EU-Agrarpolitik  

erstellt am
13. 10. 11

Europäische Kommission schlägt Landwirten neue Partnerschaft vor
Brüssel (ec.europa) - Die Europäische Kommission hat heute eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Zeit nach 2013 im Entwurf vorgestellt. Mit dieser Reform sollen die Wettbewerbsfähigkeit, die Nachhaltigkeit und die Verankerung der Landwirtschaft im gesamten ländlichen Raum gestärkt werden, um den europäischen Bürgerinnen und Bürgern eine gesunde und hochwertige Ernährung zu garantieren, die Umwelt zu erhalten und die ländlichen Gebiete zu entwickeln.

„Die Europäische Kommission schlägt eine neue Partnerschaft zwischen Europa und den Landwirten vor, um den Herausforderungen Ernährungssicherheit, nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und Wachstum zu begegnen. In den kommenden Jahrzehnten müssen die Grundlagen für eine starke Landwirtschaft geschaffen werden, die dem Klimawandel und der internationalen Konkurrenz standhalten kann und zugleich den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht wird. Europa braucht seine Landwirte. Und die Landwirte brauchen die Unterstützung Europas. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist wichtig für unsere Ernährung und die Zukunft von mehr als der Hälfte unserer Gebiete“, erklärte der für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständige EU-Kommissar Dacian Ciolos.

Die reformierte GAP schafft neue Voraussetzungen, um Innovationen voranzutreiben, die wirtschaftliche wie auch die ökologische Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors zu stärken, den Klimawandel zu bekämpfen sowie Beschäftigung und Wachstum zu fördern. Sie wird damit einen entscheidenden Beitrag zur Strategie Europa 2020 leisten.

Die zehn Kernpunkte der Reform

1) Gezieltere Vergabe der Einkommensbeihilfen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung
Um das Agrarpotenzial der EU besser auszuschöpfen, schlägt die Kommission eine gerechtere, einfachere und gezieltere Einkommensstützung zugunsten der Landwirte vor. Die Einkommensgrundsicherung wird nur aktiven Landwirten gewährt. Sie wird ab 150 000 EUR stufenweise gekürzt (Degressivität) mit einer Deckelung von 300 000 EUR pro Betrieb und Jahr, wobei die Zahl der von den Betrieben geschaffenen Arbeitsplätze berücksichtigt wird. Außerdem erfolgt eine gerechtere Verteilung zwischen Landwirten, Regionen und Mitgliedstaaten.

2) Reaktionsfähigere und besser angepasste Instrumente für das Krisen­managament zur Bewältigung der neuen wirtschaftlichen Herausforderungen
Die Volatilität der Preise ist eine Gefahr für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors. Die Kommission schlägt vor, die Sicherheitsnetze (private Lagerhaltung und öffentliche Intervention) für die krisenanfälligsten Sektoren effizienter zu gestalten, ihre Reaktionsfähigkeit zu verbessern und Versicherungen und Fonds auf Gegenseitigkeit zu fördern.

3) „Ökologisierungszuschlag“ für langfristige Produktivität und die Erhaltung von Ökosystemen
Um die ökologische Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zu stärken und den Anstrengungen der Landwirte mehr Durchschlagskraft zu verleihen, schlägt die Kommission vor, 30 % der Direktzahlungen für Verfahren bereitzustellen, die eine optimale Nutzung der natürlichen Ressourcen ermöglichen. Diese einfach anzuwendenden und ökologisch effizienten Verfahren sind: Diversifizierung der Anbaukulturen, Erhaltung von Dauergrünland, Erhaltung von ökologischen Nischen und Erhaltung der Landschaft.

4) Zusätzliche Investitionen für Forschung und Innovation

Zur Schaffung einer wissensbasierten, wettbewerbsfähigen Landwirtschaft schlägt die Kommission vor, die Mittel für Agrarforschung und –innovation zu verdoppeln und dafür zu sorgen, dass die Forschungsergebnisse über eine neue Innovationspartnerschaft in die Praxis übertragen werden. Aus diesen Mitteln können die Weitergabe von Know-how, Beratungsdienste für Landwirte sowie einschlägige Forschungsprojekte für die Landwirte gefördert werden, wobei eine engere Zusammenarbeit zwischen Agrarsektor und Wissenschaft gewährleistet wird.

5) Eine wettbewerbsfähigere und ausgewogenere Lebensmittelversorgungs­kette
Die Landwirtschaft, die die Basis der Lebensmittelversorgungskette bildet, ist stark zersplittert und wenig strukturiert. Um die Position der Landwirte zu stärken, schlägt die Kommission vor, Erzeugerorganisationen und Branchenverbände zu fördern und kurze Absatzwege zwischen Erzeugern und Verbrauchern (ohne allzu viele Zwischenstufen) zu entwickeln. Darüber hinaus werden die Zuckerquoten, die ihren Daseinszweck verloren haben, nach 2015 nicht weiter verlängert.

6) Förderung des Umweltschutzes in der Landwirtschaft
Die Besonderheiten jedes Gebiets sind zu berücksichtigen, und es müssen nationale, regionale und lokale Agrarumweltinitiativen gefördert werden. Zu diesem Zweck sollten nach dem Vorschlag der Kommission die Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen und die Bekämpfung des Klimawandels sowie die effiziente Nutzung der Ressourcen zu den sechs Prioritäten der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums zählen.

7) Erleichterung der Niederlassung von Junglandwirten
Zwei Drittel der Landwirte sind älter als 55 Jahre. Um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern und jüngere Menschen zu ermutigen, im Agrarsektor tätig zu werden, schlägt die Kommission vor, ein neues Instrument zur Niederlassungs­förderung zu errichten, das Landwirten von unter 40 Jahren in den ersten fünf Jahren ihrer Tätigkeit zur Verfügung steht.

8) Förderung der Beschäftigung im ländlichen Raum und des Unternehmergeists
Um die Beschäftigung und den Unternehmergeist zu fördern, schlägt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen die Wirtschaftstätigkeit in den ländlichen Gebieten stimuliert und Initiativen zur lokalen Entwicklung angeregt werden sollen. Beispielsweise wird, um Projekte von Kleinstunternehmen zu unterstützen, ein „Starter-Kit“ mit einer Finanzierung von bis zu 70 000 EUR über fünf Jahre geschaffen. Die lokalen Aktionsgruppen von LEADER werden verstärkt.

9) Bessere Berücksichtigung empfindlicher Gebiete
Um eine Verödung zu verhindern und den Reichtum unserer Gebiete zu erhalten, bietet die Kommission den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Landwirte in Gebieten mit naturbedingten Benachteiligungen mit einer zusätzlichen Ausgleichszahlung stärker zu unterstützen. Diese Beihilfe ergänzt die anderen Stützungen, die im Rahmen der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums bereits zur Verfügung stehen.

10) Eine einfachere und effizientere GAP
Um einen übermäßigen und unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, schlägt die Kommission vor, verschiedene GAP-Mechanismen – insbesondere die Regeln für die Konditionalität und die Kontrollsysteme - zu vereinfachen, ohne dass ihre Effizienz darunter leidet. Außerdem werden die Stützungsmaßnahmen für Kleinlandwirte vereinfacht. Für diese wird eine Pauschalzahlung von 500 bis 1000 EUR je Betrieb und Jahr eingeführt. Die Übertragung von Flächen von Kleinlandwirten, die ihre landwirtschaftliche Tätigkeit einstellen, an andere Betriebe, die eine Umstrukturierung vornehmen wollen, wird gefördert.

 

 Berlakovich: Effiziente Agrarpolitik statt Verwaltungslawine gefordert
Kritik an Plänen der EU-Kommission - Viele Fragen noch offen
Wien (bmlfuw) - "Die seit heute auf dem Tisch liegenden Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2014 lassen in keinster Weise die von Brüssel ursprünglich geplante Vereinfachung erahnen. Vielmehr droht eine wahre Verwaltungslawine, die wertvolle bäuerliche Arbeitszeit unter sich begraben und empfindliche Mehrkosten für das System verursachen würde", betont Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich zu den am 12.10. präsentierten GAP-Reformvorschlägen. "Diese Rolle rückwärts in Sachen Verwaltungsvereinfachung ist weder im Sinne der Bäuerinnen und Bauern noch im Sinne der Steuerzahler. Das Motto sollte vielmehr 'effiziente Gestaltung statt mehr Verwaltung' lauten", so Berlakovich.

Einige Giftzähne schon gezogen
"Ingesamt konnten wir den Plänen der EU-Kommission jedoch schon einige Giftzähne ziehen. So soll es weiterhin zwei Säulen der Agrarpolitik - Direktzahlungen und Marktordnungsinstrumente einerseits und die Ländliche Entwicklung andererseits - geben. Außerdem konnte verhindert werden, dass alle Mitgliedstaaten einheitliche Flächenprämien bekommen, was angesichts der unterschiedlichen Kaufkraft widersinnig gewesen wäre. Positiv ist auch, dass es weiterhin produktionsgekoppelte Zahlungen für bestimmte Bereiche und das Bergbauernprogramm in der zweiten Säule geben soll. Weitere Entschärfungen und Verbesserungen sind jedoch absolut erforderlich", betont Berlakovich.

In Ländlicher Entwicklung massive Kürzungen verhindern
So lassen die Reformvorschläge laut dem Landwirtschaftsminister in Kernbereichen noch wichtige Fragen offen, wie zum Beispiel die konkrete Ausgestaltung der Ländlichen Entwicklung. "Die Ländliche Entwicklung ist das Herzstück der österreichischen Agrarpolitik. Die Ländliche Entwicklung bildet mit vielen erfolgreichen Maßnahmen wie mit dem Umweltprogramm, dem Bergbauernprogramm, dem Biolandbau und Investitionshilfen ein wichtiges Fundament für die Entwicklung unserer Betriebe und des Ländlichen Raumes. Wir wollen diese engagierte Entwicklung weiterführen und aus diesem Grund brauchen wir eine entsprechende Dotierung dieses Programms auch in Zukunft. Jedenfalls gibt es hier noch einige Hürden zu meistern, da der Verteilungskampf zwischen den Ländern hart wird", betont Berlakovich.

Sinnvolle Weiterentwicklung des Agrarumweltprogramms
Durch die in der ersten Säule bei den Direktzahlungen vorgesehene Ökologisierung, das so genannte Greening, drohen ferner wesentliche Elemente der zweiten Säule, der Ländlichen Entwicklung, verloren zu gehen. "Eine Ökologisierung der Landwirtschaft, sowie von Österreich bereits durchgeführt, ist für die gesamte europäsche Agrarpolitik wichtig. Sie darf aber keinesfalls zum Fall des österreichischen Erfolgsystems ÖPUL führen, das von höchster europäischer Stelle als vorbildhaft für Europa gelobt worden ist. Ich bin für eine sinnvolle Weiterentwicklung des österreichischen Agrarumweltprogramms, unsere Vorleistungen in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz müssen abgesichert werden", betont Berlakovich. "Gleichzeitig gilt es, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft unserer Betriebe zu verstärken."

Problematische Neuabgrenzung benachteiligter Gebiete
"Weiters lehne ich den Vorschlag für die Neuabgrenzung der sonstigen benachteiligten Gebiete ab. Die auf extremen natürlichen Verhältnissen basierenden Kriterien wie Hitzestressdauer oder Vegetationsperiode sind zwar für die nördlichsten und südlichsten Mitgliedstaaten geeignet, nicht jedoch für Österreich. Die Benachteiligung vieler österreichischer Gebiete ergibt sich vielmehr aus dem Zusammenspiel verschiedenster Faktoren. Ein Verlust von 70% der bisherigen sonstigen benachteiligten Gebietskulisse muss verhindert werden", so Berlakovich.

Industrielle Massenproduktion oder bäuerliche, nachhaltige Landwirtschaft
"Klar ist, dass unsere Landwirtschaft und damit auch unsere Konsumentinnen und Konsumenten am Scheideweg stehen und sich die Frage stellen sollten, welcher Weg eingeschlagen werden soll: Eine Schnellstraße, auf der immer mehr industrielle Massenwaren durch die ganze Welt gekarrt werden und auf der für österreichische Produkte kaum mehr Platz ist; Oder ein gut ausgebauter Feldweg, der eine nachhaltige, bäuerliche und flächendeckende Landwirtschaft zum Wohle aller ermöglicht", betont Berlakovich.

 

Kadenbach: Vorschläge gehen nicht weit genug
EU-Abgeordnete enttäuscht über zu geringe Umweltauflagen
Wien (sk) - Am 12.10. hat die EU-Kommission ihre Vorschläge zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik präsentiert. "Agrarkommissar Ciolos hat heute gezeigt, dass er zu einer Neuausrichtung in der Agrarpolitik bereit ist. Die Vorschläge sind besser als erwartet, gehen aber nicht weit genug", so die SPÖ-EU-Abgeordnete Karin Kadenbach gegenüber dem Pressedienst der SPÖ.

Kadenbach bemerkt, dass es zwar zu begrüßen sei, dass ein Teil der Förderungen an Umweltauflagen gebunden seien, ambitioniert seien die Vorgaben jedoch nicht. "Ein Landwirtschaftsbetrieb muss lediglich auf 30 Prozent der Anbaufläche die Fruchtfolge verwenden, auf 70 Prozent können weiterhin Monokulturen angebaut werden", betont die EU-Abgeordnete, die stv. Mitglied im Agrarausschuss ist. "Für den Erhalt der Artenvielfalt, die Bodenqualität und die Reinhaltung der Gewässer ist es nicht genug, wenn nicht einmal auf der Hälfte der Felder Fruchtfolge angewandt werden muss. Hier hätte ich mir mehr Engagement gewünscht, um zu einer echten Ökologisierung der Landwirtschaft zu kommen", so Kadenbach, die betont, dass durch verstärkte Umweltmaßnahmen auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft gestärkt wird, denn nur so bleiben z.B. die Böden nachhaltig nutzbar. "Ebenso gibt es keinen Hinweis darauf, dass in Zukunft die Landwirtschaft unbedingt mehr produzieren müsse. Immerhin landen 30 Prozent unserer Lebensmittel im Müll. Wird dieser Anteil reduziert, braucht man nicht mehr landwirtschaftliche Produkte", unterstreicht die SPÖ-Politikerin.

Die Europaparlamentarierin bemerkt, dass vor allem die Deckelung der Agrarförderungen ein Schritt in die richtige Richtung sei. "Millionenförderungen für einzelne Großbetriebe gehören hoffentlich bald der Vergangenheit an. Es ist nicht einzusehen, dass die Königin von England Unsummen aus dem Agrarbudget erhält", bemerkt Kadenbach. Positiv sei auch, dass es zukünftig nicht mehr ausreichend sein wird, Land zu besitzen, sondern dieses auch bewirtschaftet sein muss, wobei Teilzeitlandwirte hier keinen Nachteil erfahren dürfen. "Nun bleibt zu hoffen, dass der Rat die Vorschläge der Kommission nicht noch weiter verwässert. Wir brauchen grundlegende Reformen, um im Sinne der Umwelt und auch des Konsumentenschutzes die Landwirtschaft ökologisch auszurichten", bemerkt Kadenbach.

 

Jannach: Noch viel Diskussionsbedarf bei Agrarreform
"Völlig inakzeptabel ist der Vorschlag von Flächenstilllegungen"
Wien (fpd) - "Die Legislativvorschläge die von EU-Agrarkommissar Ciolos präsentiert wurden, müssen jetzt intensivst und raschest im österreichischen Parlament diskutiert werden", fordert der freiheitliche Agrarsprecher, NAbg. Harald Jannach, "denn mit den vorliegenden Plänen scheinen massive Änderungen auf die österreichischen Bauern zuzukommen."

Die Einführung einer Förderobergrenze - vorgesehen sind 300.000 Euro - sowie eine Berücksichtigung der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ist begrüßenswert. "Wir hätten uns jedoch eine noch niedrigere Förderobergrenze gewünscht", so Jannach. In Österreich erhalten 97 % der landwirtschaftlichen Betriebe laut Transparenzdatenbank unter 50.000 Euro pro Jahr.

"Auch die Zielsetzung, nur noch "aktive Landwirte" zu fördern, entspricht den freiheitlichen Vorstellungen", vermerkt Jannach. Nicht klar erscheint jedoch, wie die Abgrenzung vorgenommen werden wird.

Genau unter die Lupe zu nehmen ist bei einer Umschichtung von Geldern der 1. Säule der Agrarpolitik in die 2. Säule der dadurch entstehende bürokratische Aufwand, zusätzlich zu der schon bisher für die Landwirte kaum zu bewältigenden Bürokratie.

"Völlig inakzeptabel ist der Vorschlag von Flächenstilllegungen", urteilt Jannach. "Produktive Ackerflächen im Ausmaß von 7 % einfach brachliegen zu lassen, dafür möglicherweise noch Prämien zu zahlen, ist absolut nicht nachvollziehbar", so Jannach. Jannach weist darauf hin, dass die Weltbevölkerung steigt und ernährt werden muß und regenerative Energien in Zukunft fossile Rohstoffe ersetzen sollen: "Flächenstillegungen stehen zu den Herausforderungen der gesellschaftlichen Entwicklung in krassem Widerspruch!"

Ebenfalls genau betrachtet werden muß die mögliche neue Einteilung der Österreichischen Landwirte in eine neue Gebietskulisse. Derzeit befinden sich viele österreichische Betriebe aufgrund ihrer geographischen Lage in den sogenannten "benachteiligten Gebieten". "Eine Neueinteilung darf nicht zu Lasten, österreichischen Bergbauern-Betriebe gehen", fordert Jannach abschließend.

 

 Pirklhuber: Vorschläge der EU-Kommission müssen massiv nachgebessert werden
Grüne: Jetzt um eine ökologischere und sozialere Agrarpolitik kämpfen
Wien (grüne) - "Die heute vorgestellten Reformvorschläge der EU-Kommission könnten ambitionierter sein, stellen aber trotzdem eine brauchbare Diskussionsgrundlage dar. Jetzt geht es aus österreichischer Sicht aber darum für eine ökologischere und sozialere Agrarpolitik im Interesse der Lebensmittelsicherheit und der Bäuerinnen und Bauern zu kämpfen", argumentiert Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen.

Jetzt beginnt der große politische Kuhhandel zwischen den Agrarministern, dem EU-Parlament und der Kommission um einen tragfähigen Kompromiss, der voraussichtlich bis Anfang 2013 dauern wird. "Die erste Säule der Direktzahlungen wird schrittweise auf das Regional-Modell - weg von den historischen Betriebsprämien - innerhalb der nächsten fünf Jahre umgestellt. Das haben die Grünen Bäuerinnen und Bauern seit Jahren gefordert", informiert Pirklhuber und weiter: "Die jährlich verfügbaren EU-Mittel für die 1. Säule werden für Österreich nominell auf etwa 707 Millionen Euro gekürzt werden. 30 Prozent dieser Mittel, also 212 Millionen Euro, sollen in Hinkunft für das "Greening" verwendet und zusätzlich zur einheitlichen Basis-Hektarförderung ausbezahlt werden. Die Bio-Betriebe sollen automatisch diesen Greening-Zuschlag erhalten."

"Bisher werden die meisten Agrar-Gelder in der EU von denen eingestrichen, die sie nicht brauchen, also von Großbetrieben und der Agrarindustrie. Das wird sich auch nach der Reform nicht entscheidend ändern. Die Einführung einer Förderobergrenze von 300 000 Euro ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Aber der Schwellenwert von 150.000 Euro, ab dem die Kappung der Zahlungen beginnt, ist zu hoch. Um wirklich die kleineren Betriebe zu begünstigen, müsste der Wert etwa halbiert werden", fordert Pirklhuber in einer ersten Stellungnahme.

 

AK kritisiert EU-Agrarreform-Pläne: Immer mehr Geld für immer weniger Bauern
Die EU-Kommission will weiterhin Fördermillionen an Großbauern vergeben und zapft dafür sogar Arbeitsmarktgelder an - AK Präsident Herbert Tumpel: "Das geht zu weit"
Wien/Brüssel (ak) - "Das ist keine echte Agrarreform, sondern eine Mogelpackung", kritisiert AK Präsident Herbert Tumpel die EU-Kommissionsvorschläge zur Agrarreform. Nutznießer sind die Großbauern, sie erhalten weiterhin Millionenförderungen - unabhängig davon, ob sie die Förderungen brauchen oder sich um die Umwelt kümmern. Dazu kommt noch: Obwohl die Anzahl der Landwirte kontinuierlich sinkt - minus 25 Prozent waren es in den letzten zehn Jahren - und die verbleibenden Betriebe größer werden, werden die Fördertöpfe nicht gekürzt. Im Gegenteil: Der Agrarsektor will sich nun noch mehr als 15 Milliarden Euro aus anderen Budgettöpfen abholen.

Dem Kommissionsvorschlag gemäß könnten sich die Landwirte künftig auch bei den Geldern des Globalisierungsfonds, die eigentlich für die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit vorgesehen sind, bedienen. "Das geht zu weit", betont AK Präsident Tumpel, "Es kann nicht sein, dass der Agrarsektor nun auch noch anderen Töpfen Mittel entzieht." Er fordert eine echte Bedarfsprüfung und mehr Verteilungsgerechtigkeit bei der Agrarförderungen ein: "Es kann nicht sein, dass Großbauern, die in Monokulturen anbauen und damit Umweltschäden bewirken, mit EU-Geldern belohnt werden."

Die Einkommen der Landwirte klaffen extrem weit auseinander. Trotzdem will die EU-Kommission nur einen kleinen Teil der Agrarsubventionen nach oben hin begrenzen und den Agrarunternehmen im Gegenzug für diese minimale Einschränkung sogar Lohnkosten ersetzen. Der Großteil der Fördermittel soll weiterhin unabhängig vom Gewinn der Betriebe ausbezahlt werden. AK Präsident Tumpel sagt dazu: "Bei jeder anderen Sozialleistung wird selbstverständlich der Bedarf geprüft, und hier kann sich so mancher Großbetrieb weiterhin seine EU-Millionen abholen."

Der Europäische Rechnungshof hat außerdem bereits mehrmals kritisiert, dass Agrarsubventionen nicht unbedingt zu mehr Umweltfreundlichkeit in der Landwirtschaft führen. Aber auch diese Kritik wurde nicht ernstgenommen: 70 Prozent der klassischen Agrarsubventionen sollen ohne spezielle Umweltauflagen abzuholen sein. Die restlichen 30 Prozent dieser Mittel laufen zwar unter dem Titel "greening". Die geförderten Landwirte können aber trotzdem in Monokultur jahrelang am gleichen Acker Mais anbauen, obwohl das katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Die AK fordert aus diesen Gründen eine echte Bedarfsprüfung der Agrarsubventionen zugunsten kleinerer Betriebe. Die Subventionierung von umweltschädigendem Verhalten müssen sofort eingestellt werden. Stattdessen fordert die AK beschäftigungswirksame Maßnahmen, die der gesamten Bevölkerung im ländlichen Raum zu Gute kommen.

 

 Wlodkowski: Österreich nicht für EU-Vorreiterrolle bestrafen
Vorgeschlagene Maßnahmen würden Bürokratie-Flut massiv vergrößern
Wien (lkö) - "Mit der Reform der EU-Agrarpolitik (GAP) will Agrarkommissar Dacian Ciolos die Lebensmittelversorgung Europas mittel- und langfristig sichern. Außerdem strebt er an, die Unterschiede zwischen den alten und neuen Mitgliedsländern spürbar zu verringern. Diesen beiden grundsätzlich positiven Bestrebungen einer GAP für 27 Mitgliedstaaten widerspricht jedoch in etlichen Punkten der von ihm heute vorgeschlagene Weg. So macht es ein real sinkendes Agrarbudget schwieriger, die Einkommen aus der Landwirtschaft zu halten, da angesichts zunehmender Preis-Volatilitäten am EU- und am Weltmarkt künftig Preissprünge bei Rohstoffen häufiger und intensiver ausfallen werden. Der weitere Anstieg der Bürokratieflut behindert den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, etwa durch weit überschießende Auflagen in den 'Greening'-Vorschlägen, die nicht nur in Österreich die bestehenden Umweltprogramme, wie das ÖPUL, konterkarieren." Dies erklärte Gerhard Wlodkowski, Präsident der LK Österreich, zu den Legislativvorschlägen für eine reformierte EU-Agrarpolitik ab 2014.

"Wenn das erklärte Reformziel eine grünere Agrarpolitik ist, so kann es nicht hingenommen werden, dass Österreich für seine diesbezügliche Vorreiterrolle noch bestraft werden soll", so Wlodkowski.

"Greening" viel zu bürokratisch
Konkret kritisierte Wlodkowski, dass die EU im Rahmen des geplanten "Greenings" vorschreibt, 7% der Betriebsfläche als Ökofläche aus der Produktion zu nehmen. "Angesichts der weltweiten Lebensmittelknappheit ist so eine Vorschrift unverständlich", so Wlodkowski. Außerdem würden die "Greening"-Vorschriften mit der Koppelung aller Maßnahmen an die Auszahlung der Basisprämie viel zu weit gehen.

"Dass Österreich eine grüne Agrarpolitik nach den Wünschen der Gesellschaft umsetzen kann, hat es hinlänglich bewiesen. Rund 95% der österreichischen Bäuerinnen und Bauern nehmen am Agrarumweltprogramm im Rahmen der 2. Säule der GAP, der Ländlichen Entwicklung, teil. Die geplanten Vorschriften stehen im Widerspruch zu unseren bereits seit 1995 umgesetzten Umweltmaßnahmen und bringen eine Bürokratie mit sich, die kein Mensch mehr durchschaut. Die Europäische Kommission selbst hat das Ziel der Verwaltungsvereinfachung deklariert, in den Vorschlägen fehlen jedoch substanzielle Elemente für einen Bürokratieabbau", verlangte Wlodkowski eine deutliche Vereinfachung dieser Vorschriften und schlug vor, bereits bestehende Verwaltungsvorgaben auf ihre Funktion und Notwendigkeit zu hinterfragen, ehe zusätzliche Bürden und neue Maßnahmenpakete dazukämen.

"Letztlich sollte auch die Kommission ein Interesse haben, für alle Mitgliedstaaten ein leichter administrierbares Modell zu schaffen, das ab Jahresanfang 2014 wieder allen Landwirten vollen Zugang zur GAP verschafft und Kontinuität gewährleistet. Soweit bisher erkennbar ist, handelt es sich nämlich um eine der größten Reformen der GAP in den letzten zwei Jahrzehnten", kritisierte Wlodkowski.

Zukunftsfunktionen der Landwirtschaft nicht gefährden
"Österreichs Vorleistungen in der ländlichen Entwicklung müssen anerkannt werden. Wir haben mit einem breiten Spektrum an Maßnahmen, wie Naturschutz-, Bodenschutz- und regionalwirtschaftlichen Projekten, Maßnahmen für die benachteiligten Gebiete genauso wie klimaschutzrelevanten Aktivitäten, eine Vorreiterrolle eingenommen, die uns paradoxerweise zukünftig Kürzungen bringen würde. Man kann nicht alle Mitgliedstaaten über einen Kamm scheren. Hier muss es Flexibilität für die einzelnen Länder geben", forderte der LK-Präsident.

Kürzungen nicht verkraftbar
"Die für Österreich essenzielle Absicherung der Berg- und benachteiligten Gebiete ist jedenfalls mit diesem Vorschlag massiv gefährdet. Bestehende Systeme, wie die differenzierte Einteilung der Betriebe nach naturbezogenen Erschwernissen mithilfe des bewährten Berghöfekatasters, wären nämlich wegen einschränkender Rahmenbedingungen ebenso wie die Ausgleichszulage gefährdet. Österreich würde trotz seines EU-weit höchsten Anteils an Betrieben in Berg- und benachteiligten Gebieten und trotz der vergleichsweise geringen Betriebsgröße zu den Verlierern zählen, weil aus einer nationalen Umverteilung so gut wie gar keine relevanten Budgetmittel für neue Zwecke frei würden. Wir liegen in der 1. Säule jetzt schon unter dem EU-Durchschnitt, eine weitere Reduktion dieser Mittel ist für zahlreiche Betriebe nicht mehr verkraftbar. Denn in Österreich geht es um nicht weniger als um den Erhalt der Zukunfts-Funktionen der Landwirtschaft, wie die Besiedelung entlegener Gebiete, die Versorgungsfunktion und multifunktionale Leistungen für die Gesellschaft. Das ist mit sinkenden Zahlungen und steigender Bürokratie nicht zu lösen", stellte Wlodkowski fest.
     

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