Erstmals seit zwei Jahren Stagnation für Österreichs Industrie
Wien (ba) - Die Nachfrage nach österreichischen Industrieerzeugnissen hat sich in den vergangenen
Wochen weiter vermindert. „Infolge einer rückläufigen Auftragsentwicklung haben die heimischen Industriebetriebe
die Produktion im August weiter zurückgefahren. Während im Sektor noch neue Jobs entstehen, zeigt sich
am Lageraufbau, bei den Lieferzeitentrends und nicht zuletzt am verlangsamten Kostenauftrieb, die deutliche Abkühlung
der Industriekonjunktur“, meint Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Der zweijährige Höhenflug
der heimischen Industrie ist zu Ende. „Der Bank Austria EinkaufsManagerIndex ist im August auf 50,1 Punkte gesunken.
Damit ist der niedrigste Wert seit August 2009 erreicht“, so Bruckbauer weiter. Der Indikator befindet sich damit
bereits seit sechs Monaten in einem Abwärtstrend und hat nun mit knapp 50 Punkten das Stagnationsniveau erreicht.
„Zum zweiten Mal in Folge hat Österreichs Industrie im August die Produktion eingeschränkt. Der Rückgang
des Teilindex auf 48,3 Punkte zeigt, dass sich das Tempo bei der Zurücknahme der Produktion gegenüber
dem Vormonat sogar noch erhöht hat“, so Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Dagegen hat sich die Verringerung
der Neuaufträge im August stabilisiert. Allerdings steht mittlerweile bereits den dritten Monat in Folge ein
Minus in den Auftragsbüchern. Dies ist sowohl auf die rückläufigen Ordereingänge aus dem In-
als auch aus dem Ausland zurückzuführen. Die Auftragsbestände in den österreichischen Industriebetrieben
sind aufgrund des fehlenden Nachfragenachschubs im August daher gesunken.
Infolge der fehlenden Nachfrage haben die heimischen Industriebetriebe im August ihre Einkaufsmenge weiter reduziert.
Auch in der Entwicklung der Lagerbestände zeigt sich der Mangel an Neuaufträgen sowie die wieder zunehmende
Vorsicht der Unternehmen. Die Vorräte in den Vormateriallagern bewegen sich um die Neutralitätslinie,
wobei der Investitionsgütersektor sogar rückläufige Bestände meldet. Die Bestände an Fertigwaren
stapelten sich dagegen aufgrund der schwächeren Nachfrage im August bereits den sechsen Monat in Folge und
zudem so schnell, wie überhaupt erst einmal seit Beginn der Umfrage im Jahr 1998. „Trotz des spürbaren
Nachfragerückgangs wird in der heimischen Industrie derzeit noch Beschäftigung aufgebaut. Das Tempo des
Jobaufbaus lässt allerdings mittlerweile schon deutlich nach und wird angesichts der ungünstigen Vorgaben
schon bald zum Erliegen kommen“, so Pudschedl.
„Positive Begleiterscheinung der eingesetzten Industrieabkühlung ist eine spürbare Entlastung der heimischen
Industriebetriebe durch eine deutliche Verlangsamung der Einkaufspreisdynamik. Viele Vormaterialien, wie zum Beispiel
einige Metalle und Erdölprodukte waren zum Teil sogar günstiger als im Vormonat“, mein Bruckbauer. Der
Anstieg der Einkaufspreise verringert sich bereits seit einem halben Jahr stetig und ist mittlerweile sogar auf
einen Wert unter dem langjährigen Durchschnitt gesunken. Allerdings stiegen auch die Verkaufspreise im August
nur sehr moderat. Der Spielraum für Preiserhöhungen war durch den scharfen Wettbewerb bei verschlechterten
Nachfragebedingungen eingeschränkt. Insgesamt hat sich nach Einschätzung der Ökonomen der Bank Austria
der Kostenauftrieb für die heimischen Industrieunternehmen durch die Preistrends im August spürbar verlangsamt.
Der aktuelle Bank Austria EinkaufsManagerIndex zeigt mit seinem Rückgang knapp an die Neutralitätslinie
von 50 Punkten, dass die österreichische Industrie zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2011 nicht mehr
expandiert. Zudem macht die anhaltend rückläufige Auftragsentwicklung sowie das sich weiter verschlechternde
Verhältnis zwischen Auftrags- und Lagertrends, das bisher stets ein verlässlicher Indikator für
die kurzfristige zukünftige Entwicklung war, deutlich, dass in den kommenden Monaten mit keiner Trendwende
des Abwärtstrends zu rechnen ist. „Nach dem durchschnittlichen Anstieg der Industrieproduktion im ersten Halbjahr
2011 um knapp über 10 Prozent im Jahresvergleich erwarten wir trotz des ruhigen Verlaufs in den kommenden
Monaten noch ein Industriewachstum von 8 Prozent im Gesamtjahr. Angesichts der sehr kräftigen Industriekonjunktur
des ersten Halbjahres, die sich auch in einem BIP-Ansteig von 4 Prozent niedergeschlagen hat, haben wir unsere
Wachstumsprognose für das Gesamtjahr 2011 von 3,1 auf 3,3 Prozent angehoben“, so Bruckbauer.
Die Wachstumserwartungen für das kommende Jahr haben sich nach Ansicht der Ökonomen der Bank Austria
in den vergangenen Wochen jedoch weiter eingetrübt. „Für 2012 gehen wir nur noch von einem Anstieg des
BIP in Österreich um 1,4 Prozent aus. Das bisherige Agieren bei der Lösung der Verschuldungsproblematik
hat nun dazu geführt, dass der zeitliche Spielraum für die Budgetkonsolidierung in fast allen Ländern
deutlich kleiner geworden ist. Damit sind auch stärkere negative Folgen für das Wachstum zu erwarten,
dazu kommt noch die generelle Verunsicherung der Investoren und Konsumenten“, erklärt Bruckbauer die Anpassung
der BIP-Prognose der Bank Austria für das kommende Jahr, die bislang bei 1,8 Prozent lag. |