Brüssel (ex.europa) - Jedes Jahr werden Hunderttausende neuer Titel auf dem europäischen Buchmarkt
veröffentlicht, von denen nur wenige zu Bestsellern werden. Eine relativ große Anzahl ist früher
oder später vergriffen, denn die Verlage können die Marketing- und Lagerkosten für Bücher,
die sich nicht mehr gut verkaufen, nicht tragen. Immer mehr Bücher werden zwar als E-Books und durch „Druck
auf Bestellung“ wieder zugänglich gemacht, in den Sammlungen und Archiven der europäischen Bibliotheken
sind jedoch noch zahlreiche weitere vergriffene Titel vorhanden.
Diese Situation wird sich bald ändern. Michel Barnier, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen,
führte heute den Vorsitz bei der Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung, in der Bibliotheken,
Verlage, Autoren und ihre Verwertungsgesellschaften zentrale Grundsätze vereinbaren, aufgrund deren europäische
Bibliotheken und ähnliche kulturelle Einrichtungen nun vergriffene Bücher und Fachzeitschriften ihrer
Sammlungen digitalisieren und im Internet bereitstellen können. Durch diese Grundsätze werden freiwillige
Lizenzvereinbarungen gefördert und unterstützt; das Urheberrecht wird jedoch in vollem Umfang anerkannt,
und es ist festgelegt, dass die Rechteinhaber immer als Erste die Möglichkeit haben sollten, ein vergriffenes
Werk zu digitalisieren und zugänglich zu machen. Die Vereinbarung ist ein wichtiger Aspekt der Bemühungen
der Branche und der Kommission, dem hohen Digitalisierungsbedarf der kulturellen Einrichtungen der EU gerecht zu
werden.
Hierzu Kommissar Barnier: „Mit der heute unterzeichneten Absichtserklärung haben die Beteiligten einen wichtigen
Schritt hin zu konkreten und gangbaren Lösungen getan, mit denen europäische digitale Bibliotheken gefördert
werden und der Zugang zu unserem reichen Kulturerbe gewährleistet wird. Dies ist nach meiner Sicht ein klares
Zeichen dafür, dass man durch Dialog und Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse einer Branche
die urheberrechtlichen Probleme des digitalen Zeitalters lösen kann.“
Die Unterzeichner erklärten sich ebenfalls zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Gespräche.
Dazu Dr. Pirjo Hiidenmaa, Präsident des Europäischen Schriftstellerkongresses:
„In der Absichtserklärung wird die zentrale Rolle der Autoren anerkannt, ihre Bücher kommen erneut in
Umlauf, und die Leser können die Bücher lesen, so oft sie wollen.“
Gerald Leitner, Präsident der europäischen Dachorganisation der nationalen Bibliotheks-, Informations-,
und Dokumentationsverbände (EBLIDA), ergänzte: „Die Bibliotheksverbände begrüßen das
positive Ergebnis des Branchendialogs über vergriffene Werke. Wir hoffen, dass diesem ersten Schritt im Hinblick
auf effiziente Verfahren für eine gemeinsame Verwaltung von Urheberrechten Initiativen in anderen Bereichen
folgen werden.“
Fergal Tobin, Präsident des Europäischen Verlegerverbandes (FEP), erklärte: „Die europäischen
Verleger begrüßen diese branchenspezifischen Grundsätze, die klare Leitlinien für die Vereinbarung
nationaler Digitalisierungsprojekte vorgeben und es den Verlegern gleichzeitig ermöglichen, mittels innovativer
Lösungen eine immer größere Zahl von Veröffentlichungen auf Dauer zur Verfügung zu stellen.“
Magdalena Vinent, Präsidentin des internationalen Verbands der Verwertungsgesellschaften für Vervielfältigungsrechte
(IFRRO), fügte hinzu: „Die Absichtserklärung ist ein bahnbrechender Erfolg. So etwas ist möglich,
wenn alle Beteiligten konstruktiv zusammenarbeiten. Die Mitglieder von IFRRO und „European Visual Artists“ sind
in der kollektiven Rechtewahrnehmung erfahren und möchten einen Beitrag dazu leisten, das kulturelle Erbe
in Europa allgemein zugänglich zu machen – ein wichtiges Ziel.“
Hintergrund
Mit der gemeinsamen Absichtserklärung kommt der achtmonatige Branchendialog, bei dem die Kommission als Vermittlerin
tätig war, zu einem erfolgreichen Abschluss. Die europäischen Autoren, Verlage, Bibliotheken und Verwertungsgesellschaften
haben seit November 2010 an der heute vereinbarten Lösung gearbeitet, die sowohl die Interessen der Autoren
und des Verlagssektors als auch die Anliegen der Bibliotheken und der Massendigitalisierungsprojekte berücksichtigt.
Die Verwertungsgesellschaften, die die Inhaber von Rechten an Büchern und Fachzeitschriften vertreten, werden
bei der konkreten Umsetzung der Absichtserklärung eine große Rolle spielen. Letztere dürfte die
Aushandlung und den Erwerb von Lizenzen wesentlich erleichtern, die Bibliotheken und ähnliche kulturelle Einrichtungen
zur Digitalisierung eines Großteils ihrer Archive (der vergriffenen Bücher und Fachzeitschriften in
ihren Sammlungen) sowie dessen Bereitstellung im Internet benötigen. |