Direktinvestitionen im ersten Halbjahr 2011
Wien (oenb) - Österreichische Direktinvestoren haben im ersten Halbjahr 2011 mit 10 Mrd Euro
erhebliche Finanzmittel im Ausland neu veranlagt. Im Gegenzug haben auch ausländische Geldgeber in heimische
Unternehmen 8,6 Mrd Euro investiert. Diese Entwicklung deutet jedoch keineswegs auf ein optimistisches Investitionsklima
hin, da die Mittel beiderseits vorwiegend in bereits bestehende Beteiligungen flossen. Als Folge der anhaltend
unsicheren Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten wagen sich heimische Unternehmen derzeit nur selten an
neue Beteiligungen. Gleichzeitig verschob sich der Anlageschwerpunkt merkbar nach Westeuropa, während bislang
wichtige Zielgebiete in Mittel-, Ost- und Südosteuropa an Bedeutung verloren.
Im Verlauf des ersten Halbjahres 2011 haben heimische Direktinvestoren 10 Mrd Euro im Ausland neu veranlagt, wovon
6,9 Mrd Euro auf Eigenkapital, 300 Mio Euro auf reinvestierte Gewinne und 2,8 Mrd Euro auf Kreditgewährungen
entfielen. Nur in den drei Halbjahren vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise Mitte 2008 waren höhere
Beträge investiert worden. Umgekehrt flossen mit 8,6 Mrd Euro auch deutlich mehr Finanzmittel aus dem Ausland
nach Österreich als zuletzt. Die Eigenkapitalkomponente war hier mit 4,9 Mrd Euro ebenfalls hoch und die reinvestierten
Gewinne mit 400 Mio Euro gering; 3,3 Mrd Euro entfielen auf erhaltene konzerninterne Kredite. Auf der Passivseite
markiert das Berichtssemester den dritthöchsten Zufluss in einem Halbjahr.
Trotzdem kann man nicht von einem wirklichen Aufschwung der grenzüberschreitenden Investitionsaktivitäten
sprechen, da das Ergebnis des Berichtshalbjahres von der Einbringung des österreichischen Autohandelsunternehmens
Porsche Holding in den VW-Konzern durch die in Österreich ansässigen Eigentümerfamilien dominiert
wird. Daraus resultierten sowohl aktiv- als auch passivseitig erhebliche Direktinvestitionen. Dazu kommt, dass
in beiden Richtungen vorwiegend in bestehende grenzüberschreitende Beteiligungen investiert wurde, wobei in
einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle Verlustabdeckungen und Kapitalstärkungen das Motiv gewesen sein
dürften. Ein deutlich positives Signal sind hingegen die rekordhohen Gewinnausschüttungen: Heimische
Investoren lukrierten bis Ende Juni 2011 4,7 Mrd Euro an Gewinnanteilen, mehr als jemals zuvor; an ausländische
Eigentümer flossen 3,1 Mrd Euro aus ihren österreichischen Beteiligungen. Diese hohen Ausschüttungen
sind gleichzeitig die Erklärung für die relativ geringen Reinvestitionen.
Die Aufgliederung der aktiven Direktinvestitionen nach Zielländern spiegelt ebenfalls eine deutlich veränderte
Situation wider: Von den früher dominierenden Zielländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas scheinen
2011 nur Russland und Kasachstan mit 280 bzw. 240 Mio Euro an Neuinvestitionen unter den ersten Zehn auf. Nach
dem Spitzenreiter Deutschland (+3,6 Mrd Euro) folgen das Vereinigte Königreich (+1,5 Mrd Euro) und Frankreich
(+1,1 Mrd Euro vorwiegend aus Konzernkrediten). Die Cayman Islands, Niederlande und U.S.A. liegen bereits mit erheblichem
Abstand zurück.
Bei der Herkunft der ausländischen Direktinvestitionsmittel dominieren Deutschland und Italien mit einer Zufuhr
von +4,0 Mrd Euro bzw. +3,3 Mrd Euro. Die Positionierung Gibraltars auf Platz 4 mit 780 Mio Euro reflektiert u.a.
die Fusion der österreichischen bwin Interactive Entertainment AG mit der britischen PartyGaming Plc. Brasiliens
6. Platz (610 Mio Euro) ist Ausdruck einer seit kurzem zu beobachtenden wachsenden Beliebtheit Österreichs
als Standort für brasilianische Holdinggesellschaften. |