Wien (bgf) - "Österreich war und ist im Lebensmittelbereich Vorreiter
in Europa", betonte Gesundheitsminister Alois Stöger anlässlich einer Festveranstaltung zum 120-Jahr-Jubiläum
des Österreichischen Lebensmittelbuches am 12. und 13. Oktober 2011 im Bundesministerium für Gesundheit
(BMG). Gemeinsam mit Elisabeth Körner, Vorsitzende der Codexkommission, und Ulrich Herzog, Bereichsleiter
Verbrauchergesundheit im BMG, erörterte Stöger die historische Entwicklung des Codex Alimentarius Austriacus
sowie aktuelle VerbraucherInnenerwartungen und deren Umsetzung. "Lebensmittel in Österreich sind heutzutage
so sicher wie nie zuvor, gleichzeitig sind KonsumentInnen durch Lebensmittelskandale wie Dioxin oder EHEC extrem
verunsichert und fühlen sich durch vermeintliche Fehlinformationen auf Verpackungen über Herkunft oder
Inhalt getäuscht", so Stöger. Die Stärkung des Täuschungsschutzes durch ein klares Bekenntnis
zu "zeitgemäßen, staatlichen Gütezeichen" auch im Lebensmittelbereich sei daher die "logische
Weiterentwicklung einer modernen Lebensmittelpolitik, um die Führungsrolle bei Sicherheit und Qualität
von Lebensmitteln auch weiterhin einzunehmen", so Stöger im Hinblick auf seinen beschlussreifen Gesetzesentwurf
für staatliche Gütezeichen.
Derzeit gibt es in Österreich keine gültige Regelung für staatliche Gütezeichen, die alte Rechtsnorm
ist zu Vorjahresbeginn ausgelaufen. Der aktuelle Gesetzesentwurf sei Teil des Regierungsprogramms und bereits mit
dem Wirtschaftsminister akkordiert, betonte der Gesundheitsminister. "Ziel des staatlichen Gütezeichens
ist eine klare, verlässliche und nachvollziehbare Hilfe für VerbraucherInnen beim Kauf ihrer täglichen
Lebensmittel und im Kampf gegen den privaten Gütesiegel-Dschungel." Vor allem im Bereich Gentechnikfreiheit
bestünde noch Handlungsbedarf.
Für Ulrich Herzog, dem Leiter Verbrauchergesundheit im Gesundheitsministerium, hat das Lebensmittelrecht zwei
wesentliche Ziele: "Den Schutz für das Leben und die Gesundheit der Menschen sowie den Schutz der VerbraucherInnen-Interessen."
Er untermauerte die Sicherheit der Lebensmittel in Österreich mit den Zahlen aus dem aktuellen Lebensmittelsicherheitsbericht:
Von über 31.000 Proben, die 2010 im Zuge der amtlichen Kontrolle untersucht wurden, mussten lediglich 0,6
Prozent als gesundheitsschädlich beurteilt werden. Im selben Zeitraum wurden 4,5 Prozent der Proben beanstandet,
weil sie Angaben aufwiesen, die die VerbraucherInnen in die Irre führen können. "Möglichkeiten,
die VerbraucherInnen in die Irre zu führen, sind so vielfältig wie die Zahl der Produkte. War es vor
hundert Jahren ein Übermaß an Rinderfett, Haut, Darm, Schlachtabfällen und ähnlichem, das
zu einer genauen Definition im Lebensmittelbuch geführt hat, woraus eine Wurst bestehen darf, stehen LebensmittelanalytikerInnen
heutzutage mit "Analogkäse" oder "Klebefleisch" neuen Herausforderungen gegenüber."
Daher sei die Codex-Arbeit auch ein "kontinuierlicher Verbesserungsprozess", so Herzog.
Historische Entwicklung des Codex Alimentarius Austriacus
Codex-Vorsitzende Elisabeth Körner gab einen Rückblick auf die historische Entwicklung: 1891 wurde eine
wissenschaftliche Kommission eingerichtet, deren Ziel die Ausarbeitung eines Österreichischen Lebensmittelbuchs
war. Im Österreichischen Lebensmittelbuch ist festgelegt, wie Lebensmittel beschaffen sein müssen: Es
enthält Beschreibungen, Empfehlungen, Sachbezeichnungen, Begriffsbestimmungen, Untersuchungsmethoden und Beurteilungsgrundsätze
sowie Richtlinien für das Inverkehrbringen von Waren. Ständig aktualisiert wird es von einer Kommission,
bestehend aus Mitgliedern der Behörden, Untersuchungsanstalten, Kammern, Gewerkschaftsbund, Industrie und
Wissenschaft. Eingebettet ist diese Kommission in Gremien der EU und des weltweiten FAO/WHO Codex Alimentarius,
der sowohl den Namen als auch die Unterteilung in einzelne Waren vom Codex Alimentarius Austriacus übernommen
hat.
Heute, im Jahr 2011, sind 185 Staaten und die EU Mitglieder des Codex Alimentarius. Die wahre Kraft des Codex Alimentarius
zeigt sich bei Verfahren vor der Welthandelsorganisation (WTO), z.B. bei Klagen eines exportierenden Landes gegen
ein importierendes Land, dem vorgeworfen wird, unzulässige Hürden gegen Importe aufzustellen. Im Lebensmittelbereich
gelten dann Codex-Alimentarius-Standards als die Basis im Verfahren. Als bekanntes Beispiel eines Rechtsstreites
der USA gegen die EU vor der WTO sei auf die Anwendung von das Muskelwachstum fördernde Hormone in der Rindermast
hingewiesen. Der Codex Alimentarius stellt eine Sammlung internationaler Lebensmittelstandards dar, welche dem
Gesundheits- und Täuschungsschutz der VerbraucherInnen weltweit nutzen. Diese Standards sorgen für eine
faire Praxis im internationalen Handel und sie sollen zu einer Koordinierung der Normungsarbeiten führen.
Die Codex-Kommission wird in ihrer Arbeit von ihren "Elternorganisationen", der FAO und der WHO unterstützt.
"Es wird für die Verantwortlichen im Codex daher die große Herausforderung in den kommenden Jahren
sein, die Codex-Prozedur zu beschleunigen, ohne die Kompromissfähigkeit bei 185 Mitgliedsstaaten zu verlieren",
so Körner. |