Bilanz zu den 6. Kommunalen Sommergesprächen
Bad Aussee (gemeindebund) - Von 27. bis zum 29. Juli fanden zum mittlerweile sechsten Mal die "Kommunalen
Sommergespräche" des Österreichischen Gemeindebundes und der Kommunalkredit Austria in Bad Aussee
statt. Unter dem Titel "Zukunft der Gemeinde - Gemeinde der Zukunft. Bürgerengagement als Erfolgsfaktor"
referierten Prof. Dr. Horst W. Opaschowski (Zukunftsforscher und Autor), Mag. Alois Steinbichler (Vorstandsvorsitzender
der Kommunalkredit Austria) und Prof. Dr. Rudolf Taschner (Wissenschafter und math-space-Gründer). Zudem diskutierten
in einer engagierten Runde Bundesministerin Mag. Dr. Maria Fekter, Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner, Landeshauptfrau
Mag. Gabi Burgstaller, Dr. Veit Sorger (IV-Präsident) und Martha Schultz (WKO-Vizepräsidentin) mit den
rund 280 Teilnehmern/innen. Akademien, Foren und andere Arbeitskreise boten Möglichkeit zum Dialog im "kommunalen
Alpbach" und haben zu intensiven Diskussionen, neuen Ideen und innovativen Lösungsansätzen beigetragen.
Finanzierbarkeit öffentlicher Leistungen
Im Vorfeld der Tagung wurde das renommierte Meinungsforschungsinstitut OGM mit einer Bevölkerungs-
und Bürgermeister-Umfrage beauftragt. "Zum Teil haben wir in den letzten Jahren jeweils die gleichen
Fragen gestellt, um etwaige Veränderungen in den Haltungen der Bürgermeister/innen und der Bevölkerung
zu dokumentieren", berichtet Gemeindebund-Chef Bgm. Helmut Mödlhammer. "So ist etwa klar erkennbar,
dass es bei der Frage, ob die öffentlichen Leistungen der Gemeinden in Zukunft weiterhin in diesem Ausmaß
finanzierbar sind, klare Tendenzen gibt, die sich im Lauf der Jahre verändert haben. Aktuell halten 72 Prozent
der Bürgermeister/innen und 47 Prozent der Bevölkerung diese Leistungen künftig nicht mehr in gleichem
Ausmaß für finanzierbar wie bisher." Nur 24 Prozent (Bürgermeister) bzw. 35 Prozent (Bevölkerung)
glauben, dass es künftig öffentliche Leistungen im gleichen Ausmaß wie b! isher geben kann.
"Es besteht nach wie vor kein Problem in der Finanzierbarkeit der kommunalen Erfordernisse. Die Kommunen genießen
attraktive Kreditkonditionen, jedoch ist die Frage der langfristigen Bedienbarkeit der Verbindlichkeiten zu stellen",
so Kommunalkredit-Vorstandsvorsitzender Mag. Alois Steinbichler. "Ein sich abzeichnendes strukturelles Defizit
aus Einnahmen und Ausgaben ist längerfristig nicht vertretbar. Die Kommunalkredit verfolgt daher projektmäßig
strukturierte Lösungen, wodurch die Finanzierungsbasis für die öffentliche Infrastruktur verbreitert
und verbessert werden kann. Gerade im Bereich der Pflege und bei der Umstellung auf energieeffiziente Beleuchtungsinfrastruktur
gibt es bereits erfolgreich realisierte Projekte."
Einigkeit bei Bürgermeistern und Bevölkerung: Keine neuen Schulden
Eine deutlich beobachtbare Entwicklung ist auch bei der Frage "Sollen weitere Schulden zur Aufrechterhaltung
der öffentlichen Leistungen aufgenommen werden?" erkennbar. Bei der Umfrage 2011 sprechen sich 85 Prozent
der Bürgermeister/innen und 83 Prozent der Bürger/innen gegen die Neuaufnahme von Schulden aus. "Diese
Haltung hat sich in den letzten Jahren noch deutlich verstärkt", resümiert Mödlhammer. "Die
Menschen haben zunehmend kein Verständnis dafür, dass man dauerhaft mehr Geld ausgibt, als man einnimmt."
Differenzierter stellt sich das Meinungsbild dar, wenn man danach fragt, welche Lösungsvarianten es gibt,
um öffentliche Leistungen künftig bereitzustellen. "Interessant ist, dass die Möglichkeit,
dass die Menschen Leistungen in Eigenverantwortung erbringen, indem sie sich organisieren, die größte
Präferenz hat", so Mödlhammer. 72 Prozent der Bürgermeister/innen und 66 Prozent der Bevölkerung
halten dies für einen gangbaren Weg. Auch die Auslagerung dieser Leistungen an private Unternehmen zu marktgerechten
Preisen erhält mehrheitlich noch Zustimmung in beiden befragten Gruppen. Die Kürzung der angebotenen
Leistungen lehnen sowohl die Bürgermeister/innen (53 %) als auch die Bevölkerung (51 %) eher ab. Eine
naturgemäß große Diskrepanz zwischen Bürgermeistern und Bevölkerung gibt es bei der
Option "Die Leistungen bleiben gleich, die Kosten dafür erhöhen sich aber". ! Dieser Variante
können immerhin 52 Prozent der Bürgermeister etwas abgewinnen, aber nur 17 Prozent der Bevölkerung.
Bürger/innen sind bereit zur Übernahme von Eigenverantwortung
Zum Teil unterschiedliche Meinungen gibt es auch bei der Frage, welche Aufgaben die Bürger/innen künftig
selbst übernehmen könnten. "Hier stellt sich u. a. heraus, dass die Kinderbetreuung für Unter-3-Jährige
bzw. auch die Nachmittagsbetreuung von Pflichtschülern Themenfelder sind, bei denen für viele Menschen
die Gesellschaft bzw. die Gemeinde nicht die Hauptverantwortung tragen sollten." Weitere Bereiche, in denen
die stärkere Übernahme von Verantwortung angestrebt wird, sind das Vereinswesen, Kultureinrichtungen,
aber auch die Ortsbildpflege.
Bürokratie und Haftungsfragen hemmen die Eigenverantwortung
Freilich sind die Probleme bei der eigenverantwortlichen Übernahme von Aufgaben latent. "Bürokratie
und Haftungsfragen werden als Hauptgründe genannt, warum Menschen manche Dinge nicht gemeinschaftlich in eigener
Initiative erledigen", sagt Mödlhammer. "Das deckt sich auch mit unserer Wahrnehmung. Die Menschen
wären in vielen Bereichen bereit, sich zu engagieren, oft wird es ihnen aber durch bürokratische Hindernisse
extrem schwer gemacht." Bürgerengagement generell wird übrigens mehrheitlich auch als Mittel zur
Stärkung der Identität gesehen. "Dementsprechend ist auch eine große Mehrheit bereit, zumindest
zwei Stunden wöchentlich für gemeinschaftliche Aufgaben aufzuwenden", so Mödlhammer.
Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Sommergespräche und der OGM-Befragung:
- Die Zeit des Schuldenmachens ist endgültig vorbei: Sowohl Bürgermeister/innen, als auch die Bevölkerung
sind sich darüber einig, dass keine neuen Schulden gemacht werden sollen, um künftig öffentliche
Leistungen zu finanzieren. Folgerichtig haben sich die Gemeinden im Stabilitätspakt auch dazu verpflichtet,
bundesländerweise ausgeglichen zu wirtschaften. Der erwartbare Anstieg der Zinsbelastungen sowie die Abflachung
der Einnahmensteigerungen stellen die Gemeinden dabei vor gewaltige Herausforderungen.
- Schluss mit der Gratis-Mentalität: Nicht alle Leistungen müssen künftig gratis sein. Die Menschen
haben großes Verständnis dafür, dass die öffentliche Hand nicht alles zum Nulltarif anbieten
kann. Eine soziale Staffelung bei Förderungen und Tarifen ist generell anzustreben.
- Mut zur Kostenwahrheit: Den Menschen ist die Wahrheit darüber, wieviel welche Leistungen der Gemeinde
kosten, durchaus zumutbar. Die Gemeinden haben die Aufgabe, die Kostenwahrheit zum obersten Prinzip ihres Handelns
zu machen.
- Eigenverantwortung belohnen, statt Engagement zu behindern: Eines der wichtigsten Ergebnisse der OGM-Umfrage
ist, dass die Menschen in hohem Ausmaß bereit dazu sind, eigenverantwortlich zu handeln. Bürokratische
Regeln und Versicherungsfragen sind hier die größten Hemmnisse. Um den steigenden Pflegebedarf zu decken
ist es erforderlich, dass bedürftige Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden gepflegt
und betreut werden.
- Bonus-System für Freiwilligenarbeit: Außer gelegentlicher Anerkennung haben viele Freiwillige derzeit
oft keine Vorteile aus ihrem Engagement. Deshalb wird es auch zunehmend schwieriger Führungspositionen im
Freiwilligenbereich zu besetzen. Ein Feuerwehrkommandant oder ein Vereinsobmann wendet viele Stunden pro Woche
für diese Arbeit auf. Hier sind Bonus-Systeme, vor allem für Führungsfunktionen, anzudenken.
Auch für die Gemeinden selbst zieht Gemeindebund-Chef Mödlhammer einige sehr konkrete Schlussfolgerungen:
- Die Gemeinden werden den Gürtel auch weiterhin enger schnallen müssen: Jede Ausgabe ist sehr konkret
zu hinterfragen. In vielen Bereichen müssen privatwirtschaftliche Mechanismen eingesetzt werden. Vor allem
in der Budgetkontrolle und in der Wirtschaftsberatung sind bei Bedarf externe Experten hinzuzuziehen.
- Investitionen auch auf Folgekosten überprüfen: Bei einer Investition müssen Berechnung und Berücksichtigung
allfälliger Folgekosten Bestandteil der Planung sein.
- Zusammenarbeit unter den Gemeinden stärken: Fast alle Gemeinden sind schon Teil mehrerer Gemeindeverbände.
Potential zur weiteren Zusammenarbeit gibt es vor allem noch in den Bereichen der Buchhaltung, der Lohnverrechnung
und der Bauverwaltung. Nachdem nicht jede Gemeinde über Detail-Know-How in heiklen juristischen Fragen verfügt,
sollten Gemeinden gemeinsam auf spezialisierte Juristen zugreifen können.
Auch in der Infrastruktur gibt es noch Potential. Gemeinsame Kindergärten, aber auch gemeinsame Pflichtschulen
sind weiter zu forcieren. In vielen Regionen betreiben schon jetzt Gemeinden gemeinsam solche Einrichtungen, mit
großem Erfolg. Auch gemeinsame Beschaffungssysteme sind künftig auszubauen.
Resümee: "Die Diskussionen im Rahmen der Kommunalen Sommergespräche haben gezeigt: Die Leistungsfähigkeit
unserer Kommunen und das bestehende Serviceniveau befinden sich auf einem sehr hohen Level. Die Verschuldungsgrenzen
der öffentlichen Haushalte, aber auch zusätzlicher Bedarf aus der prognostizierten demografischen Entwicklung
(das Verhältnis der Über-60-Jährigen zu den 15-59-Jährigen wird sich 2050 von derzeit 34 %
auf 69 % erhöhen) stellen wichtige Herausforderungen dar. Die Finanzierung öffentlicher Infrastruktur
wird daher nicht allein über budgetäre Mittel möglich sein, sondern auf verbreiterter Basis insbesondere
über projektorientierte Lösungsansätze erfolgen", so Steinbichler.
Die Kommunalen Sommergespräche 2012 finden vom 25. bis 27. Juli 2012 in Bad Aussee statt.
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