Uni Graz auf den Spuren der ErbInnen
Graz (universität) - Bücher lassen oft Rückschlüsse auf ihre EigentümerInnen
zu – durch Stempel, Namenseintragungen oder Widmungen. Auf eine systematische Spurensuche dieser Art begeben sich
mit Anfang des Wintersemesters 2011/2012 die WissenschafterInnen Dr. Markus Lenhart und Dr. Birgit Scholz an der
Universitätsbibliothek Graz (UB): Sie sollen herausfinden, wie viele Bücher vor und während des
Zweiten Weltkriegs geraubt und auf verbotenem Weg in den Bestand der Bibliothek gekommen sind. „Es ist mir ein
großes Anliegen, dass die Provenienzforschung auch für die UB Graz endlich auf den Weg gebracht wird.
Ziel ist vor allem, den rechtmäßigen ErbInnen die Bücher zurückzugeben, die für sie von
großem persönlichen Wert sein könnten“, umschreibt Univ.-Prof. Dr. Irmtraud Fischer, Vizerektorin
für Forschung und Weiterbildung an der Uni Graz, das von ihr intensiv unterstützte Projekt. Es fußt
auf den Forschungsergebnissen von Dr. Katharina Bergmann-Pfleger, die in ihrer Dissertation „Geschichte der Universitätsbibliothek
Graz 1938 – 45“ im Jahr 2010 wichtige Vorarbeit leistete.
Nach dem Anschluss 1938 gelangten große Mengen von beschlagnahmten Publikationen aus dem Eigentum der jüdischen
Bevölkerung Österreichs, aber auch von politisch verfolgten Personen, in die eigens dafür gegründete
Bücherverwertungsstelle in Wien. Von dort wurden sie an verschiedene Institutionen weiter verteilt. Auch in
den anderen von den NationalsozialistInnen besetzten Gebieten Europas kam es zu Plünderungen von Buchhandlungen
und Bibliotheken sowie privaten und öffentlichen Archiven. „Während des Krieges kamen die Bücher
in den Bestand der UB, wurden aber aufgrund von akutem Arbeitskräftemangel erst viel später inventarisiert,
sodass die Herkunft der Werke nur schwer rückverfolgt werden kann“, erklärt Ao.Univ.-Prof. Dr. Erich
Renhart, Leiter der Abteilung für Sondersammlungen der UB. „Wie viele Bücher verdächtiger Herkunft
sich derzeit in unserer Bibliothek befinden, ist daher noch völlig unklar“, so der Wissenschafter. „Umso wichtiger
ist es deshalb, endlich mit der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Geschichte zu beginnen.“ Das Forschungsprojekt
ist auf zwei Jahre anberaumt, danach wird eine erste Zwischenbilanz erwartet.
Die Provenienzforschung – das ist die Untersuchung der Herkunft von Kulturgegenständen – wird in Österreich
seit den 1990ern betrieben. Vor allem in der Malerei zog das Thema weite Kreise: Erst im April 2011 restituierte
das Land Salzburg Gustav Klimts Landschaftsgemälde „Litzlberg am Attersee“ an den rechtmäßigen
Eigentümer. Die Novelle des Kunstrückgabegesetzes im Jahr 2009 schloss in dem gesetzlichen Rückgabeauftrag
auch Bibliotheken ein. Seitdem wurden an vielen österreichischen Universitäten, etwa in Wien, Salzburg
und Klagenfurt, Projekte zur Provenienzforschung gestartet. |