EU-Bericht betont Sorgen über wachsenden Protektionismus innerhalb der G20   

erstellt am
21. 10. 11

Brüssel (ec.europa) - In einem am 19.10. veröffentlichten Beobachtungsbericht verweist die Europäische Kommission auf mangelnde Fortschritte beim Abbau von Handelsschranken innerhalb der G20-Staaten. Aus dem Bericht geht hervor, dass sich die G20-Mitglieder stärker engagieren müssen, um ihre anfänglichen Zusagen einzuhalten, nach dem Beginn der Krise keine neuen Handelsschranken einzuführen. Seit den Anfängen der Beobachtungstätigkeit der Kommission im Oktober 2008 zählt der Bericht nicht weniger als 424 Maßnahmen, die den offenen Handel beschränken. Allein in den letzten 12 Monaten wurden 131 neue Beschränkungen eingeführt, gleichzeitig wurden nur 40 aufgehoben.

EU-Kommissar Karel De Gucht erklärte: „Der Protektionismus stellt eine echte Bedrohung für den Wirtschaftsaufschwung dar. Es bereitet mir Sorgen, dass das Gesamtbild sich nicht verbessert hat und unsere Handelspartner laufend neue handelsbeschränkende Maßnahmen einführen. Die EU wird deswegen nicht aufhören in bi- und multilateralen Gesprächen ihre Partner daran zu erinnern, sich an ihre Zusagen zum Abbau von Handelsschranken zu halten.“

Im Folgenden die wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts:

  • Zwischen Oktober 2010 und dem 1. September 2011 wurden von den Handelspartnern der EU 131 neue handelsbeschränkende Maßnahmen eingeführt. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der geltenden Maßnahmen seit Beginn der Krise auf 424 (gegenüber 333 im Vorjahr).
  • Der starke Wirtschaftsaufschwung in vielen Ländern – insbesondere in Schwellenländern – hat nicht zu einer Tendenzwende geführt. Bislang wurden nämlich nur 17 % (76) aller Maßnahmen aufgehoben oder liefen aus. Die G20-Staaten haben die Erwartungen an die Einhaltung ihrer Roll-back-Zusage enttäuscht.
  • Die neue Industriepolitik vieler G20-Mitglieder erhöht die Sorge um den offenen Handel und die ungehinderte Investitionsfähigkeit, da sie sich oft auf Einfuhrsubstitutionen, Auflagen bezüglich heimischer Fertigungsanteile und Beschränkungen der öffentlichen Auftragsvergabe stützt. In Schwellenländern wurden viele handelsbeschränkende Maßnahmen in Pläne zur nationalen Industrialisierung eingebunden.


Was sind Handelsschranken?
Handelsschranken reichen von Ein- und Ausfuhrbeschränkungen in Form höherer Ein- und Ausfuhrabgaben oder geringerer Ausfuhrquoten, die an Ländergrenzen angewendet werden, bis hin zu sogenannten binnenwirtschaftlichen Maßnahmen, wie technischen Handelsschranken in Form von Konformitätsprüfungen und Zertifizierungsanforderungen, die bei importierten Gütern strenger angewendet werden oder die über internationale Gepflogenheiten und Anforderungen hinausgehen. Argentinien beispielsweise bestimmt weiterhin die Preise für importierte Güter. Diese sind maßgebend für die Zollwertermittlung und deswegen auch für die Einfuhrabgaben. Indien – ein bedeutender Akteur auf dem Stahlmarkt – erhöhte die Ausfuhrabgaben für Eisenerz. Indonesien führt ständig neue verbindliche nationale Normen ein, die von internationalen Normen abweichen und Konformitätsprüfungen durch ein indonesisches Labor vorschreiben. Mehrere Länder verschärften die Beschränkungen ihrer öffentlichen Auftragsvergabe durch die Bevorzugung inländischer Bieter. In den vergangenen zwölf Monaten führte Brasilien eine strenge steuerliche Regelung für Autos mit zu geringem heimischem Fertigungsanteil ein, und verstieß damit gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung.

Welche Länder werden beobachtet?
Der Bericht erfasst 30 der Haupthandelspartner der EU, darunter auch die G20-Staaten: Ägypten, Algerien, Argentinien, Australien, Belarus, Brasilien, China, Ecuador, Hongkong, Indien, Indonesien, Japan, Kanada, Kasachstan, Malaysia, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Paraguay, Philippinen, Russland, Saudi-Arabien, Schweiz, Südafrika, Südkorea, Taiwan, Türkei, Ukraine, USA und Vietnam.

Mehr zum Beobachtungsbericht über potenziell handelsbeschränkende Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise ermittelt wurden

Dieser Bericht ist der achte in einer Reihe regelmäßiger Berichte, die von der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission zur Beurteilung handelsbeschränkender Entwicklungen im Welthandel erstellt werden. Die Berichterstattung wurde im Oktober 2008 nach dem Beginn der Wirtschafts-und Finanzkrise eingeführt. Sie hat zum Ziel, regelmäßig zu überprüfen, ob die G20-Staaten ihre Zusagen auf dem Washingtoner G-20-Gipfel im November 2008 einhalten, auf neue handelsbeschränkende Maßnahmen zu verzichten und bestehende Maßnahmen umgehend aufzuheben.

Beim Gipfel in London im April 2009 verpflichteten sich die G20-Mitglieder ferner, Maßnahmen zu korrigieren, die nach Beginn der Krise eingeführt wurden. Bei den nachfolgenden Gipfeln, so auch beim letzten G20-Gipfel in Seoul im November 2010, wurden die Zusagen bis 2013 verlängert. Außerdem wurde die Bereitschaft zum Roll-back geltender Maßnahmen bestätigt. Schließlich wurden WTO, OECD und UNCTAD beauftragt, auf vierteljährlicher Grundlage die Entwicklung der Situation zu überwachen und öffentlich darüber Bericht zu erstatten.

Die EU hält sich streng an diese Zusicherung. Ihr eigener Bericht, der von der Generaldirektion Handel veröffentlicht wird, ergänzt die Beobachtungsmaßnahmen der WTO in Zusammenarbeit mit UNCTAD und OECD. Er wird von der Union als Hauptbeobachtungsinstrument zur Beurteilung der Gefahr von Handelsprotektionismus und zur Schärfung der Wachsamkeit von Entscheidungsträgern erachtet.

     
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