Wien (wifo) - Die relative Lohnstückkostenposition gegenüber den Handelspartnern ist ein wichtiger
Indikator für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Sachgütererzeugung. Nach dem konjunkturbedingten
Anstieg im Zuge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise verringerten sich die Lohnstückkosten 2010 gegenüber
2009 in Österreich wieder (-5,5%). Damit verbesserte sich die relative Lohnstückkostenposition gegenüber
allen Handelspartnern (-0,7%). Gegenüber den EU-Handelspartnern (+0,4%) und Deutschland (+2,6%) ergab sich
aber eine kleine Verschlechterung.
Lohnstückkosten sind eine wichtige Determinante für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft.
Die Gegenüberstellung von Produktivität und Lohnkosten bildet indirekt auch qualitative Wettbewerbsfaktoren
wie etwa die Innovationsfähigkeit ab. In den letzten Jahren war die relative Lohnstückkostenposition
Österreichs gegenüber den Handelspartnern aber weniger durch Strukturfaktoren (z. B. Spezialisierungsmuster
und Innovationsfähigkeit), sondern vor allem durch den Konjunktureinbruch infolge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise
bestimmt. Darunter litt insbesondere die Produktivität (2009 -10,1% gegenüber dem Vorjahr), weil die
Unternehmen in der Sachgütererzeugung ihren Personalstand nicht vollständig an den Absatzrückgang
anpassten. Im Zuge der Konjunkturerholung nahm die Produktivität 2010 wieder deutlich zu, und die Lohnstückkosten
sanken.
In Österreich waren die Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung 2010 um 5,5% niedriger als im Vorjahr.
In Deutschland und den EU-Handelspartnern verlief die Entwicklung ähnlich. Allein in Griechenland (+11,4%),
Kanada (+19,1%), Norwegen (+8,2%), den USA (+0,8%), Großbritannien (+3,9%) und Japan (+1,1%) stiegen die
Lohnstückkosten 2010. Den höchsten Rückgang verzeichneten Estland (-18,5%), Irland (-14,1%), Lettland
(-12,7%) und Luxemburg (-11,0%). Für Österreich ergab sich 2010 insgesamt eine Verbesserung der relativen
Lohnstückkostenposition gegenüber allen Handelspartnern um 0,7%, während sich die Position gegenüber
den EU-Handelspartnern (+0,4%) und Deutschland (+2,6%) leicht verschlechterte.
Aufgrund der unterschiedlichen Lohnentwicklung und wirtschaftspolitischer Maßnahmen gibt der kurzfristige
Verlauf der Lohnstückkosten allerdings nur wenig Anhaltspunkte für die Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit.
Langfristige Vergleiche sind aussagekräftiger. Im Zeitraum 2005 bis 2010 verbesserte sich die österreichische
Lohnstückkostenposition, weil die Produktivität schneller stieg als die Arbeitskosten. Die Lohnstückkosten
nahmen in der österreichischen Sachgütererzeugung jährlich um 0,5% zu, während Deutschland
(+1,6%) und die EU-Handelspartner (+1,2%) höhere Steigerungsraten aufwiesen. Die Wettbewerbsfähigkeit
der österreichischen Sachgütererzeugung verbesserte sich dadurch beträchtlich. Die relativen Lohnstückkosten
sanken im Zeitraum 2005/2010 sowohl gegenüber den EU-Handelspartnern (durchschnittlich jährlich -0,8%)
als auch gegenüber Deutschland merklich (-1,1%).
Anhand der Lohnstückkosten kann auch die langfristige Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften
des Euro-Raumes nachgezeichnet werden. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede: Zwischen 2000 und 2010 gingen die
Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung in Irland und Finnland zurück, in Deutschland, Österreich,
den Niederlanden, Frankreich und Belgien war ein mäßiger Anstieg zu verzeichnen. Hingegen stiegen die
Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal deutlich. Diese
Entwicklung brachte eine drastische Verschiebung der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Euro-Ländern mit
sich. In einem gemeinsamen Währungsraum fällt der Ausgleichsmechanismus über die Änderung der
Wechselkurse weg. Die unterschiedliche Entwicklung der Lohnstückkosten kann daher nicht durch Wechselkursanpassungen
ausgeglichen werden, sondern muss über relative Produktivitätssteigerungen oder Lohnanpassungen kompensiert
werden. Die Verschiebung der Wettbewerbsfähigkeit erzeugt Wachstums- und Leistungsbilanzungleichgewichte,
welche nicht nur negative Wirkungen auf die Konjunktur haben, sondern auch die Währungsunion als solche destabilisieren
können. |