Ulm (idw) - Auch Pflanzen sind zur Arterhaltung bekanntlich höchst erfinderisch. Gilt es tagaktive
Insekten als Bestäuber auf die Blüten zu locken, reichen gemeinhin auffällige Farben und Formen.
Ungleich schwieriger haben es Pflanzen, die sich auf nächtliche Bestäuber spezialisiert haben. Auf Fledermäuse
zum Beispiel. Eine überaus kreative Lösung haben jetzt Forscher der Universitäten Ulm, Erlangen-Nürnberg
und Bristol bei der kubanischen Liane Marcgravia evenia entdeckt: Sie lockt die Blumenfledermäuse mit auffälligen
Echos zur Blüte.
Die Studie, Erstautor ist Dr. Ralph Simon vom Institut für Experimentelle Ökologie der Uni Ulm, wurde
in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
Den Wissenschaftlern fielen die wie ein Hohlspiegel geformten Laubblätter auf, die diese Liane direkt über
dem Blütenstand präsentiert. Da die Blüten der Liane von Blumenfledermäusen bestäubt werden,
die sich mit Echoortung orientieren, vermuteten die Wissenschaftler, dass diese Hohlspiegelblätter die Ultraschallrufe
der Fledermäuse reflektieren und so die Tiere zu den Blüten locken. Mit einem künstlichen Fledermauskopf,
der Ultraschall aussendet und die von Objekten reflektierten Echos messen kann, haben die Forscher die Blätter
untersucht und entdeckt, dass die Blätter den Schall außerordentlich gut reflektieren. So können
Fledermäuse die Blütenstände der Kletterpflanzen bereits aus großer Entfernung orten. Außerdem
zeigt das Echo eine besondere Signatur in Form einer konstanten Klangfarbe und hebt sich so deutlich von den Echos
der umgebenden Vegetation ab.
Nach diesen aufschlussreichen Messergebnissen wollten die Forscher wissen, ob solche schüsselförmigen
Blätter tatsächlich die Blütenstände auffälliger machen und so den Fledermäusen helfen
die Blüten zu finden. Sie dressierten Blumenfledermäuse darauf mit einer computergesteuerten Umwelt zu
interagieren und in einer künstlichen Vegetation nach einer Kunstblüte zu suchen. Es stellte sich heraus,
dass die Fledermäuse die Blüte etwa doppelt so schnell fanden, wenn diese ein solches Hohlspiegelblatt
präsentierten. Dies zeigt, dass die spezielle Form des Blattes tatsächlich hilft die Bestäuber auf
den Blütenstand aufmerksam zu machen.
Laubblätter, die im Dienste der Anlockung von Bestäubern stehen - sogenannte Hochblätter - gibt
es bei vielen Pflanzen. Besonders bekannt sind die prächtig gefärbten Hochblätter des Weihnachtssterns
oder der Drillingsblume Bougainvillea. Auch die schüsselförmigen Blätter von Marcgravia evenia sind
solche Hochblätter, allerdings sind sie nicht visuell auffällig, sondern locken die echoortenden Fledermäuse
mit ihrer besonderen Echo-Klangfarbe an und sichern so ihre Bestäubung. Aber warum entwickeln Pflanzen so
komplizierte Signale, um ausgerechnet Fledermäuse anzulocken? "Blumenfledermäuse haben einen sehr
großen Aktionsradius und können Pollen auch zwischen Pflanzenindividuen austauschen, die weit entfernt
stehen. Das ist nicht nur für seltene und verstreut vorkommende Pflanzen von Vorteil, sondern wird heutzutage
immer wichtiger, da durch Abholzung der Regenwald in immer kleinere Fragmente zerlegt wird. Blumenfledermäuse
können auch zwischen diesen Fragmenten für Pollentransport und damit auch für genetischen Austausch
sorgen. So haben sie eine wichtige Rolle beim Erhalt und dem Schutz der Biodiversität in tropischen Regenwäldern."
erklärt Dr. Ralph Simon vom Institut für Experimentelle Ökologie der Uni Ulm. Da es in Süd-
und Mittelamerika viele hundert fledermausbestäubte Pflanzen gibt, vermuten die Forscher, dass weitere Pflanzen
auf ähnliche Strategien wie die kubanische Liane Marcgravia evenia zurückgreifen.
Paper:
Ralph Simon, Marc W. Holderied, Corinna U. Koch, Otto von Helversen: Floral acoustics: conspicuous echoes of a
dish-shaped leaf attract batpollinators. Science, Vol. 334, 2011 |