Teilchenphysiker der Technischen Universität (TU) Wien forschen an ultraheißen Materiezuständen
und visualisieren ihre Ergebnisse in einem Video, das Abläufe auf unvorstellbar kurzen Zeitskalen darstellt.
Wien (tu) - Hunderttausend mal heißer als das Zentrum der Sonne ist Quark-Gluon-Plasma - ein
Materiezustand, bei dem selbst Protonen und Neutronen in ihre Bestandteile aufgeschmolzen werden. An der TU Wien
wurden in aufwändigen Computersimulationen nun einige der Geheimnisse dieses exotischen Materiezustandes untersucht.
Die Ergebnisse lassen das Phänomen der sogenannten „Plasma-Instabilitäten“ sichtbar und sogar hörbar
werden. In Originalgeschwindigkeit abgespielt würde der Film nur einige Quadrilliionstel Sekunden dauern.
Berechnungen zu Experimenten am CERN
Sekundenbruchteile nach dem Urknall bestand das gesamte Universum aus Quark-Gluon-Plasma. Selbst für Protonen
und Neutronen war es noch zu heiß. Die Elementarteilchen, aus denen sie aufgebaut sind – Quarks und Gluonen
– konnten sich frei untereinander bewegen. Heute lässt sich dieser Materiezustand im Miniaturformat an großen
Teilchenbeschleunigern reproduzieren. Nach wie vor gibt das Quark-Gluon-Plasma der Wissenschaft große Rätsel
auf: So ist bis heute nicht genau geklärt, warum ein Quark-Gluon-Plasma gewissermaßen eine perfekte
Flüssigkeit darstellt. Seine Viskosität – ein Maß für die Zähigkeit einer Substanz –
ist niedriger als bei allen Flüssigkeiten, die wir kennen. Außerdem ist unklar, wie die Teilchen ihre
Geschwindigkeiten und Richtungen in kürzester Zeit ganz ungeordnet untereinander verteilen, auch wenn ihnen
anfangs eine bevorzugte Startrichtung vorgegeben wird.
Videoclip in Yoctosekunden-Länge
Ein Schlüssel zum Verständnis dieses exotischen Materiezustands könnten die „Plasma-Instabilitäten“
sein – spontan auftretende Ströme im Plasma: „Man kann sich das vorstellen wie elektrische Ströme – allerdings
gibt es im Quark-Gluon-Plasma gleich acht verschiedene Sorten davon“, erklärt Andreas Ipp vom Institut für
Theoretische Physik der TU Wien, der gemeinsam mit Professor Anton Rebhan und dem amerikanischen Physiker Mike
Strickland (Gettysburg) an Quark-Gluon-Plasma forscht. Ähnlich wie elektrischer Strom mit elektromagnetischen
Feldern zusammenhängt, sind die Ströme im Plasma mit Gluonen-Feldern gekoppelt. In aufwändigen Computersimulationen
konnten die TU-Forscher nun erstmals visualisieren, wie sich „gluonische“ Plasma-Instabilitäten entwickeln.
„Die Computersimulation, die wir hier bei uns am Vienna Scientific Cluster durchführen konnten, nahmen Wochen
an Rechenzeit in Anspruch – der simulierte Prozess selbst dauert nur einige Yoctosekunden“, erkärt Andreas
Ipp. Eine Yoktosekunde (10-24 Sekunden) ist ein Millionstel eines Milliardstels einer Milliardstelsekunde.
Der dumpfe Sound des Quark-Gluon-Plasmas
Die Ergebnisse der Simulation wurden zur Unterstützung der mathematischen Analysen auch als Video mit Ton
aufbereitet: Die Stärke der Gluonen-Felder sind graphisch durch Pfeile dargestellt, ihre verschiedenen Ladungen
durch Farben dargestellt, und die Wellenlängen wurden in hörbaren Ton umgewandelt. Ließe man das
Video in Originalgeschwindigkeit laufen, würde man freilich nichts hören: Frequenzen im Yoctosekunden-Bereich
lägen mindestens 71 Oktaven über dem Kammerton a‘ – und wäre daher um viele Größenordnungen
höher als alles, was wir wahrnehmen können.
Am Anfang des Videos bauen sich die Plasma-Instabilitäten auf – benachbarte Feld-Pfeile zeigen meist in dieselbe
Richtung, die langen Wellenlängen der Plasma-Instabilität sind als tiefes Brummen hörbar. Später
führen komplizierte Wechselwirkungen der Gluonen dazu, dass sich Turbulenzen ausbilden, die die Regelmäßigkeit
auflösen, wodurch die Felder an unterschiedlichen Orten in völlig unterschiedliche Richtungen zeigen
und der gleichmäßige Ton zum wirren Rauschen wird. Von der detaillierten Analyse dieser Turbulenzen
erhoffen sich die Physiker Erklärungen für die experimentellen Beobachtungen, die bei Schwerionenkollisionen
am CERN gemacht werden. |