Wien (tu) - In einem großen europäischen Gemeinschaftsprojekt wurde untersucht, in welchem Ausmaß
radioaktive Partikel nach dem Reaktorunfall in Fukushima nach Europa gelangten. Auch das Atominstitut der Technischen
Universität (TU) Wien lieferte dafür Daten.
Es waren aufregende Tage im März und April, als am Kernkraftwerk in Fukushima radioaktives Material freigesetzt
wurde – auch für die Nuklearforschung. Viele wissenschaftliche Einrichtungen untersuchten die Luft damals
besonders genau nach radioaktiven Stoffen, zu ihnen zählt auch das Atominstitut der TU Wien. In einem internationalen
Großprojekt wurden nun Messdaten aus ganz Europa miteinander in Verbindung gebracht, sodass sich nun die
Ausbreitung radioaktiver Stoffe aus Fukushima genau rekonstruieren lässt. Gefahr für die Bevölkerung
hat in Europa zu keiner Zeit bestanden, besagt die Studie.
Wege der Radioaktivität nachgezeichnet
„Bemerkenswert ist, dass sich die radioaktiven Partikel nicht gleichmäßig verteilten, sondern
eine deutlich erkennbare Bahn von Nordwesten nach Zentraleuropa zurücklegten“, sagt Georg Steinhauser, Strahlenphysiker
an der TU Wien. Trotz des weiten Weges, den die Luftmassen aus Japan bereits zurückgelegt hatten, blieben
die Partikel selbst in Europa noch einigermaßen gebündelt beisammen. Das ist für die Meteorologie
genauso interessant wie für die Nuklearforschung. Mit modernen meteorologischen Computeranalysen lassen sich
die gemessenen Luftbewegungen gut erklären. Österreich wurde von dem radioaktiven Teilchenstrom gerade
gestreift – in Südosteuropa waren die Konzentrationen sehr gering, nördlich von Österreich hingegen
war mehr Radioaktivität zu messen.
Harmlos - verglichen mit Tschernobyl
„Insgesamt war die Belastung sehr gering“, betont Steinhauser. Die gemessene Strahlung war zehntausend bis hunderttausend
Mal schwächer als nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl. Das ist liegt einerseits an der großen
Entfernung zwischen Österreich und Japan, andererseits auch daran, dass in Fukushima doch viel weniger radioaktives
Material in die Luft gelangte als in Tschernobyl. Die wichtigsten radioaktiven Isotope, die bei solchen Unfällen
in die Luft gelangen sind Cäsium-134, Cäsium-137 und Jod-131. „Nach diesen drei Isotopen wurde sofort
in ganz Europa gesucht – das gehört zum täglichen Handwerk in der Nuklearphysik“, erklärt Georg
Steinhauser.
Vorbildliche internationale Zusammenarbeit
Für Steinhauser ist die Studie ein vorbildliches Modell, wie internationale Zusammenarbeit in der Wissenschaft
funktionieren sollte: „Natürlich hätte auch jede europäische Messstation ihre eigenen Daten irgendwo
veröffentlichen können – dann wäre es aber sehr schwer geworden, sich ein einheitliches, übersichtliches
Bild der Fukushima-Folgen zu machen“, meint der Wiener Forscher. Stattdessen legten die europäischen Messstationen
diesmal jedes Konkurrenzdenken ab und vereinigten – koordiniert von Olivier Masson aus Cardarache, Frankreich
– ihre Messergebnisse in einem großen Datenpool. „Ich würde mir wünschen, dass es in der Wissenschaft
immer so fair und effizient zugeht – ganz ohne unnötige Ellenbogentechnik“, findet Steinhauser. |