IV-GS Neumayer: Zunehmende konjunkturelle Störfaktoren fordern ihren Tribut - Erneuter konjunktureller
Fadenriss jedoch unwahrscheinlich
Wien (pdi) - Erwartungsgemäß hat sich der Aufschwung in der österreichischen Industrie im
dritten Quartal deutlich abgeschwächt. Der Wert des IV-Konjunkturbarometers, welches als Mittelwert aus den
Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird,
halbiert sich von +35 Punkten im Vorquartal auf nunmehr +17 Punkte. "Einerseits reflektiert das Ergebnis der
aktuellen Konjunkturumfrage die Normalisierung des Geschäftsganges in dem Moment, da die Produktionseinbußen
der Jahre 2008 und 2009 nahezu wettgemacht sind, andererseits fordern die seit Jahresbeginn erheblich an Zahl und
Gewicht zunehmenden konjunkturellen Störfaktoren ihren Tribut", fasst der Generalsekretär der Industriellenvereinigung
(IV), Mag. Christoph Neumayer, das Hauptergebnis der Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung zum 3. Quartal
2011 zusammen.
In den vergangenen Wochen trug die vor dem Hintergrund der US-amerikanischen und europäischen Staatsschuldenkrise
erneut aufflammende Risikoaversion auf den Finanzmärkten zusätzlich zur erheblichen Eintrübung der
Konjunkturerwartungen bei. "Auf der Grundlage des aktuellen Datenkranzes erscheint ein erneuter konjunktureller
Fadenriss jedoch unwahrscheinlich. Sieht man von meteorologischen und institutionellen Unwägbarkeiten ab,
wird der Aufschwung in den kommenden beiden Quartalen voraussichtlich eher pausieren als in eine neuerliche Rezession
münden", so Neumayer.
Die Ergebnisse im Detail
Angefangen von den hohen Notierungen bei Rohöl und Industriemetallen über die Erdbebenkatastrophe in
Japan und ihre Folgen, die damit nur zum Teil in Zusammenhang stehende Abschwächung des Welthandels bis zum
Wiedereintritt in eine Phase geldpolitischer Straffung infolge höherer Inflationsraten war der konjunkturelle
Gegenwind in den vergangenen Monaten beträchtlich. Dennoch berichtet rund die Hälfte der Unternehmen,
exakt 53 %, von einem noch guten Geschäftsverlauf im zurückliegenden dritten Quartal. Mit einem schlechten
Geschäftsgang waren hingegen nur 3 % der Unternehmen konfrontiert, sodass sich die Einschätzung der derzeitigen
Geschäftslage in der Industrie mit +50 Punkten lediglich um zwei Punkte gegenüber der Sommererhebung
zurückgebildet hat.
In scharfem Kontrast hiezu fällt die Erwartungskomponente mit Sechs-Monats-Horizont von +18 Punkten zuvor
weit in negatives Territorium auf einen Wert von -16 Punkten und damit auf das Niveau des ersten Quartals 2009
ab. "Wenngleich die kommenden Quartale zumindest nach europäischer Definition kein Abgleiten in die Rezession
erwarten lassen, reflektiert dieser Einbruch nicht mehr nur eine Abschwächung des konjunkturellen Expansionstempos.
Vielmehr steht ein scharfer Tempoverlust mit einer anschließenden konjunkturellen Schwächephase von
mindestens zwei Quartalen Dauer bevor", so IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein.
Erstmals seit zehn Quartalen ist bei den Auftragsbeständen wieder ein Rückgang im Vergleich zum Vorquartal
(+46 Punkte nach zuvor +56 Punkten) zu verzeichnen. Zugleich hat sich der Anteil der Unternehmen mit einem unzureichenden
Auftragsbestand von 3 % auf 6 % erhöht. Die Auftragsreichweite nimmt insbesondere bei den Auslandsaufträgen
rasch ab - die Unsicherheit im internationalen Umfeld schlägt auf die Auftragsbestände aus dem Ausland
durch (Saldo +35 nach +56 im Vorquartal), während die Investitionskonjunktur im Inland noch deutlich abgeschwächt
anhält.
Die einerseits noch solide doch schwächere Auftragslage und die andererseits erheblich eingetrübten Konjunkturerwartungen
führen auf Sicht des vierten Quartals zu einem Nullsaldo bei den Produktionserwartungen. Bestehende Aufträge
werden abgearbeitet, für Produktionsausweitungen fehlen die Auftragsperspektiven, zumal sich der in den Büchern
stehende Auftragsbestand als korrekturanfällig erweisen könnte.
In Übereinstimmung mit den statischen Produktionsaussichten kommt der Beschäftigungsaufbau in der Industrie
zum Stillstand. Während die Einstellungsneigung angesichts des Fachkräftemangels kaum zurückgegangen
ist - 20 % der Unternehmen trachten weiterhin nach einer Ausweitung ihres Beschäftigtenstandes - rechnet mit
19 % ein nahezu ebenso großer Anteil der Unternehmen mit Stellenstreichungen. Wie es sich schon während
der Großen Rezession in den Jahren 2008 und 2009 andeutete, wird die Beschäftigung in der Industrie
dennoch trotz einer Wachstumsrate weit unterhalb der bisher üblichen Beschäftigungsschwellen voraussichtlich
insgesamt weitgehend gehalten werden.
Aufgrund der im dritten Quartal noch hohen Kapazitätsauslastung bewegte sich die Ertragslage in der Industrie
trotz anhaltend hohen Kostendrucks im vergangenen Quartal bei einem Wert von +31 Punkten (nach zuvor +36 Punkten)
auf konjunkturellem Normalniveau, vergleichbar dem Niveau des ersten Halbjahres 2006, während in Hochkonjunkturphasen
typischerweise Salden in Höhe von +50 Punkten erreicht werden.
Auf der Erlösseite wird es den Unternehmen vor dem Hintergrund der Wachstumsabschwächung in den kommenden
Monaten im Durchschnitt kaum möglich sein, über steigende Verkaufspreise (Saldo +3 nach +1) Kostenüberwälzungen
oder Ertragsverbesserungen zu erreichen.
Auf Sicht von sechs Monaten bilden sich die Ertragserwartungen der Unternehmen dementsprechend nicht nur zum dritten
Mal in Folge zurück, sondern unisono mit der Erwartungskorrektur bei dem zukünftigen Geschäftsverlauf
dreht der Saldo von +11 Punkten auf -8 Punkte. Aus den sich verschlechternden Finanzierungsbedingungen erwächst
zugleich das singulär größte Risiko für den mittelfristigen Konjunkturverlauf: eine geringere
Selbstfinanzierungskraft in Verbindung mit sich verschlechternden Finanzierungsbedingungen, sowohl hinsichtlich
der Kreditverfügbarkeit als auch der Konditionen, droht als Investitionsbremse zu wirken und damit das Potenzialwachstum
der österreichischen Wirtschaft nachhaltig zu schwächen.
Zwtl.: Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 427 Unternehmen mit rund 331.300
Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen werden
drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible "Saldo" aus den Prozentanteilen
positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet. |