EU-Agrarministerrat: Lebensmittelversorgung geht vor Biomassenutzung   

erstellt am
22. 09. 11

Positionen zu Bedürftigenhilfe weiter gespalten
Wien (bmlfuw/aiz) - Breiter Konsens herrschte am dieswöchigen EU-Agrarministerrat zum Thema künftige Biomassenutzung. Die Minister einigten sich darauf, dass Biomasse aus der Landwirtschaft in keinem Fall in Konkurrenz zur Erzeugung von Lebensmitteln stehen darf. Zudem setzten Delegationen aus vier Mitgliedstaaten eine Initiative für verbesserte Maßnahmen zur Stützung des europäischen Obst- und Gemüsesektors.

Unversöhnlich standen sich die Meinungen zur Bedürftigenhilfe gegenüber. In einer öffentlich übertragenen Aussprache und scharfen Worten auf einer Pressekonferenz sollte Druck auf die sechs EU-Mitgliedstaaten ausgeübt werden, die die Bedürftigenhilfe ablehnen. Nach der Auseinandersetzung standen sich die unterschiedlichen Ansichten so unversöhnlich gegenüber wie zuvor.

Nachhaltige Energieträger
Trotzdem Biomasse aus der Landwirtschaft zum Klimaschutz beiträgt, muss eine ausreichend und effektive Lebensmittelversorgung gesichert sein. Für einen ausgewogenen Umgang mit Biomasse sprachen sich die EU-Agrarminister während ihres zweiten größeren Diskussionspunkts auf der Tagesordnung aus. Deshalb kämen nur Abfälle und Nebenprodukte für die Erzeugung von Biomasse in Frage, betonte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) unterstütze bisher schon die Energiegewinnung durch Biomasse und werde dies in der geplanten Reform fortführen. Zudem soll die Forschung und Innovation ausgebaut werden. Ziel sei es, die vorhandenen Ressourcen in der EU besser auszunutzen. Importe an Energie und Biomasse könnten möglicherweise dadurch ersetzt werden, erklärte der Kommissar. Die Kommission arbeite zurzeit an Kriterien für positive Treibhausgasbilanzen für Biomasse. EU-Ratspräsident Marek Sawicki berichtete, alle Minister seien sich einig, dass eine übertriebene Nutzung der Biomasse dem Klima mehr schade als nutze.

Verbesserte Marktmaßnahmen für den Obst- und Gemüsesektor
Delegationen aus Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland informierten die Minister über mögliche neue Maßnahmen zur Stützung des europäischen Obst- und Gemüsesektors. Einige Mitgliedstaaten unterstützen die Initiative, die neue Krisenmanagement-Instrumente, eine verbesserte Markttransparenz und Produktionsorganisation sowie effektivere Einkaufspreis-Mechanismen fordert.

Die Kommission erklärte, dass Elemente dieses Vorschlags bereits in der Vergangenheit berücksichtigt wurden. Dazu wurde der Obst- und Gemüsesektor in einem Vorschlag der Kommission über Förderung und Kommunikation mit einem bestimmten Budget berücksichtigt. Ein Bericht über diesen Sektor soll 2012 vorgelegt werden. Auf der Grundlage der Schlussfolgerungen dieses Berichts will die Kommission konkrete Maßnahmen im Rahmen der GAP-Reform für die Branche vorschlagen. Darüber hinaus verkündete die Kommission kürzlich ihre Absicht, das Maximum an Unterstützung für die Rücknahme von Pfirsichen zu erhöhen.

Copa-Cogeca, die EU- Landwirte- und Genossenschaftsverbände, begrüßen die von den vier Ländern ergriffene Initiative. Denn laut Copa-Präsident Gerd Sonnleitner reichen die EU-Regeln, die im Rahmen der GAP auf Obst und Gemüse zur Anwendung kommen, nicht aus, um den Krisen gerecht zu werden, denen sich die europäischen Erzeuger und Genossenschaften gegenübersehen. Paolo Bruni, Cogeca-Präsident, fordert nachdrücklich eine europäische Marktbeobachtungsstelle und Maßnahmen gegen Überproduktion.

Bedürftigenhilfe
Aufgrund der verhärteten Fronten bei der Armenhilfe will sich der französische Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire, ein entschiedener Befürworter, nun möglichst rasch mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium zusammensetzen, um doch noch zu einer Lösung zu kommen. Ciolos warnte davor, dass ohne Zustimmung des Agrarrates in den Jahren 2012 und 2013 die bereitgestellten Gelder von jeweils EUR 500 Mio. nicht ausgegeben werden können. 18 Mio. Bedürftige in der EU seien vom möglichen Wegfall der Lebensmittellieferungen betroffen. Die Maßnahme werde inzwischen von 20 EU-Mitgliedstaaten angeboten und habe seit 25 Jahren gut funktioniert, lobte der Kommissar Ciolos und hielt den Gegnern vor, sie versteckten sich hinter juristischen Spitzfindigkeiten. Im Grunde hätten sie ein weniger soziales Europa zu verantworten.

Vor allem das Vereinigte Königreich und Deutschland konterten im Rat, für sie stelle sich nicht die Frage, ob Armen geholfen werden sollte. Nur sei die Hilfe weder Aufgabe des EU-Agrarhaushalts noch der EU insgesamt. Sozialpolitik sei nach dem EU-Vertrag eine nationale Angelegenheit der EU-Mitgliedstaaten und dies solle auch so bleiben, beharrten die Vertreter von Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Schweden, Tschechien, Dänemark und den Niederlanden. Robert Kloos, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, betonte auf dem Rat am Montag in Brüssel seine Ablehnung. "Wir weigern uns, dass ein Programm mit Mitteln aus der Agrarpolitik finanziert wird, das nichts mit Agrarpolitik zu tun hat", erklärte Kloos.

Neue Voraussetzungen
Die Bedürftigenhilfe wurde in der Zeit von Agrarüberschüssen geschaffen, als Interventionsbestände noch an Arme verteilt wurden. Inzwischen gibt es kaum noch Interventionsbestände, weshalb die Politik auf eine neue Grundlage gestellt werden muss. Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten argumentiert allerdings, dass die Lebensmittelhilfen aus dem Agrarhaushalt nicht nur den Armen helfen, sondern auch das Image der GAP in der Öffentlichkeit aufbessere. Als möglicher Ausweg wird nun über eine Kostenteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der EU diskutiert. Die EU-Kommission schlägt einen Kofinanzierungssatz von 25% in der alten EU-15 vor und von 10% in den osteuropäischen Ländern. Doch gegen eine Kostenbeteiligung wendeten sich in der Aussprache bereits mehrere betroffene Minister. Um aus der Sackgasse herauszukommen, überlegt Polen nun, die Bedürftigenhilfe auf dem kommenden EU-Gipfel auf die Tagesordnung zu setzen.
     
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