Vom Recht jedes Menschen auf Schutz seiner persönlichen Würde   

erstellt am
20. 09. 11

Wann beginnt das menschliche Leben: Theologie und Biologie im Dialog
Wien (pk) - "Wie kann die Würde jedes einzelnen Menschen in jeder Situation seines Lebens geschützt werden?" – Dieser Frage stellten sich die Teilnehmer der Veranstaltung "Schutz der Menschenwürde in Österreich" am 20.09. im Parlament. Eingeladen hatte der Zweite Präsident des Nationalrats, Fritz Neugebauer, gemeinsam mit dem Präsidenten des Katholischen Laienrates Österreichs, Wolfgang Rank. Der Moraltheologe Matthias Beck (Universität Wien) und der Vorstand des Instituts für medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien, Markus Hengstschläger, hielten die Vorträge. VfGh-Vizepräsidentin Brigitte Bierlein moderierte die Diskussion.

Hintergrund der bereits zweiten Veranstaltung dieser Art im Hohen Haus (siehe PK-Meldung Nr. 271 vom 20.4.2010) war die Diskussion über Ethik und Forschung, die derzeit auf europäischer Ebene geführt wird. Der rechtliche Schutz der Menschenwürde braucht – so der einhellige Tenor der Teilnehmer - eine breite und fundierte philosophische Auseinandersetzung über die Grundlagen der Menschenwürde und ethische Erwägungen über den Beginn und das Ende des Lebens.

Präsident Neugebauer begrüßte ein prominentes Publikum mit zahlreichen Mandataren und sprach von einem ebenso aktuellen wie polarisierenden Thema, über das die im April des Vorjahres gestartete Diskussion im Parlament, aber nicht nur in Ausschüssen und im Plenum, sondern in einer breiteren Öffentlichkeit fortgesetzt werden soll.

Der Präsident des Laienrates, Wolfgang Rank, zitierte einleitend einen Philosophen, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass der Begriff "Menschenwürde" in unterschiedlichen Kontexten eine enorme Klangfülle entfalte und begründete damit die Notwendigkeit, die juristische und politische Diskussion über Gefahren für die Achtung der Menschenwürde und deren Schutz philosophisch und theologisch zu untermauern. Neue wissenschaftliche Möglichkeiten, Rank nannte beispielhaft das Klonen von Menschen und noch darüber hinausgehende Möglichkeiten. Für die Zukunft schlug Rank vor, in diese Veranstaltungsreihe auch den Schutz der Menschenwürde in der Erziehung, für ältere Menschen, im Strafvollzug oder für MigrantInnen einzubeziehen.

Der Moraltheologe Matthias Beck (Universität Wien) bekannte sich nachdrücklich dazu, Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften in die Diskussion über die Menschenwürde und ihren Schutz komplementär einzubeziehen. Dies sei auch deshalb notwendig, weil Naturwissenschafler und Geisteswissenschaftler unterschiedliche Terminologien verwenden, die gemeinsame Diskussionen erschwerten. Beck gab in seinem Vortrag einen Überblick über die Entwicklung der "Menschenwürde", der erst seit dem Judentum und Christentum als eine gleiche und unveräußerliche Eigenschaft jedes einzelnen Menschen gilt. Immanuel Kant habe dann die Autonomie des einzelnen Menschen postuliert, zugleich aber für jede Ethik den Grundsätze festgehalten, dass sie für alle Menschen universalisierbar sein müsse. Die unveräußerliche Würde jedes einzelnen Mensch resultiere aus seiner Einzigartigkeit und Unersetzbarkeit, was Beck am Beispiel des Verlustes von Eltern, Geschwister und Partner erläuterte. Jeder Mensch verdiene Achtung um seiner selbst willen, was jede Verzweckung eines Menschen oder der Menschheit insgesamt ausschließe. Beck problematisierte den Handel mit menschlichen Organen und bekannte sich nachdrücklich zu dem von der EU übernommenen Satz aus dem deutschen Grundgesetz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar", ein Satz, der in Deutschland auch mit Stimmeneinhelligkeit nicht verändert werden darf. Beck wies Versuche mancher Wissenschafter, Föten die Menschenwürde abzusprechen und hielt fest, dass Embryonen Menschenwürde zukommt. In Österreich sei der Beginn des Lebens gesetzlich nicht definiert, klagte der Wissenschafter, problematisierte die Pränataldiagnostik und erteilte aus philosophisch-theologischer Sicht auch der Euthanasie eine Absage.

Der Vorstand des Instituts für medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien, Markus Hengstschläger, betonte die Komplexität der Thematik und bekundete vorweg, dass er sich als Biologe außerstande sehe, die Frage, wann das menschliche Leben beginne, zu beantworten. Ebenso vorweg stellte der Genetiker fest, dass die Unveräußerlichkeit der Menschenwürde in seiner Wissenschaft ausdiskutiert sei. Offen sei aber die wichtige Frage, wann der Mensch beginne, ein Mensch zu sein, und wann er aufhöre es zu sein. Diese Frage sei noch schwieriger geworden, seit die In-Vitro-Fertilisation vor dreißig Jahren die Bedingungen für die Forschung völlig verändert habe und embryonale Stammzellenforschung sowie Präimplantationsdiagnostik möglich sind. Menschenwürde komme immer nur Menschen zu, gerade die Frage aber, ab wann ein Mensch ein Mensch sei auch unter Genetikern umstritten, sagte Hengstschläger und informierte im Detail über die verschiedenen Stadien, die eine befruchtete Eizelle bis zum Embryo durchläuft. Eine Mehrheit der Biologen neige allerdings der im angelsächsischen Raum verbreiteten Auffassung zu und datieren den Beginn des embryonalen Stadiums mit der Entstehung des Nervensystems, also mit dem "Tag 14" nach der Verschmelzung von Samen- und Eizelle.
     
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