Oppositionsparteien fordern Zweckbindung der akquirierten Mittel
Wien (pk) - Plenumsreif machte der Umweltausschuss des Nationalrats am Nachmittag des 11.10. nicht
nur das Klimaschutzgesetz, sondern auch das Emissionszertifikategesetz 2011, mit dem eine EU-Richtlinie in nationales
Recht umgesetzt wird. SPÖ und ÖVP, die dem diesbezüglichen Entwurf die Zustimmung erteilten, wollen
so einen maßgeblichen Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasemissionen in Österreich und in der EU
leisten und die Emissionen bis 2020 (im Vergleich zu 2005) um 21 % senken. Die Oppositionsparteien zeigten sich
in Hinblick auf das System des Zertifikathandels skeptisch und forderten eine Zweckbindung der akquirierten Mittel
für klimapolitische Maßnahmen.
Mit dem Emissionszertifikategesetz zusammen verhandelt wurde außerdem ein Entschließungsantrag des
BZÖ, in dem auf die Refundierung von finanziellen Mitteln für die flexible Reserve gedrängt wird
( 1682/A[E]). Verbund, Wien Energie und Energie AG Oberösterreich, an die solch qualifizierte Steuergeschenke
im Umfang von 80 bis 90 Mio. € gemacht wurden, sollen die erhaltenen Mittel rückerstatten, zeigte sich Abgeordneter
Rainer Widmann (B) im Rahmen der Debatte überzeugt. Der BZÖ-Antrag fand jedoch nicht die erforderliche
Mehrheit.
Mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP wurde jedoch eine Ausschussfeststellung angenommen, in der Details betreffend
die Zuteilung der Emissionszertifikate festgeschrieben werden.
Eine Reihe von Oppositionsanträgen, die ebenfalls auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung standen, wurde
mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt bzw. abgelehnt. Die Grünen verlangten dabei die Förderung
von Pfandflaschen im Getränkehandel sowie mehr Ökologie im Beschaffungswesen des Bundes. Anliegen der
FPÖ bildeten der Ausbau der Photovoltaik, der Verzicht auf die Lagerung von CO2, ein Baustopp bei der dritten
Landepiste am Flughafen Schwechat sowie mehr Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden. Die Umsetzung
der Vorschläge des Rechnungshofes zum Aktionsplan Erneuerbare Energie forderte schließlich das BZÖ
ein.
Harmonisierter Emissionszertifikatehandel soll Klimaschutz forcieren
Da aufgrund weltweit anerkannter Expertengutachten davon auszugehen ist, dass die Emission von Treibhausgasen
die globale Mitteltemperatur gegenüber vorindustriellen Werten bis 2100 um 1,4 bis 5,8 °C erhöhen
wird, strebt die Staatengemeinschaft eine Stabilisierung des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf nicht mehr
als 2 °C an. Dafür müssen jedoch die weltweiten Emissionen bis 2050 gegenüber 1990 um zumindest
50 % gesenkt werden. Die zur besseren Erreichung dieses Ziels völlig überarbeitete Emissionshandels-Richtlinie
der EU setzt Österreich durch das Emissionszertifikategesetz 2011 um, das heute den Ausschuss mit S-V-Mehrheit
passierte.
Waren Zertifikate bisher weitgehend gratis zu haben, müssen sie nunmehr ab 2013 bei Versteigerungen erworben
werden. Stromerzeuger sind dann verpflichtet, 100 % ihrer Zertifikate zu ersteigern. Andere Anlagen erhalten zunächst
weiterhin Gratiszertifikate, die nach den Bestimmungen des "Benchmark-Beschlusses" von 2011 zugeteilt
werden. Maßgebend sind die effizientesten Anlagen und die Verlagerungsgefahr des jeweiligen Industriesektors
("carbon leakage"): Verlagerungsgefährdete Anlagen können Gratiszertifikate im Ausmaß
von 100 % erhalten, nicht verlagerungsgefährdete Sektoren hingegen nur 80 %. Bis 2020 wird dieser Anteil schließlich
auf 30 % verringert, 2027 endet die kostenlose Zuteilung von EU-Emissionszertifikaten insgesamt.
Abgeordneter Hermann Schultes (V) bekannte sich im Rahmen der Debatte zum nunmehr vorliegenden Entwurf, denn er
bringe Ordnung in das bestehende System und ordne die Kosten den Verursachern zu, zeigte er sich überzeugt.
Ohne das gegenständliche Gesetz bestehe hingegen die Gefahr, dass die Industrie der Aufgabe der Emissionsreduktion
nicht das notwendige Augenmerk schenke und die SteuerzahlerInnen – bei Nicht-Erreichung der angestrebten Ziele
– zur Kasse gebeten werden. Positiv bewertete Schultes außerdem die Tatsache, dass für energieintensive,
abwanderungsgefährdete Industrien Gratiszertifikate vorgesehen sind – ein Thema, das auch Abgeordneter Andrea
Gessl-Ranftl (S) besonders am Herzen lag.
Die Abgeordneten Rainer Widmann (B), Gabriela Moser (G) und Harald Jannach (F) hielten den Handel mit Zertifikaten
jedoch für missbrauchs- und korruptionsanfällig und mahnten überdies eine Zweckbindung der auf diesem
Wege akquirierten Mittel für klimaschutzbezogene Maßnahmen ein. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag
des BZÖ fand jedoch nur die Zustimmung der anderen Oppositionsparteien und verfehlte damit das erforderliche
Quorum – ein Faktum, das auch G-Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek außerordentlich bedauerte: Schließlich
sei ohne Zweckbindung zu befürchten, dass die Mittel auch zur Subventionierung klimaschädlicher Bereiche
genutzt werden, kritisierte sie.
Umweltminister Nikolaus Berlakovich zeigte wenig Verständnis für die Einwände der Opposition: Man
könne zum "Emission Trading System" – kurz: ETS – stehen wie man wolle, doch gebe es zur Zeit kein
besseres Modell, zeigte er sich überzeugt. Schließlich fördere man damit auch Investitionen in
den Klimaschutz. Die finanziellen Mittel, die man auf diesem Wege akquiriere, sollen, wie Berlakovich ausführte,
auch für dieses Ziel aufgewendet werden. Einer konkreten Zweckbindung stehe man angesichts großer Herausforderungen
auf dem Gebiet des Weltklimaschutzes, zu deren Bewältigung man sie heranziehen wolle, aber kritisch gegenüber.
Anträge der Opposition überwiegend vertagt
Das Gros der Oppositionsanträge, die es auf die Tagesordnung des Umweltausschusses geschafft hatten, wurde
mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.
Die Vertagung des Antrags der Grünen betreffend ein Bundesgesetz zur Förderung des Mehrweganteils von
Getränkeverpackungen ( 1645/A[E]) begründete man unter Hinweis auf die diesbezüglich ausgearbeiteten
Vorschläge der Sozialpartner, die Bundesminister Berlakovich noch präsentieren wolle. Es bleibe sie abzuwarten,
ehe man weitere Schritte auf diesem zweifellos wichtigen Gebiet setzen könne, zeigte sich S-Mandatar Walter
Schopf überzeugt. Aus ähnlichem Grund wurde auch der Antrag der Grünen betreffend ökologische
und klimagerechte Beschaffung des Bundes ( 479/A[E]) vertagt: Hier gelte es die Evaluation des diesbezüglichen
Aktionsplans abzuwarten, stand für S-Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl fest.
Was die Initiative des BZÖ betreffend Umsetzung der Rechnungshof-Empfehlungen zum Aktionsplan Erneuerbare
Energie ( 1680/A[E]) anbelangte, verwies V-Mandatar Konrad Steindl auf den inzwischen erfolgten Beschluss des Ökostromgesetzes,
das in Kürze zur Diskussion zu stellende Energieeffizienzgesetz, die umfangreichen Aktivitäten des Klimafonds
und erfolgreiche Kooperationen mit den Ländern auf Basis von 15a-Vereinbarungen. Mit neuen gesetzlichen Maßnahmen
wolle man aber bis zur Evaluation der bestehenden warten, informierte Steindl und stellte deshalb den Antrag auf
Vertagung – ein Vorgehen, das G-Abgeordnete Gabriela Moser und F-Mandatar Harald Jannach nicht nachvollziehen konnten.
Damit desavouiere man die Tätigkeit des Rechnungshofs, stand für sie fest.
Ebenfalls vertagt wurden die Anträge der FPÖ betreffend CO2-Sequestrierung ( 221/A[E]) sowie Sanierung
haustechnischer Anlagen und Senkung des Energieverbrauchs in öffentlichen Gebäuden bei gleichzeitiger
Unterstützung heimischer KMUs ( 493/A[E]). Begründet wurde dies mit dem Beschluss des CCS-Gesetzes im
Sommerministerrat bzw. der baldigen Vorlage des Energieeffizienzgesetzes, dessen Beratungen es abzuwarten gelte.
Abgelehnt wurden schließlich die Anträge der Freiheitlichen betreffend Förderung von Photovoltaik-Anlagen
( 209/A[E]) und sofortiger Planungs- und Baustopp für eine dritte Piste beim Flughafen Wien-Schwechat. Erstere
Forderung hielt S-Mandatar Rudolf Plessl angesichts der erfolgten Beschlussfassung des Ökostromgesetzes für
nicht mehr zielführend. Was die Initiative der Freiheitlichen in Hinblick auf den Flughafen Wien-Schwechat
anbelange, gelte es zu berücksichtigen, dass derzeit ein umfangreiches Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren
unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im Gang sei, erinnerte Abgeordnete Renate Csörgits
(S). Eine Intervention des Umweltministers wäre deshalb kontraproduktiv und damit abzulehnen. |