produziert nicht rasch genug, und die Erwachsenenbildung, die so wichtig wäre, liegt im Argen. Außer dem Arbeitsmarktservice kümmert sich niemand darum“, kritisiert Biffl.

Die Wissenschafterin erinnert an den eklatanten Mangel an Pflegekräften in Österreich. Sie macht dafür das regional fragmentierte Ausbildungswesen im Bereich der Gesundheitsvorsorge verantwortlich. Da es nicht Teil des höheren Bildungsweges ist und nicht mit Matura abschließt, bleiben Gehalt, sozialer Status und Aufstiegschancen in diesen Berufen auf geringem Niveau. Gleichzeitig schließen viele Jugendliche überhaupt keine Berufsausbildung ab. Biffl: „Die hohen Drop-Out-Raten, die wir in Österreich haben, muss man sich einmal leisten können.“
     
Informationen: http://
     
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