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"WALTER PICHLER. Skulpturen Modelle Zeichnungen" im MAK |
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Wien (mak) - Nur selten schickt Walter Pichler (* 1936), einer der bedeutendsten visionären Künstler
der Gegenwart, seine Skulpturen auf Reisen. In einem alten Gehöft im burgenländischen St. Martin hat
Pichler, ein Grenzgänger zwischen Skulptur, Architektur und Zeichnung eine Skulpturenanlage geschaffen, in
der jede der Plastiken ihren eigenen individuellen Raum besitzt. Eine der seltenen Gelegenheiten zur Auseinandersetzung
mit Pichlers wesentlichen Werkgruppen bietet sich ab 27. September 2011 in der Ausstellung "Künstler
im Fokus #11. Walter Pichler. Skulpturen, Modelle, Zeichnungen" im MAK. Walter Pichler begreift Kunst als Programm. Er entzieht sich der Dynamik der aktuellen Kunstproduktion und arbeitet sehr langsam, oft viele Jahre an einer Skulptur, wobei er immer wieder Themen erneut aufgreift. Ausgangspunkt aller Arbeiten ist die Zeichnung, die - für sich eigenständig - gemeinsam mit der Skulptur und der Architektur ein narratives Netzwerk umspannt. Das immanente Spannungsverhältnis von Skulptur und Architektur ist prägend für sein Gesamtwerk. Ende der 1950er Jahre entstanden Pichlers erste plastische Arbeiten, anschließend entwickelte er utopische Architekturmodelle zu Stadtplanungen und Bauten. 1963 veröffentlichte er, im Zuge einer gemeinsamen Ausstellung mit Hans Hollein in der Galerie nächst St. Stephan in Wien, sein legendäres Manifest "Architektur". Seine architektonischen Objekte und Environments im Grenzbereich von Skulptur und Design spiegeln in ihrer Konzeption gesellschaftliche Szenarien wider. In der Produktion seiner Werke suchte er immer wieder innovative Wege, entnahm Anleihen aus der Auto- und Raumfahrtindustrie und setzte neuartige Materialien wie Kunststoffe, Aluminium oder pneumatische Elemente ein. Die meisten seiner Objekte sind zur Benützung gedacht, wobei der menschliche Körper als Parameter der Gestaltung fungiert. Walter Pichlers Formfindungen fanden hohe Resonanz in Architektur und Kunst. Beispielsweise schuf er mit den "Prototypen" (1966/67) oder dem "Fingerspanner" (1967) bahnbrechende Werke, die den menschlichen Körper prothesenhaft erweitern. Walter Pichlers Hang zum Gesamtkunstwerk manifestiert sich in seinem erweiterten Atelier in St. Martin, das er 1972 zum Schauplatz erklärte. Einerseits präsentiert sich die Anlage als eine Art "Akropolis" der Skulptur mit "Laboratoriumscharakter", wo er den größten Teil seiner Plastik aufbewahrt. Andererseits setzt er hier seine gemeinsam mit Hans Hollein und Raimund Abraham begonnene architektonische Grundlagenforschung fort. Für die Präsentation seiner Skulpturen entwirft Pichler - neben Adaptionen bestehender Gebäude - eigene Baukörper, die Innen- und Außenraum in Beziehung setzen, wobei Skulptur und Architektur ein temporäres, in sich geschlossenes Referenzsystem bilden. Eigens für die MAK-Ausstellung entwickelt Walter Pichler eine Zusammenschau, die in einem dichten Szenario die figurative Plastik, entstanden in St. Martin seit den 1970er Jahren bis heute, in den Mittelpunkt stellt. Essentielle skulpturale Arbeiten wie die beiden Torsi "Rumpf" (1982) und "Kleiner Rumpf" (1993) oder die "Bewegliche Figur (1984), seine erste menschliche Proportionen imitierende Ganzfigur, werden durch Modelle und Zeichnungen in ineinandergreifenden und symmetrisch angelegten Präsentationsfeldern ergänzt. Beleuchtet wird die menschliche Figur als Fragment und als Gesamtkomposition, als Modell, mit Kleidung, in den Haltungen stehend, sitzend und liegend, oder als Zeichen einer Freundschaft wie die Skulptur "Zusammengesetzte Figur (Kopf von Dieter Roth)" (1999). Hier erschließt sich das Moment (auto)biografischer, oft psychologisierender Referenz, das generell in Pichlers Werk einfließt, wie etwa auch in der umfassenden Werkgruppe von Skulpturenbetten (1971-2011). Gleichzeitig den Anfang und das Ende der Ausstellung markiert das Skulpturenensemble "Schwebender Stab" (1997) und "Drei Stäbe" (1998), das auf ein aktuelles, sich in Planung befindliches Architekturprojekt (Fertigstellung 2011) verweist, eine in die Landschaft integrierte, unterirdisch angelegte Kunstkammer. In seiner Arbeit als Bildhauer und Architekt bleibt Walter Pichler bis heute minimalistischen Gestaltungskriterien treu. Die Objekte sind axial und streng frontal aufgebaut, wobei einzelne Elemente archaische Formen aufgreifen. Pichler behandelt die Skulptur als kultisches Objekt, eingebettet in ein flexibles Rezeptionssystem. Der Aufbau des Ateliers in St. Martin hatte nicht nur maßgeblichen Einfluss auf Pichlers ausgewählte Materialikonografie, wie die Verwendung von gefundenen Hölzern, Lehm, Stein oder Knochen, oder das enge Zusammenspiel von Produktion und Präsentation. Einzigartig ist auch die Art und Weise, wie Pichler die Skulptur in seiner Kunstanlage kontextualisiert und seit Jahrzehnten etappenweise, jeweils im Rahmen öffentlicher Ausstellungen, in neue allegorische Zusammenhänge stellt. Walter Pichler wurde 1936 in Deutschnofen, Südtirol geboren. Er lebt und arbeitet in Wien sowie in St. Martin (Burgenland), wo er 1972 ein ehemaliges Gehöft erwarb. Mit dem MAK verbindet Pichler eine kontinuierliche künstlerische Auseinandersetzung. So gestaltete er 1990 das "Tor in den Garten" als künstlerische Intervention, die den Ausstellungstrakt des Museums mit dem Außenraum verbindet, und entwickelte die Präsentation "Walter Pichler. Skulptur". In der MAK-Sammlung ist Pichler mit zahlreichen Arbeiten - Modellen, Skizzen, Zeichnungen, Objekten und Fotografien - vertreten. Mit "Walter Pichler. Skulpturen, Modelle, Zeichnungen" finalisiert das MAK die Ausstellungsreihe "Künstler im Fokus", die seit 2006 Positionen aus der MAK-Sammlung Gegenwartskunst an der Schnittstelle von bildender Kunst, Architektur, angewandter Kunst und Design vorstellt. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Realisierung notwendiger Ankäufe durch Sponsoren, Mäzene und Förderer zur Ergänzung wesentlicher Teile der Sammlung. |
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Informationen: http://MAK.at | ||
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