SPÖ und ÖVP beschließen Ausschussfeststellung
Wien (pk) - Die Diskussion im EU-Ausschuss des Bundesrats am 05.10. stand ganz im Zeichen des zukünftigen
Haushaltsplans der EU. Für die Jahre 2014 bis 2020 muss ein neuer mehrjähriger Finanzrahmen erstellt
werden, der Vorschlag dazu wurde am 29. Juni 2011 von der Europäischen Kommission präsentiert. Der Finanzrahmen
hat schließlich einstimmig den Rat der EU in Form einer Verordnung zu passieren, auch das Europäische
Parlament muss der Vorlage zustimmen, um in Kraft treten zu können. Bei den Verhandlungen, die bis Ende 2012
dauern werden, steht man derzeit in der Anfangsphase.
Zu hohe Ausgaben, mangelnde Transparenz
Wie der Vorsitzende des Ausschusses, Bundesrat Georg Keuschnigg (V/T) betonte, gehe es zum jetzigen Zeitpunkt um
eine grundsätzliche politische Einschätzung des Budgetrahmens der EU, da die Details zu den einzelnen
Sektoren noch nicht fertig ausgearbeitet seien. Die auf dem Tisch liegenden Pläne der EU werden von Österreich
jedoch eher kritisch beleuchtet, betonte Keuschnigg und ergänzte, dass vor allem hinsichtlich der Transparenz
noch vieles verbesserungswürdig sei. Seitens der in den Ausschuss geladenen VertreterInnen des Bundeskanzleramts,
des Außenministeriums sowie des Finanzministeriums wurde die Feststellung des Vorsitzenden untermauert. Das
Gesamtvolumen sei um etwa 100 Mrd. € zu hoch, was angesichts der Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung in den
einzelnen Mitgliedstaaten der EU nicht akzeptabel sei. Man werde sich im Kreise der Nettozahler Verbündete
suchen müssen, es könne nicht darauf hinauslaufen, dass der Nettobeitrag Österreichs steigt, betkräftigten
sie. Dass Österreich aufgrund seines Standards und seiner Wirtschaftsleistung keinen Rabatt mehr bekommen
soll, wird dezidiert abgelehnt.
Die Behauptung der Kommission, dass es sich um eine Stabilisierung des EU-Haushalts handle, könne man nicht
erkennen, da diese Stabilität in erster Linie durch Rechentricks zustande komme, hielten die ExpertInnen fest.
Selbstverständlich sollten Schwerpunkte im Bereich von Forschung, Innovation, Bildung und Umweltschutz gelegt
werden, bei der Verwaltung in der EU gebe es jedoch noch ein großes Einsparungspotential, so der Tenor aus
den Ministerien. Demgemäß würden die vorgesehenen zukunftsorientierten Investitionen begrüßt,
negativ beurteilt wird die Intransparenz durch die geplante Auslagerung von rund 60 Mrd. € in Fonds. Man müsse
eher genau schauen, wie man die Mittel besser einsetzen kann, anstatt mehr auszugeben, so die österreichische
Position.
Erfreut zeigten sich die Ausschussmitglieder über die Initiative der Kommission zur Einführung einer
Finanztransaktionssteuer, wobei die Vertreterin des Bundeskanzleramts unterstrich, dass diese Frage weiterhin einen
vorrangigen Punkt in den Verhandlungen seitens des Bundeskanzlers darstelle. Die Kommission habe in der Vorwoche
einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der Mindeststeuersätze vorsehe. Die Einnahmen sollen laut Entwurf in
die nationalen Budgets fließen und sehe daher keinerlei Transaktionen an die EU vor. Auf die Frage der Bundesräte
Franz Perhab (V/St), Ewald Lindinger (S/O)und Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) nach der Chance auf
Umsetzung der Finanztransaktionssteuer wegen der ablehnenden Haltung Großbritanniens, meinte man seitens
des Bundeskanzleramts, es gebe insofern eine Chance, da die Mittel in die nationalen Budgets fließen sollen,
in letzter Konsequenz könnte man aber auch an das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit denken.
Ausschussfeststellung mit kritischen Anmerkungen
Die Bundesrätinnen und Bundesräte beschlossen dazu mit Mehrheit von SPÖ und ÖVP eine Ausschussfeststellung.
Darin wird gefordert, den EU-Haushalt durchgehend nach den Kriterien der Wirksamkeit und des tatsächlichen
Mehrwerts für die Mitgliedstaaten zu gestalten, wobei die Ziele der Europa 2020–Strategie die Leitlinie bilden
sollte.
Nach der Intension der Ausschussfeststellung soll die Finanztransaktionssteuer zur Entlastung der nationalen Haushalte
dienen und mithelfen, zukünftige Krisen zu vermeiden. Die BundesrätInnen sprechen sich für eine
möglichst frühe Einführung ab 2014 aus.
Die Budgetkonsolidierung soll etwa durch Effizienzsteigerungen und Bürokratieabbau fortgesetzt werden. Der
Ausschuss drängt auch auf eine Modernisierung des Personalstatuts und die Abschaffung überholter Privilegien,
tritt für die Weiterentwicklung des europäischen Sozialfonds und der Bildungsprogramme ein. Die Energieziele
seien genauso zu fördern, wie erneuerbare Energiequellen, der Ausstieg aus der Atomenergie und die Ziele des
strategischen Forschungsrahmens. Die AntragstellerInnen drängen auch darauf, die Mittel der Kohäsionspolitik
unter Beibehaltung der Förderungsfähigkeit aller EU-Regionen auf entwicklungsschwache Regionen in Mitgliedstaaten
mit geringer Wirtschaftkraft zu fokussieren.
Auf keinen Fall dürften ein neues Rabattsystem oder Pauschalvergütungen zu Lasten Österreichs gehen,
so die weiteren Forderungen der Länderkammer. Die Vorschläge der Kommission zu außerbudgetären
Finanzierungen seien genau zu prüfen und alle Ausgaben sollten im Interesse von Transparenz und Budgetklarheit
in den Finanzrahmen integriert werden. Vom Prinzip des Verschuldungsverbots des europäischen Haushalts dürfe
man nicht abgehen, so die Ausschussfeststellung.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) lehnte den Antrag mit der Begründung ab, weil die FPÖ grundsätzliche
Bedenken gegen die Strategie 2020 hegt und eine Senkung der Rabatte fordert.
Der Vorschlag der Kommission
Konkret sieht der Vorschlag der Kommission für den mehrjährigen Finanzrahmen eine Verpflichtungsermächtigungen
in der Höhe von 1.025 Mrd. € vor, dem stehen Zahlungsermächtigungen im Ausmaß von 972,2 Mrd. €
gegenüber. Darüber hinaus sind Fonds und Programme von rund 58 Mrd. € vorgesehen. Hinzu kommt noch der
Globale Klima- und Artenvielfaltsfonds, der zwar vorgesehen aber noch nicht dotiert ist. Hinsichtlich der Finanzierung
des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), des geplanten Kernfusionsreaktors in Frankreich (ITER) und der Europäischen
Initiative für die Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES) verlangt die Kommission bilaterale
Beiträge durch die Mitgliedstaaten.
Das Finanzierungssystem des EU-Budgets soll radikal reformiert werden. Während ein Großteil des EU-Budgets
derzeit durch direkte Zahlungen der Mitgliedstaaten geleistet wird (Beiträge gemäß relativem Wohlstand
gemessen am Bruttonationaleinkommen sowie ein Anteil der Mehrwertsteuer-Einnahmen) soll in Zukunft ein beträchtlicher
Teil des Budgets (bis 2020 ca. 40%) durch Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer (FTT) sowie einer reformierten
Mehrwertsteuer-Quelle generiert werden. Zusätzlich soll das bisherige Rabatt-System ("UK-Rabatt"
für Großbritannien, Rabatt auf UK-Rabatt und Mehrwertsteuer-Reduktion für Österreich, Deutschland,
Niederlande und Schweden sowie Pauschalvergütungen für Niederlande und Schweden) durch ein reines Pauschalvergütungssystem
ersetzt werden, wobei Österreich nach derzeitigem Stand keine derartigen Vergünstigungen mehr erhalten
soll.
Mit dem mehrjährigen Finanzrahmen soll sichergestellt werden, dass die Ausgaben der EU innerhalb festgelegter
Grenzen bleiben. Die genannten Obergrenzen können aber, wie bisher, in gewissen Fällen überschritten
werden, nämlich dann, wenn die nicht im Finanzrahmen enthaltenen Instrumente in Anspruch genommen werden.
Grundlage für die Diskussion im Ausschuss waren folgende Dokumente der EU: : Mitteilung der Kommission an
das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss
der Regionen Ein Haushalt für "Europe 2020", Teil I und II, der Vorschlag für eine Verordnung
des Rates zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2014-2020, der Vorschlag für
einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union (//EG, Euratom) und der Entwurf
für eine interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen
Kommission über die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung.
Skepsis in der Länderkammer
Die Präsidentin des Bundesrats Susanne Neuwirth (S/S) betonte die Notwendigkeit der Ausgabenreduktion auch
durch Senkung der Verwaltungskosten. Sie bezweifelte, dass man tatsächlich zwei Sitzungsorte in der EU braucht,
wobei sie sich durchaus der Sensibilität dieser Frage bewusst war. Erfreut zeigte sie sich über die geplante
Erhöhung des europäischen Sozialfonds und meinte, dass Österreich sicherlich von den grenzüberschreitenden
Projekten profitieren werde.
Abgeordneter Franz Perhab (V/St) hielt fest, dass man in den Verhandlungen nicht nur die Nettozahler-Position als
Diskussionsstrategie einsetzen, sondern auch auf das Verschuldungsverbot im EU-Budget drängen sollte. Darauf
werde sehr geachtet, erfuhren daraufhin die BundesrätInnen aus dem Bundeskanzleramt und dem Finanzministerium.
Es sei auch nicht daran gedacht, an den Maastricht-Kriterien etwas zu ändern, man sei vielmehr darum bemüht,
die geltenden Kriterien auch endlich durchzusetzen und ein makroökonomisches Gleichgewicht in der EU herzustellen.
Man wolle dies durch die bereits beschlossenen sechs legistischen Maßnahmen, so genanntes "six-pack",
erreichen.
Als außerordentlich unerfreulich bezeichnete Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) die Vorstellungen zu den
Rabatten und Pauschalvergütungen, die auf Kosten Österreichs gehen würden. Hier müsse man in
der nun beginnenden Diskussion Änderungen herbeiführen. Ausschussvorsitzender Georg Keuschnigg (V/T)
vermutete hinter den "Project Bonds", dass dadurch wieder stille Risiken aufgebaut werden sollen. Die
Vertreterin des Finanzministeriums hielt dazu fest, dass dies auch von österreichischer Seite kritisch gesehen
werde, der Vorschlag liege jedoch noch nicht am Tisch. Dem Vernehmen nach handle es sich dabei um Garantieübernahmen
im EU-Haushalt für Großprojekte von denen Österreich nicht viel profitieren werde können.
Die Gründung einer europäischen Rating-Agentur wird laut Bundeskanzleramt noch etwas dauern, wobei die
Kommission noch in diesem Jahr einen Vorschlag vorlegen möchte. Es brauche seine Zeit, bis sich eine solche
Agentur entsprechend etabliert, erläuterte die Beamtin gegenüber Bundesrätin Angelika Winzig (V/O).
Sorge um die weitere EU-Finanzierung der Landwirtschaft äußerten die Bundesräte Friedrich Hensler
(V/N) und Georg Keuschnigg (V/T). Sie befürchteten insbesondere, dass in der ersten Säule ein neues "Bürokratiemonster"
geschaffen werden könnte. Darauf reagierte man seitens der Ressorts, dass es nun an den ExpertInnen des Agrarsektors
und am Landwirtschaftsminister liegen werde, ein gutes Verhandlungsergebnis zu erzielen. Die erste Säule,
in der Österreich Nettozahler sei, beginne langsam zu schrumpfen, im Gegenzug dazu seien viele Fonds für
die Landwirtschaft geöffnet worden. Österreich profitiere vor allem aus dem Sektor ländliche Entwicklung.
Keuschnigg wies darüber hinaus darauf hin, dass das Programm für die Versorgung mit Breitband im Rahmen
von "Connecting Europe" für die ländlichen Regionen wichtig sei und aus seiner Sicht zu gering
dotiert werde.
Kritik am Projekt ITER wurde von Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) geübt. Auch seitens des Finanzressorts
sieht man die Sache mit Skepsis, weil dies ein Fass ohne Boden sei. Die Kommission wolle es aus dem Finanzrahmen
herausnehmen und einen eigenen Vorschlag zur Finanzierung ausarbeiten. Kerschbaum wollte auch gesichert wissen,
dass der europaweite Atomausstieg nicht von der EU bezahlt werde, sondern von der Atomindustrie.
Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) äußerte im Rahmen der Diskussion auch Kritik an Basel III. Sie sieht
darin eine Benachteiligung von Banken und der Realwirtschaft gegenüber den USA, die Basel III nicht umsetzen
wollen, obwohl die Finanzkrise von Amerika ausgegangen ist. In dieser Kritik wurde sie von den Bundesrätinnen
Angelika Winzig (V/O) und Monika Mühlwerth (F/W) unterstützt. Diese Bedenken wurden seitens der Vertreterin
des Bundeskanzleramts nicht geteilt, vielmehr bekräftigte sie die Notwendigkeit einer guten Eigenkapitalausstattung
aller Banken.
Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) forderte abschließend, dass Österreich in vermehrtem Ausmaß
von der Möglichkeit des Opting-outs innerhalb der EU Gebrauch machen sollte. |