Wien (öaw) - Zukünftige Trends des Weltbevölkerungswachstums
könnten durch qualitative und quantitative Verbesserungen im Bildungsbereich – insbesondere durch Verbesserung
der weiblichen Bildung – signifikant beeinflusst werden. Prognosen der künftigen Bevölkerungsentwicklung,
die nicht explizit den Bildungsfaktor in ihre Analyse einbeziehen, sind jedenfalls nicht umfassend genug, so das
Ergebnis einer Studie der Demographen Wolfgang Lutz und Samir K.C. vom Wittgenstein Centre for Demography and Global
Human Capital, die am 29. Juli 2011 in der Zeitschrift Science veröffentlicht wird.
Im Rahmen der Studie haben Wolfgang Lutz und Samir K.C. (Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital,
ein Zusammenschluss des International Institute for Applied Systems Analysis / IIASA; Vienna Institute of Demography
/ VID der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / ÖAW und der Wirtschaftsuniversität Wien
/ WU Wien) die Auswirkungen der Bildung auf das Wachstum der Weltbevölkerung bis 2050 auf Basis eines innovativen
mehrstufigen Ansatz analysiert.
Dieser neue Ansatz berücksichtigt neben den traditionellen Faktoren Alter und Geschlecht auch das Bildungsniveau.
Die Integration von Bildung in die Analysen ermöglicht es, zusätzlich zu den Fertilitäts-, Mortalitäts-
und Migrationsprognosen die Dimension der damit verbundenen Lebensqualität aufzuzeigen. Da Bildung nachweislich
auch Gesundheit, wirtschaftliches Wachstum und Demokratie beeinflusst, können diese Prognosen umfassendere
Erklärungen liefern, wo, wie und unter welchen Umständen sich die Lebensqualität von Menschen erhöht.
Die aktuelle Arbeit untermauert frühere Ergebnisse, die bereits gezeigt haben, dass die formale Bildung von
Frauen in den meisten Fällen der entscheidende Faktor für das Wachstum von Bevölkerungen ist. Gebildetere
Frauen haben allgemein weniger Kinder, sind gesünder, und die Überlebenschancen ihrer Kinder sind höher.
Darüber hinaus scheint Bildung im Hinblick auf die Kindersterblichkeit entscheidender zu sein als die Höhe
des Haushaltseinkommens und des Vermögens.
Bevölkerungswachstum wird gebremst
Die Studie zeigt, dass die Weltbevölkerung 2050 die neun Milliarden-Grenze nicht überschreiten würde,
wenn jetzt gemeinschaftliche Anstrengungen zur weltweiten Anhebung des Bildungsniveaus unternommen werden würden.
Das heißt, die zukünftige Entwicklung des globalen Bevölkerungswachstums hängt direkt vom
Bildungsfortschritt ab.
Dazu erstellten die Wissenschaftler vier Szenarien, die alle auf denselben bildungsabhängigen Fertilitäts-,
Mortalitäts- und Migrationsraten basieren und sich nur im Hinblick auf die zukünftigen Einschulungsraten
unterscheiden. „Das ambitionierteste Szenario geht davon aus, dass alle Länder ihr Schulsystem schnellstmöglich
verbessern und erweitern. Dieses orientiert sich an den derzeit fortschrittlichsten Beispielen in Singapur und
Südkorea“, erklärt Samir K.C., der Koautor der Studie. „Das pessimistischste Szenario nimmt an, dass
keine neuen Schulen gebaut werden und die Anzahl der Personen, die eine Schule besuchen, konstant bleibt, was bei
wachsenden Bevölkerungszahlen bedeutet, dass die Einschulungsraten sinken.“
Zwischen diesen beiden extremen Szenarien könnte die Weltbevölkerung 2050 um bis zu einer Milliarde variieren,
so der Wissenschaftler. 8,8 Milliarden wären es unter Annahme des sogenannten „Fast Track-Szenarios“ und mindestens
9,9 Milliarden, wenn die Einschulungszahlen konstant blieben. Der Unterschied ist in den Ländern am größten,
die derzeit hohe Fertilitätsraten und gleichzeitig große Bildungsunterschiede aufweisen.
Die Folgen verbesserter Bildung für das Bevölkerungswachstum werden jedoch noch nicht in näherer
Zukunft sichtbar sein. Die Auswirkungen auf die Fertilität von Mädchen, die jetzt eingeschult werden,
werden sich erst in ungefähr 15 Jahren zeigen, wenn sie im gebärfähigen Alter sind.
Die aktuellen Untersuchungen zeigen den starken Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wachstum und ‚Humankapital‘
auf, der Kombination aus Gesundheitsstatus und Bildungsniveau von Erwachsenen. Bessere Bildung beeinflusst viele
Aspekte der menschlichen Entwicklung, einschließlich Gesundheit, wirtschaftlichem Wachstum und Demokratie.
Publikation:
Global Human Capital: Integrating Education and Population. Science July 29 2011. Lutz W. and K.C. Samir
Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital
Das Wittgenstein Centre ist der Versuch, durch Bündelung der Kräfte von IIASA (International Institute
for Applied Systems Analysis), VID (Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
ÖAW) und WU (Wirtschaftsuniversität Wien) ein weltweit führendes Forschungszentrum in Wien aufzubauen,
das sich mit der für die Zukunft der Menschheit wichtigen Frage der Zusammenhänge von Demographie und
Bildung sowie deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft auseinandersetzt. |