Neues Licht auf den Alltag der römischen Gladiatoren wirft eine sensationelle Entdeckung
des LBI ArchPro, die durch den Einsatz von speziell entwickelten Bodenradargeräten möglich wurde.
Wien (archpro) - Ein weiterer Erfolg des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion
und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro): nach der Entdeckung eines "Woodhenge" nahe des berühmten
Steinkreises von Stonehenge und dem Fund von Wikinger-Siedlungen in Skandinavien, gelang nun die Sichtbarmachung
der Überreste einer römischen Gladiatorenschule in Carnuntum bei Wien.
Die jahrtausendelange Besiedelung hinterließ Spuren im Boden, die mit Hilfe modernster Meßtechnik am
Computerbildschirm sichtbar gemacht werden kann. Das internationale Teams des LBI ArchPro, bestehend aus Archäologen,
Geophysikern und Computerexperten, entwickelte Geräte, die höchst effizient zur Auffindung archäologischer
Überreste eingesetzt werden und Bilder des Untergrunds bis in mehrerer Meter Bodentiefe in erstaunlicher Präzision
liefern können.
Ein neues motorisiertes Multikanal-Bodenradargerät wurde nun auch in einem verdächtigen Bereich in Carnuntum
in enger Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik
in Einsatz gebracht. Dabei ist in der größten archäologischen Landschaft Österreichs eine
sensationelle Entdeckung westlich des Amphitheaters in Petronell geglückt.
Das Amphitheater wurde in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts außerhalb der Zivilstadt von Carnuntum
erbaut. Es nahm bis zu 13.000 Zuschauer auf und wurde in römischer Zeit intensiv für Gladiatorenspiele
genützt. Über das Umfeld des Amphitheaters gaben bisher nur Luftbilder nähere Hinweise. Entlang
der Ostseite der römischen Straße, die aus der antiken Stadt zur Arena führte, konnten einige Gebäude
dokumentiert werden, die entlang der Straße Verkaufsräume und Tavernen aufgewiesen haben dürften.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte bisher jedoch keine entsprechende Bebauung nachgewiesen
werden. Erste Hinweise aus Luftbildern deuteten auf ein größeres freistehendes Gebäude westlich
des Amphitheaters hin, welche nun mit Bodenradarmessungen überprüft wurden. In wenigen Stunden Meßeinsatz
wurden nun die Reste einer in ihrer Vollständigkeit und Größe international einzigartigen Gladiatorenschule
entdeckt.
Die Gladiatorenschule (lat. ludus) von Carnuntum, ein abgeschlossener Gebäudekomplex mit einem Ausmaß
von 2800 m2, liegt in einer 11.000 m2 umfassenden, mit einer Mauer umgebenen Parzelle. Die Gebäudeteile sind
um einen großen Innenhof angelegt, in dem die Radarmessungen eine kreisrunde Trainingsarena mit einem Durchmesser
von 19 m mit hölzernen Zuschauertribünen aufgedeckt haben. In den detailreichen Radarbildern lassen sich
deutlich die Fundamente einer 100 m2 großen beheizbaren Trainingshalle, einer ausgedehnten Badeanlage, des
300 m2 umfassenden Verwaltungstrakts bzw. des Wohnbereichs des Besitzers der Gladiatorenschule und die durchschnittlich
5 m2 großen Wohnzellen der Gladiatoren erkennen.
Aber auch die notwendige Infrastruktur wie Wasserleitungen, Fußbodenheizungen und Abwasserkanäle sowie
Zugangswege zum Amphitheater, Portale oder die Fundamente von Memorials sind deutlich in den hochauflösenden
Radardaten erkennbar. Die Archäologen vermuten direkt hinter der Gladiatorenschule auch das zugehörige
Gräberfeld mit einzelnen großen Grabmonumenten, steinernen Sarkophagen und verschiedenen einfacheren
Grablegungen gefunden zu haben.
An Deutlichkeit der erfassten Baustrukturen ist Carnuntum derzeit nur mit der größten Gladiatorenschule,
dem ludus magnus neben dem Kolosseum in Rom zu vergleichen. In seiner Vollständigkeit und Dimension ist dieser
sensationelle archäologische Befund anhand modernster, zerstörungsfreier Methoden derzeit weltweit einzigartig
und wurde als virtuelles Modell rekonstruiert ohne in den Boden einzugreifen. |