Perugino – Raffaels Meister   

erstellt am
15. 09. 11

von 13.10.2011-15.01.2012 in der der Alten Pinakothek München
München (pinakothek) - Als Höhepunkt und Abschluss der Feierlichkeiten zum 175-jährigen Jubiläum der Alten Pinakothek widmen die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Pietro Perugino, einem der erfolgreichsten Maler der italienischen Renaissance, die erste Ausstellung außerhalb Italiens. Sie versammelt über 30 Werke aller Schaffensphasen des Meisters, vor allem aber aus der Glanzzeit seiner Karriere im späten 15. Jahrhundert. Anlass und Mittelpunkt der Schau ist das um 1490 vollendete Altarbild mit der »Vision des heiligen Bernhard«, das Ludwig I. von Bayern, der Gründervater der Alten Pinakothek, 1829 erwerben konnte.

Zeitgenossen feierten den heute vielfach unterschätzten Pietro Perugino (um 1450-1523) als den besten Maler seiner Generation. Auch fern von Florenz und Perugia, den Zentren seiner Tätigkeit, umwarben ihn namhafte Auftraggeber: Päpste, Kardinäle, Herzöge und vermögende Geschäftsleute zählten zu seiner Klientel. Als geschickter Werkstattleiter bewältigte er insbesondere eine erstaunliche Vielzahl städtischer und kirchlicher Großprojekte in Umbrien und der Toskana. Die klassische Harmonie und kontemplative Atmosphäre seiner Kunst bediente nicht nur eine ästhetische wie religiöse Sehnsucht seiner Zeit, sondern bereitete auch den Weg für die Malerei der Hochrenaissance. Im 19. Jahrhundert fand sie erneut zahlreiche Liebhaber. Die jüngere Kunstgeschichte hat den Versuch gemacht, Perugino aus dem übermächtigen Schatten seines berühmten Schülers Raffael zu befreien. Trotzdem sind die humanistischen und auch die hohen technischen Qualitäten seiner innovativen und einfühlsamen Schöpfungen noch immer wiederzuentdecken.

Neben den kostbaren Gemälden und Zeichnungen Peruginos und seiner Werkstatt zeigt die Ausstellung zudem einzelne verwandte Schöpfungen seiner Künstlerkollegen und Zeugnisse der intensiven Rezeption seiner Kunst. Zahlreiche der großen Gemäldesammlungen und Zeichnungskabinette Europas und der USA unterstützen die Ausstellung mit bedeutenden Leihgaben; dazu zählen u. a. die Uffizien und die Galleria Palatina in Florenz, die Galleria Nazionale in Perugia, die Vatikanischen Museen, der Louvre, das Metropolitan Museum New York, die National Gallery in London und in Washington, das Stockholmer Nationalmuseum und die Eremitage in St. Petersburg.

Die Ausstellung wird von der Ernst von Siemens Kunststiftung gefördert.

Pietro Vannucci, genannt Perugino, wurde um 1450 in Perugia oder Città della Pieve in Umbrien geboren; vermutlich in Perugia absolvierte er seine ersten Lehrjahre. Wesentlich prägten ihn dann aber die Erfahrungen, die er in der Kunstmetropole Florenz, im Kreis um den Maler und Bildhauer Andrea del Verrocchio, sammeln konnte.

Herausragende Beispiele seines frühen eigenständigen Wirkens eröffnen die Schau, darunter mit der 1473 vollendeten Tafel aus dem Bernhardinszyklus eines der populärsten Werke der Galleria Nazionale in Perugia. 1480 wurden Perugino und drei seiner Florentiner Kollegen für die Ausmalung der Sixtinischen Kapelle verpflichtet. Mit diesem prestigeträchtigen Auftrag von Papst Sixtus IV. etablierte sich der umbrische Meister unter den führenden Malern seiner Zeit und wählte wenige Jahre danach Florenz als Sitz seiner Werkstatt. Hier, wie auch in Perugia, wo er ebenfalls präsent blieb, vollendete er in den folgenden zwei Jahrzehnten zahlreiche großformatige Altarbilder, Freskendekorationen, private Andachtsbilder und Porträts.

Das ursprünglich für eine Familienkapelle in der Florentiner Zisterzienserkirche Santa Maria Maddalena di Cestello bestimmte Münchner Altarbild mit der Darstellung der Marienvision des heiligen Bernhard markiert den Beginn seines reifen Schaffens. Es steht im Zentrum des ersten Teils der Ausstellung und besticht durch ein bis dahin in der italienischen Malerei nahezu unerreichtes Zusammenspiel von Figur, Architektur und Landschaft. Beispielhaft führt es vor Augen, wie sensibel und innovativ der Maler die Tradition der florentinischen und mittelitalienischen Malerei des 15. Jahrhunderts fortentwickelte. Meditative Stimmung und ruhige Ausgewogenheit im Aufbau und Kolorit bestimmen seine Kompositionen. Das von humanistischen Idealen und religiöser Neuorientierung geleitete ästhetische und spirituelle Potential seiner Kunst vermochte Perugino ohne Unterschied bei großen Altären wie bei kleinen Andachtsbildern zur Geltung zu bringen.

Die Ausstellung versammelt eine reiche Auswahl religiöser Bilder für den privaten Raum; dabei stehen mit Leihgaben u. a. aus Stockholm, St. Petersburg, London, Florenz und Frankfurt Themen wie der heilige Sebastian, Christus als Schmerzensmann und selbstverständlich die Madonna mit Kind im Vordergrund. Mit einem kostbaren Kabinettbild aus dem Louvre, das Apoll und den Hirten Daphnis in einer arkadischen Landschaft zeigt, ist auch eines der ganz raren Zeugnisse von Perugino als Maler mythologischer Themen in München zu Gast. Vermutlich entstand dieses um 1490 für Lorenzo den Prächtigen, das Oberhaupt der Florenz regierenden Bankiersfamilie de’ Medici.

Mehrere, ansonsten in die Welt verstreute Bestandteile des S. Pietro-Polyptychons, eines der größten Altarbildprojekte, das Perugino 1495 in seiner Heimatstadt vollendete, leiten über in den zweiten Teil der Ausstellung. Hier stellen die Marienbilder, denen beispielsweise eine frühe Madonnenzeichnung Raffaels gegenüberstehen wird, einen weiteren Höhepunkt der Präsentation dar. Außerdem ist Peruginos herausragende Porträtkunst mit ihren wichtigsten Beispielen vertreten, darunter aus den Uffizien das berühmte Bildnis des Francesco delle Opere von 1494. In diesem Werk stellte der Meister besonders eindrucksvoll unter Beweis, wie glücklich er die von den Zeitgenossen bewunderten Errungenschaften der niederländischen Malerei in seine Kunst zu übernehmen verstand.

Peruginos durch ein weiteres Altarbild vertretenes Spätwerk und Werke seiner Nachfolge dokumentieren abschließend insbesondere auch die effiziente Arbeitsorganisation des Meisters – eine seiner wesentlichen, geschäftstüchtigen Eigenschaften, die den maßgeblichen Kunsthistoriographen des 16. Jahrhunderts, Giorgio Vasari, dazu veranlassten, Peruginos Nachruhm zu ruinieren. Erst im 19. Jahrhundert fand der Maler wieder die ihm gebührende Beachtung, dann jedoch vor allem als Lehrer Raffaels. Auch die Münchner Ankäufe von Werken Peruginos für Ludwig I. waren maßgeblich durch die tiefe Raffael-Verehrung der Zeit motiviert. Die Ausstellung schließt mit einem Ausblick auf die intensive Auseinandersetzung mit dem Leben und der Kunst des umbrischen Meisters im 19. Jahrhundert und zeigt dazu sowohl Beispiele der deutschen Romantik als u. a. auch eine Zeichnung von Edgar Degas.

Begleitend zur Ausstellung erscheint im Hatje Cantz Verlag ein umfassender, reich bebilderter Katalogband, der die zentralen Themen der Ausstellung in sechs einleitenden Essays vorstellt und alle ausgestellten Werke bespricht. Ausgewiesene Experten nehmen dabei das Gesamtwerk Peruginos in den Blick, stellen seine Karriere und deren »fortuna critica« dar, analysieren seine Landschafts- und Architekturdarstellungen, diskutieren Raffaels Verhältnis zu seinem »Lehrer« und die Perugino-Rezeption des 19. Jahrhunderts.

Kurator: Andreas Schumacher
     
Informationen: http://www.pinakothek.de    
     
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