ARGE Missbrauch präsentiert Statistik für die Jahre 2009 und 2010
Innsbruck (lk) - Die Anzahl der bei der Tiroler Jugendwohlfahrt eingegangenen Fälle von sexuellem
Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Tirol ist rückläufig. Dieses Ergebnis aus den Jahren 2009 und
2010 präsentierte die Arbeitsgemeinschaft Missbrauch.
Der Jugendwohlfahrt wurden 2010 insgesamt 72 Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen
bekannt: 2009 belief sich diese Zahl auf 105. Infolge einer nicht immer stichhaltigen Beweislage oder anderweitiger
Schutzmaßnahmen wurde nicht in allen Fällen Anzeige erstattet. Betroffen waren jedenfalls wesentlich
mehr Mädchen als Buben. Gestiegen ist die Anzahl der Opfer im Alter von drei Jahren und jünger: 2010
waren zehn Kinder, 2009 sogar elf Kinder unter drei Jahren von sexuellem Missbrauch betroffen.
Die Kinderschutz GmbH des Landes Tirol ist die Tiroler Facheinrichtung für sexuelle Gewalt an Kindern und
Jugendlichen. Für den zuständigen LR Gerhard Reheis besitzen Hilfe und Schutz für die Opfer höchste
Bedeutung: „Diese Kinder und Jugendlichen können sich mit ihren Vertrauenspersonen an das Kinderschutzzentrum
mit seinen vier Beratungsstellen in Innsbruck, Wörgl, Imst und Lienz wenden, wo man ihnen mit Beratung und
Therapie bis hin zur Prozessbegleitung zur Seite steht.“ Außerdem wiederholte Reheis die Forderung, die Verjährung
für diese Delikte aufzuheben, „um Täter auch dann zur Rechenschaft ziehen zu können, wenn die Opfer
nach jahrelangem Schweigen zu sprechen beginnen“.
Die Sicherheitsdirektion für Tirol verzeichnete im Vorjahr 24 Fälle, die polizeiliche Ermittlungen wegen
Missbrauches an Unmündigen zum Gegenstand hatten – eine Anzeige weniger als 2009. Beim als eigene Kategorie
geführten „schweren sexuellen Missbrauch“, also im Falle eines Beischlafes oder einer damit gleichzusetzenden
Handlung, sind bei der Polizei im Vorjahr 28 Anzeigen eingegangen: Dieser Zuwachs resultiert auch aus bereits länger
zurückliegenden Ereignissen im Rahmen der Aufarbeitung der Übergriffe in Tiroler Heimen im Zeitraum von
1940 bis 1990.
Die Statistik der Staatsanwaltschaft Innsbruck ergibt 2009 insgesamt 58 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs an
Unmündigen, 2010 wurden 43 solche Anzeigen erstattet.
Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser appellierte nicht nur an die Medien, im Sinne der Opfer und
eines entsprechenden öffentlichen Bewusstseins eine sensible Sprache abseits von „Sexspielen oder Sexopa“
zu wählen. Für Edelbert Kohler von der Sicherheitsdirektion geht es vor allem darum, „jenen das Handwerk
zu legen, die sich an Kindern vergreifen“. Und Staatsanwältin Erika Wander sieht durch die neue Strafprozessordnung
den Opferschutz noch besser gewährleistet. LR Reheis dankte der ARGE Missbrauch für ihre professionelle
übergreifende Zusammenarbeit und ihr engagiertes Eintreten: „Wenn wir die Leiden der Opfer vor Augen haben,
müssen wir hinschauen und uns einmischen!“
ARGE Missbrauch
Die Arbeitsgemeinschaft Missbrauch besteht seit 1997 und wurde vom damaligen Leiter der Landesabteilung Jugendwohlfahrt
Manfred Weber ins Leben gerufen. Die Gruppe trifft sich auf Einladung der Kinder- und Jugendanwaltschaft zweimal
pro Jahr, um sich im Sinne eines umfassenden Opferschutzes auszutauschen, Missstände zu besprechen und Verbesserungen
anzuregen.
Ziel ist es unter anderem, zusätzliche Beeinträchtigungen der Opfer von sexuellem Missbrauch durch unsachliche
Medienberichterstattung möglichst einzudämmen. Dafür wurde nach Rücksprache mit den Tiroler
Medien vereinbart, dass die aktuellen Zahlen zum sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in einer jährlichen
Pressekonferenz präsentiert werden. Außerdem einigte man sich dahingehend, dass bei allfälliger
Berichterstattung keinesfalls Rückschlüsse auf Wohnort und Identität der Opfer möglich sein
sollten.
Mitglieder der ARGE Missbrauch: Silvia Rass-Schell (Landesabteilung Jugendwohlfahrt), Erika Wander (Staatsanwaltschaft
Innsbruck), Edelbert Kohler (Sicherheitsdirektion Tirol), Karin Hüttemann (Tiroler Kinderschutz GmbH) und
Elisabeth Harasser (Kinder- und Jugendanwaltschaft). |