Aktivierung des Gallensäurerezeptors FXR senkt Plasma-Lp(a)-Konzentration
Graz (med-uni) - Einer der größten Risikofaktoren für Koronare
Herzerkrankung und Schlaganfall sind erhöhte Werte von Lipoprotein(a) im Blut. Das Problem dabei ist, dass
Lp(a) durch Diäten und die derzeit zur Verfügung stehenden Medikamente kaum beeinflusst werden kann.
Die Entwicklung neuer Arzneien scheiterte bisher vor allem daran, dass sehr wenig über den Lp(a)-Stoffwechsel
bekannt war. Wissenschaftler der Med Uni Graz haben nun entdeckt, dass der Gallensäurerezeptor FXR eine zentrale
Rolle in der Regulation des Lp(a)- Spiegels spielt. Damit eröffnet sich möglicherweise ein ganz neuer
Therapieansatz zur Behandlung von Patienten mit erhöhten Lp(a)-Werten.
Lipoproteine sind Komplexe aus Eiweißen und Fetten, die als Transportvehikel für wasserunlösliche
Substanzen im Blut dienen. Eine dieser Substanzen ist Cholesterin. Erhöhte Cholesterinwerte gelten als ein
ernstzunehmender Risikofaktor für Atherosklerose und Koronare Herzkrankheit. Dabei muss allerdings zwischen
den verschieden Transportformen von Cholesterin unterschieden werden: Die bekanntesten Lipoproteine sind LDL (Low
Density Lipoprotein), das vom Körper selbst gebildetes Cholesterin von der Leber zu den verschiedenen Geweben
transportiert (= "gefährliches Cholesterin"), und HDL (High Density Lipoprotein), das überschüssiges
Cholesterin aus den Geweben - zum Beispiel aus den Wänden von Blutgefäßen - zurück zur Leber
zu transportiert (= "gutes Cholesterin"). Lp(a) ist ein Lipoprotein, das vom Aufbau her große Ähnlichkeiten
mit LDL aufweist. Auch wenn über seine Funktion noch wenig bekannt ist, ist seine Gefährlichkeit unbestritten:
In zahlreichen großangelegten epidemiologischen Studien erwiesen sich erhöhte Lp(a)-Konzentrationen
als der signifikanteste Risikofaktor für Koronare Herzerkrankungen.
Derzeit gibt es zwar einige Medikamente, mit denen Lp(a) gesenkt werden kann, dies jedoch entweder nur in geringem
Maße oder verbunden mit ernsten Nebenwirkungen. Voraussetzung für die Entwicklung neuer Arzneimittel
wäre eine genauere Kenntnis der Funktion und des Stoffwechsels von Lp(a). "Erschwert wird die Forschung
dadurch, dass Lp(a) nur beim Menschen und einigen Affenarten vorkommt, nicht jedoch in den üblichen Versuchstieren
wie Maus, Ratte oder Kaninchen", erklärt Univ.-Prof. Dr. Gerhard Kostner, Institut für Molekularbiologie
und Biochemie, Med Uni Graz. Zusammen mit seinem Kollegen Univ.-Prof. Mag. Dr. Sasa Frank und einer Forschergruppe
in Innsbruck (Univ.-Prof. Dr. Gerd Utermann und Hans Dieplinger) beschäftigt er sich seit Jahren mit der Erforschung
dieses Lipoproteins und trägt damit zum Ruf Österreichs als eine Hochburg der Lp(a)-Forschung bei.
Ausgangspunkt der nun veröffentlichten Studie war die Beobachtung, dass Patienten, die auf Grund eines Gallengangsverschlusses
erhöhte Gallensäurekonzentrationen im Blut haben, sehr niedrige Lp(a)-Werte aufweisen. Sobald der Verschluss
operativ beseitigt wird, steigt Lp(a) wieder an. Gallensäuren spielen eine wichtige Rolle bei der Fettverdauung,
sind in höherer Konzentration jedoch toxisch. Ihre Neusynthese wird daher im Körper sehr streng reguliert.
Eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielt der Gallensäurerezeptor FXR. Um zu entschlüsseln, auf welche
Weise FXR die Lp(a)-Bildung hemmt, wurde nun im Rahmen des PhD-Programms "Molekulare Medizin" der Med
Uni Graz (Dekanin Univ.-Prof. Dr. Andrea Olschewski) eine Dissertation ausgeschrieben. Als bestgeeignete der internationalen
BewerberInnen wurde die indische PhD-Studentin Indumathi Chennamsetty ausgewählt. Nach 3-jähriger intensiver
Arbeit gelang es ihr tatsächlich, die molekularen Zusammenhänge der Lp(a)-Hemmung aufzuklären. Wichtiges
Hilfsmittel dabei war ein transgenes Mausmodell aus den USA, das in seiner Leber menschliches Lp(a) herstellt und
es dadurch ermöglichte, die Neusynthese des Eiweißanteils von Lp(a) (=APOA) zu untersuchen. Indumathi
Chennamsetty konnte zeigen, dass die Aktivierung von FXR durch natürliche oder synthetische Moleküle,
die an den Gallensäurerezeptor binden (so genannte Liganden), die Neubildung von APOA um bis zu 90% reduziert
und dadurch auch die Plasma-Lp(a)-Konzentrationen drastisch senkt. Durch diesen bisher nicht bekannten Mechanismus
eröffnet sich eine völlig neue Option zur Behandlung erhöhter Lp(a)-Werte. Besonders interessant
sind die Ergebnisse, die in einer der anerkanntesten klinischen Fachzeitschriften Amerikas, dem "Journal of
Clinical Investigation", als Open Access Artikel publiziert wurden, auch deshalb, weil es bereits synthetische
Liganden von FXR gibt, die derzeit in einigen Pharmaunternehmen zur Behandlung von Leberzellkarzinomen in Erprobung
sind. Diese Substanzen, so die Hoffnung der Wissenschaftler, könnten auch als möglicher Ausgangspunkt
für die Entwicklung von Medikamenten zur Senkung erhöhter Lp(a)-Spiegel beim Menschen dienen.
Das große Interesse, auf das die Grazer Studie in der Fachwelt stieß, wird auch durch einen Artikel
in der renommierten Zeitschrift "Nature Medicine" unterstrichen, die die Arbeit in ihrer September-Ausgabe
in der Rubrik "Research Highlights" würdigte. |