Brüssel (ec.europa) - In einem am 19.10. veröffentlichten Beobachtungsbericht verweist die
Europäische Kommission auf mangelnde Fortschritte beim Abbau von Handelsschranken innerhalb der G20-Staaten.
Aus dem Bericht geht hervor, dass sich die G20-Mitglieder stärker engagieren müssen, um ihre anfänglichen
Zusagen einzuhalten, nach dem Beginn der Krise keine neuen Handelsschranken einzuführen. Seit den Anfängen
der Beobachtungstätigkeit der Kommission im Oktober 2008 zählt der Bericht nicht weniger als 424 Maßnahmen,
die den offenen Handel beschränken. Allein in den letzten 12 Monaten wurden 131 neue Beschränkungen eingeführt,
gleichzeitig wurden nur 40 aufgehoben.
EU-Kommissar Karel De Gucht erklärte: Der Protektionismus stellt eine echte Bedrohung für den Wirtschaftsaufschwung
dar. Es bereitet mir Sorgen, dass das Gesamtbild sich nicht verbessert hat und unsere Handelspartner laufend neue
handelsbeschränkende Maßnahmen einführen. Die EU wird deswegen nicht aufhören in bi- und multilateralen
Gesprächen ihre Partner daran zu erinnern, sich an ihre Zusagen zum Abbau von Handelsschranken zu halten.
Im Folgenden die wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts:
- Zwischen Oktober 2010 und dem 1. September 2011 wurden von den Handelspartnern der EU 131 neue handelsbeschränkende
Maßnahmen eingeführt. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der geltenden Maßnahmen seit Beginn
der Krise auf 424 (gegenüber 333 im Vorjahr).
- Der starke Wirtschaftsaufschwung in vielen Ländern insbesondere in Schwellenländern hat nicht
zu einer Tendenzwende geführt. Bislang wurden nämlich nur 17 % (76) aller Maßnahmen aufgehoben
oder liefen aus. Die G20-Staaten haben die Erwartungen an die Einhaltung ihrer Roll-back-Zusage enttäuscht.
- Die neue Industriepolitik vieler G20-Mitglieder erhöht die Sorge um den offenen Handel und die ungehinderte
Investitionsfähigkeit, da sie sich oft auf Einfuhrsubstitutionen, Auflagen bezüglich heimischer Fertigungsanteile
und Beschränkungen der öffentlichen Auftragsvergabe stützt. In Schwellenländern wurden viele
handelsbeschränkende Maßnahmen in Pläne zur nationalen Industrialisierung eingebunden.
Was sind Handelsschranken?
Handelsschranken reichen von Ein- und Ausfuhrbeschränkungen in Form höherer Ein- und Ausfuhrabgaben oder
geringerer Ausfuhrquoten, die an Ländergrenzen angewendet werden, bis hin zu sogenannten binnenwirtschaftlichen
Maßnahmen, wie technischen Handelsschranken in Form von Konformitätsprüfungen und Zertifizierungsanforderungen,
die bei importierten Gütern strenger angewendet werden oder die über internationale Gepflogenheiten und
Anforderungen hinausgehen. Argentinien beispielsweise bestimmt weiterhin die Preise für importierte Güter.
Diese sind maßgebend für die Zollwertermittlung und deswegen auch für die Einfuhrabgaben. Indien
ein bedeutender Akteur auf dem Stahlmarkt erhöhte die Ausfuhrabgaben für Eisenerz. Indonesien führt
ständig neue verbindliche nationale Normen ein, die von internationalen Normen abweichen und Konformitätsprüfungen
durch ein indonesisches Labor vorschreiben. Mehrere Länder verschärften die Beschränkungen ihrer
öffentlichen Auftragsvergabe durch die Bevorzugung inländischer Bieter. In den vergangenen zwölf
Monaten führte Brasilien eine strenge steuerliche Regelung für Autos mit zu geringem heimischem Fertigungsanteil
ein, und verstieß damit gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung.
Welche Länder werden beobachtet?
Der Bericht erfasst 30 der Haupthandelspartner der EU, darunter auch die G20-Staaten: Ägypten, Algerien, Argentinien,
Australien, Belarus, Brasilien, China, Ecuador, Hongkong, Indien, Indonesien, Japan, Kanada, Kasachstan, Malaysia,
Mexiko, Nigeria, Pakistan, Paraguay, Philippinen, Russland, Saudi-Arabien, Schweiz, Südafrika, Südkorea,
Taiwan, Türkei, Ukraine, USA und Vietnam.
Mehr zum Beobachtungsbericht über potenziell handelsbeschränkende Maßnahmen, die im Zusammenhang
mit der Wirtschaftskrise ermittelt wurden
Dieser Bericht ist der achte in einer Reihe regelmäßiger Berichte, die von der Generaldirektion Handel
der Europäischen Kommission zur Beurteilung handelsbeschränkender Entwicklungen im Welthandel erstellt
werden. Die Berichterstattung wurde im Oktober 2008 nach dem Beginn der Wirtschafts-und Finanzkrise eingeführt.
Sie hat zum Ziel, regelmäßig zu überprüfen, ob die G20-Staaten ihre Zusagen auf dem Washingtoner
G-20-Gipfel im November 2008 einhalten, auf neue handelsbeschränkende Maßnahmen zu verzichten und bestehende
Maßnahmen umgehend aufzuheben.
Beim Gipfel in London im April 2009 verpflichteten sich die G20-Mitglieder ferner, Maßnahmen zu korrigieren,
die nach Beginn der Krise eingeführt wurden. Bei den nachfolgenden Gipfeln, so auch beim letzten G20-Gipfel
in Seoul im November 2010, wurden die Zusagen bis 2013 verlängert. Außerdem wurde die Bereitschaft zum
Roll-back geltender Maßnahmen bestätigt. Schließlich wurden WTO, OECD und UNCTAD beauftragt, auf
vierteljährlicher Grundlage die Entwicklung der Situation zu überwachen und öffentlich darüber
Bericht zu erstatten.
Die EU hält sich streng an diese Zusicherung. Ihr eigener Bericht, der von der Generaldirektion Handel veröffentlicht
wird, ergänzt die Beobachtungsmaßnahmen der WTO in Zusammenarbeit mit UNCTAD und OECD. Er wird von der
Union als Hauptbeobachtungsinstrument zur Beurteilung der Gefahr von Handelsprotektionismus und zur Schärfung
der Wachsamkeit von Entscheidungsträgern erachtet.
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