Aus der Geschichte lernen in Gedenkstätten: Vom 15. bis 17. September
2011 findet an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eine Tagung zu aktuellen Konzepten
der Gedenkstättenpädagogik statt.
Wien (öaw) - Bereits wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs begannen die europäischen
Länder Gedenkstätten einzurichten. Jahrzehntelang waren sie nahezu ausschließlich Orte der Erinnerung
für ehemalige Häftlinge. Der Rest der Gesellschaft gab sich dem Mythos hin, selbst Opfer des Nationalsozialismus
gewesen zu sein. Mit den 1980er Jahren begann die bewusste Aufarbeitung der Rolle, die die einzelnen europäischen
Länder im Nationalsozialismus gespielt haben. Die Funktion der Gedenkstätten veränderte sich, sie
wurden zu Orten, die Wissen über den Nationalsozialismus und seine Verbrechen vermittelten.
"Alles Böse, das in einer modernen Gesellschaft möglich ist"
In den letzten Jahren hat sich ein weiterer Wandel vollzogen. Die Erfahrungsgeneration als Träger
gelebter Erinnerung verschwindet. Das Wissen über die Verbrechen des Nationalsozialismus ist kollektives Wissen
geworden. Die Orte der Erinnerung bekamen eine globale Bedeutung. „Der Holocaust wurde zur Metapher für alles
Böse, das in einer modernen Gesellschaft möglich ist“, sagt Heidemarie Uhl, Historikerin am ÖAW-Institut
für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte und Leiterin des Projekts „Mauthausen Seminar. Geschichte ausstellen
/ darstellen in KZ-Gedenkstätten“ im Rahmen des BM.W_F/Förderprogramm „forMuse Forschung an Museen“ (www.formuse.at).
Aufgrund dieser Veränderungen sind die Gedenkstätten zu zentralen Orten eines neuen Lernens aus der Geschichte
geworden.
Neue Herausforderungen für die Gedenkstättenpädagogik
Mit der neuen Bedeutung, die den historischen Orten der NS-Verfolgungs- und Vernichtungspolitik zukommt, hat die
Gedenkstättenpädagogik als zentrale Vermittlungsagentur an Relevanz gewonnen, ist aber auch mit neuen
Herausforderungen konfrontiert. Was soll nun konkret an diesen Orten aus der Geschichte für die Gegenwart
gelernt werden? Wie soll es gelernt werden? Welcher Gegenwartsbezug soll hergestellt werden? Diese Fragen stehen
im Mittelpunkt der Tagung „Diesseits und jenseits des Holocaust. Aus der Geschichte lernen in KZ-Gedenkstätten“,
die vom 15. bis 17. September 2011 an der ÖAW, Theatersaal, Sonnenfelsgasse 19, 1010 Wien stattfindet und
von Heidemarie Uhl sowie Matthias Kopp und Adalbert Wagner vom Verein „Gedenkdienst“ organisiert wird.
Verschiedene Konzepte der Geschichtsvermittlung im Blickfeld
In den vergangenen Jahren haben sich verschiedene Annäherungsweisen an die Geschichtsvermittlung entwickelt.
“Neben der Frage, wie der Holocaust in einem fortschrittlichen, industrialisierten Staat wie Deutschland geschehen
konnte, etablierten sich Ansätze, die den Holocaust in der Geschichte von Genoziden oder der Verletzung von
Menschenrechten verorten“, erklärt Uhl, die gemeinsam mit Thomas Lutz von der Stiftung „Topographie des Terrors“,
Berlin und Bertrand Perz vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien auch die Konzeption der
Tagung übernommen hat.
Ziel der Tagung ist es, die unterschiedlichen Konzepte, die den Horizont gegenwärtiger Geschichtsvermittlung
in KZ-Gedenkstätten bilden, zu reflektieren und auf ihre Möglichkeiten und Grenzen hin zu befragen. „Es
geht nicht darum, einen ‚Königsweg‘ zu identifizieren, sondern darum, die unterschiedlichen Konzepte – sowohl
in der Wissenschaft als auch in der Praxis der Gedenkstättenarbeit – in Beziehung zueinander zu setzen und
so einen Raum für gemeinsame Diskussion und Reflexion zu eröffnen“, betont Uhl. |