MASCHMISCH   

erstellt am
01. 08. 11

Wien ist Weltmusik. Eine Reminiszenz an 20 Jahre Fest der Völker im Augarten – von 10. September bis 2. Oktober
Wien (aktionsradius) - So wie sich hier die Wiener zeigten, waren sie das liebenswerteste Volk der Welt. "Die Zeitungen schätzten die Menschenmenge auf 70.000 Personen. An diesem Ort waren wohl 50 verschiedene Theater, wo Menschen, Tiere und Marionetten um die Gunst des Publikums wetteiferten. Hier standen 2 geschminkte und geschwärzte, zerlumpte Kerle auf einer Leiter, hielten Reden, erzählten grobe Witze und luden die Leute ein, die dramatischen Vorstellungen zu besuchen. Man hätte erwartet, dass sie den braven Leuten höchstens ein Almosen hätten entlocken können, nur um sie nicht sehen zu müssen, aber nein, der Billetschalter war ständig belagert (…) Außer den Theatervorstellungen zu festen Preisen gab es eine Reihe von Marionettentheatern, die nur á discretion spielten; diese Vorstellungen waren meiner Meinung nach sogar die besten (…) Übers ganze Feld waren Musik-Kapellen verstreut, die zum Tanz aufforderten. Dies taten sie nicht vergeblich. Die bunten Kleider, die Fahnen, die Musik, Lachen und Reden aus 70.000 Mündern, das war für meine Augen und Ohren mehr Farbe und Geräusch, als sie je gesehen und gehört hatten. So wie sich hier die Wiener zeigten, waren sie das liebenswerteste Volk der Welt." Johan Vilhelm Snellmann

Dieses Zitat ist eine Passage aus dem Reisebericht des schwedisch-finnischen Philosophen Johan Vilhelm Snellman, der 1840 oder 1841 ein Fest im Wiener Augarten erlebte. Snellmann war einer der originellsten skandinavischen Intellektuellen seiner Zeit – und wird nach seiner Mitteleuropa-Reise zum Repräsentanten der finnischen Emanzipationsbewegung gegen die schwedische Dominanz avancieren.

1991, 150 Jahre später, fand das erste „Fest der Völker im Augarten“ statt.
2011 feiern wir also den 20. Geburtstag. Leider nicht mehr so wie früher, mit großem Volksfest, mit Musikanten im Park, mit Gauklern, Clowns, Marionetten und Tanz. Seit AnrainerInnen ihr Veto einlegen gegen die beliebten Freiluftkonzerte, ist es ruhig geworden im Augarten. Silent Music ist das neue Motto im Augarten 2011.

Dennoch laden wir – in Reminiszenz an „20 Jahre Fest der Völker“ – zum Feiern ein: mit kleinem Kinderprogramm, mit Silent Music im Gastgarten und mit MaschMisch Weltmusik-Konzerten indoor im Bunker, hinter meterdicken Betonwänden, … very silent. Aber vielleicht passt ein ruhiges, zurückhaltendes Feiern auch zur gegenwärtigen Situation, zur Welt- und Wirtschaftslage, zur Geldkrise, zur Krise der Demokratie ...

1991, beim ersten Fest der Völker im Augarten, war es jedenfalls außer unserer Vorstellungskraft, dass 20 Jahre später Live-Musik im Park jemanden stören könnte. Damals begann alles mit viel Begeisterung und einem dreitägigen Fest. Der Aktionsradius Augarten (wie er damals, nach seiner Gründung hieß) hatte die Volksfeste im Augarten nicht erfunden – er nahm mit dem «Fest der Völker» die alte Tradition der Volksfeste im Augarten wieder auf – nach einem Niedergang des barocken Parks, der bereits um 1900 begonnen und mit dem 2. Weltkrieg seinen Höhepunkt gefunden hatte, indem das «liebenswerteste Volk der Welt» hundert Jahre nach der Wien-Hommage des nördlichen Besuchers einen Teil dieses Volks als hassenswert erkannte und in die Öfen oder ins Exil trieb, um von innen aus ungestört einen Krieg zu machen, für den man den Park als überdimensionale Schusswaffe missbrauchte.

Bis 2001 ging das „Fest der Völker / Fest der beVÖLKERung“ acht Mal über die Bühne – und mehr als 250.000 BesucherInnen hat es in diesen 10 Jahren in den barocken Park gelockt! Das erfolgreiche Weltmusik-Openair hat die Wiener Festivallandschaft der 1990er Jahre maßgeblich geprägt. Es war eines der ersten Weltmusik-Feste der Stadt, es hat die Wiener Kulturszene verändert sowie Tausende WienerInnen (wieder) für den Augarten begeistert. Auf diese Weise hat das „Fest der Völker“ eine Neuentwicklung im Augarten eingeläutet, und – gemeinsam mit späteren Nachfolgeveranstaltungen wie Klassik Picknick, Morgenkonzerten, Sommerkinos, Klezmer Brunch – wesentlich dazu beigetragen, dass sich der Augarten vom damals eher unbekannten und „vernachlässigten“ Park zu einem attraktiven Volks- und Kulturpark entwickelt hat, zu einem multikulturellen Treffpunkt und einem Ort der Weltmusik, zu einem „Hot Spot“ der Stadt mit großer Strahlkraft auf die gesamte Region. Heute ist der Augarten zum Werbeträger für die Bezirke 02/20 geworden, beispielsweise am Immobilienmarkt. Dachböden wurden ausgebaut, neue Wohnanlagen haben sich am Augarten angesiedelt, neue BewohnerInnen sind zugezogen, die Zahl der ParknutzerInnen hat sich vervielfacht … Leider sind durch diese Aufwertung auch Menschen hinzugekommen, die sich nun gestört fühlen durch Musik und Feste im Augarten …, nicht wissend, in welcher Tristesse der Augarten sich vor seiner kulturellen Wiederbelebung einst präsentiert hat.

In Reminiszenz an „20 Jahre Fest der Völker“ laden wir zu einer (leisen) Festreihe in den Augarten.

Denn wie sagte uns schon der alte Schwede Johan Vilhelm Snellman: Richtig liebenswert sind die Wienerinnen und Wiener beim Feiern!
     
Finden Sie hier das komplette Programm: http://www.aktionsradius.at    
     
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