Oberösterreich vertieft seine Perspektiven für eine Engagementpolitik
Linz (lk) - Die Oö. Zukunftsakademie wurde mit 1. Jänner 2011 als Think Tank des Landes
Oberösterreich eingerichtet. Als strategische Zukunftseinrichtung des Landes Oö. hat sie die Aufgabe,
die Zukunftskompetenz im Land Oberösterreich zu stärken, Zukunftsthemen aufzubereiten und konkrete Vorschläge
erarbeiten. Unmittelbare Zielgruppen sind die Entscheidungsträger der Landespolitik und die Landesverwaltung,
wobei eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Bildungseinrichtungen, Wirtschaft und Gebietskörperschaften
angestrebt wird.
Eines der zentralen Zukunftsthemen in Oberösterreich ist das ehrenamtliche und freiwillige Engagement der
Menschen. Die Oö. Zukunftsakademie wurde daher beauftragt, die Oberösterreichische Situation im Vergleich
zu anderen österreichischen und deutschen Bundesländern einzuschätzen und Perspektiven für
die nächsten Jahre zu erarbeiten.
Im Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011 hat das Land Oberösterreich bereits eine Palette
neuer Maßnahmen umgesetzt, welche die Bedingungen für freiwilliges und ehrenamtliches Engagement unmittelbar
und sehr konkret verbessern. Beispiele sind die Haftpflicht- und Unfallversicherung für Ehrenamtliche, die
Internetplattform "Börse Ehrenamt" - http://www.boerse-ehrenamt.at,
die Schaffung von Ehrenamtsanlaufstellen in den Bürgerservicestellen der BHs als "Treffpunkt Ehrenamt"
und die Kampagne "Ehrensache - 2011 Jahr der Freiwilligenarbeit" zur Information der Bevölkerung
und mit zahlreichen Einzelaktivitäten der Ressorts.
Nun gegen Ende des Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit werden die Bemühungen zu diesem
Thema nicht abgeschlossen, sondern es soll dieser Schwerpunkt auch in Zukunft hohe Priorität in der Zukunftspolitik
des Landes einnehmen. Dafür gilt es, folgende Fragen näher unter die Lupe zu nehmen:
- Welche Themen gilt es in Angriff zu nehmen?
- Wo liegen die künftigen Chancen, Potenziale aber auch Engpässe und Hindernisse?
- Was können wir von den Besten in Europa lernen?
- Wie können wir einzelne Zielgruppen besser erreichen?
- Wie und in welcher Form können jene 150.000 Oberösterreicher/innen, die nicht freiwillig engagiert
sind - aber dazu bereit wären - angesprochen und für freiwilliges Engagement gewonnen werden.
Daraus wurden untenstehende Vorschläge und Einschätzungen für die künftige Positionierung der
Themen "Ehrenamt und freiwilliges Engagement" abgeleitet.
Oberösterreich steht österreichweit an der Spitze
Im europäischen Vergleich zählt Österreich zu den Spitzenreitern im ehrenamtlichen Engagement. Innerhalb
Österreichs, aber auch verglichen mit deutschen Bundesländern, liegt Oberösterreich, die Zahl der
freiwillig Engagierten betreffend, ganz vorne. Vor allem im Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011 wurden wichtige
Rahmenbedingungen und Strukturen geschaffen. Darüber hinaus gibt es in Oberösterreich Entwicklungspotenziale
vor allem auf der programmatischen Ebene, in der Frage der maßgeschneiderten Angebote für jung und alt
Zielgruppen aber auch im Zusammenwirken mit Unternehmen und Gemeinden.
Konturen einer Landes-Engagementpolitik
Neben den großen Gestaltungsbereichen Wirtschafts-, Sozial-, Umwelt-, und Energiepolitik gewinnt auch die
Engagementpolitik als katalytisches Element zunehmend an Bedeutung. Dabei geht um einen wichtigen Faktor in einer
ganzheitlichen Standortpolitik, die neben einer intakten Natur, einer modernen Infrastruktur und einer dynamischen
Wirtschaft auch das Sozialkapital der Menschen - die zwischenmenschlichen Beziehungen und den sozialen Zusammenhalt
- entsprechend berücksichtigt und zur Geltung bringt.
Sozialkapital und Engagement hängen dabei eng zusammen. Richtig verwendet, vermehrt Sozialkapital den Wohlstand
einer Region, bringt wirtschaftlichen Erfolg und steigert die Effizienz. Allerdings müssen Regionen "in
Sozialkapital investieren", um diesen positiven Effekt auch wirksam zu machen.
Ziel ist es, den Themenbereich Ehrenamt weiter in Richtung Zukunft auszurichten und das Engagement der Bürger/-innen
und ihre Bereitschaft, sich in die Gestaltung Oberösterreichs aktiv einzubringen, laufend auszuweiten und
zu einem Schwerpunkt der Zukunftspolitik Oberösterreichs zu machen. Eigenverantwortung und aktives Mitwirken
der Bürger/innen in allen gesellschaftlichen Bereichen des Landes - Familie, Soziales, Gesundheit, Integration,
Kultur, Gestaltung der Lebensräume, politische Teilhabe, gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen etc.
- sollen kontinuierlich ausgebaut werden.
Dabei wird es auch klar, dass neben dem formellen Ehrenamt, das in einem Verein oder einer Institution geleistet
wird, auch das informelle Ehrenamt, also das zeitlich begrenzte Mitwirken in Projektgruppen oder in der Nachbarschaftshilfe
immer wichtiger werden.
Freiwilligentätigkeit macht glücklich - das Land ist "Türöffner"
Der Schweizer Glücksforscher Bruno Frey stellt eindeutig fest, dass freiwilliges Engagement die Menschen glücklich
macht. Er wies empirisch nach, dass die Lebenszufriedenheit bei jenen, die nie unentgeltlich arbeiten am geringsten
ist. Mit zunehmender Freiwilligentätigkeit steigt die Zufriedenheit. Personen, die sich wöchentlich engagieren,
erreichen die höchsten Zufriedenheitswerte.
Warum wird aber nicht mehr Freiwilligenarbeit geleistet, wenn sie doch die individuelle Zufriedenheit erhöht?
Ein zentraler Grund ist, dass die Menschen offensichtlich nicht in der Lage sind, die Befriedigung und den Nutzen
aus zukünftigen Tätigkeiten korrekt vorherzusehen. Damit wird die Bedeutung, die das Land Oberösterreich
als "Impulsgeber" und "Türöffner" mit entsprechenden Programmen, Rahmenbedingungen
und Angeboten hier spielt, vollkommen klar.
In Oberösterreich wird die Bedeutung des Ehrenamts von jung und alt generell hoch eingeschätzt. Allerdings
haben die unterschiedlichen Altersgruppen sehr verschiedene Ansprüche und Bedürfnisse ihr ehrenamtliches
Engagement betreffend. Aus diesem Grund bedarf es einer vertieften Betrachtung je nach Altersgruppen.
Neue Studie zum freiwilligen Engagement der Jugend
53 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen (16 - 30 Jahre) sind in Oberösterreich ehrenamtlich engagiert.
Zahlreiche Projekte zeichnen das Bild einer zukunftsoffenen und kreativen Jugend. Vor allem bei Feuerwehr, Rotem
Kreuz, Kultur und in der Jugendarbeit engagieren sich die jungen Leute gerne. Alleine in der Jugendarbeit sind
in Oberösterreich 19.000 Jugendliche ehrenamtlich aktiv.
Im Rahmen des Freiwilligensymposiums 2011 am 28. Oktober 2011 in Linz wird auch die vom Land Oberösterreich
in Auftrag gegeben Studie "Jugend- und Freiwilligenengagement in Oberösterreich" präsentiert,
die Informationen und Möglichkeiten in diesem Bereich vertieft darstellt.
Ehrenamtliches Engagement älterer Menschen im Fokus
Obwohl die über 50-Jährigen dem Ehrenamt mehr Bedeutung beimessen als jüngere Altersgruppen, sind
sie deutlich weniger ehrenamtlich engagiert, ergab die IMAS Umfrage 2010 zum Thema Ehrenamt in Oberösterreich.
Im Vergleich zur Altersgruppe der 30 bis 50-Jährigen sinkt bei den über 50-jährigen Männern
das ehrenamtliche Engagement von 67,1 auf 53,5 Prozent und bei den über 50-jährigen Frauen von 43,9 auf
35,0 Prozent. Die 50-Plus-Generation engagiert sich bevorzugt in den Bereichen Gesundheit- und Pflege, Geselligkeit,
Kirche/Religion sowie in Selbsthilfegruppen und in Bürgerinitiativen.
Für viele berufstätige Menschen zwischen 30 und 50 Jahren wird es immer schwieriger, sich nebenher ehrenamtlich
zu engagieren. So ist vor allem die Altersgruppe 50-75 eine wichtige Zielgruppe, die es verstärkt einzubinden
gilt. Auch die demographische Entwicklung unterstreicht dies. So wird sich die Zahl der Bürger/-innen über
65 Jahren im Zeitraum 2009 bis 2030 von etwa 240.000 um mehr als die Hälfte auf über 370.000 erhöhen.
Gleichzeitig nimmt die Lebenserwartung weiter zu. Es wird künftig immer mehr gut ausgebildete Senioren/innen
mit hoher körperlicher und geistiger Fitness geben.
Freiwilliges Engagement, das rechtzeitig und in geeigneter Form in Angriff genommen wird, führt zu einer höheren
Lebensqualität. Anknüpfungspunkte gibt es viele, ob über Organisationen und Vereine auf Projektebene
oder in der Nachbarschaftshilfe.
2012 ist das Europäische Schwerpunktjahr des "Aktiven Alterns". Am Übergang von 2011 zu 2012
bietet sich die Verbindung mit dem freiwilligem Engagement an. Welche Möglichkeiten es hier gibt, wie diese
besser genutzt werden können und welche konkreten Empfehlungen für Oberösterreich daraus ableitbar
sind, wird von der Oö. Zukunftsakademie in einem Projekt vertieft bearbeitet.
Es sollten Potenziale, Bedürfnisse und Fähigkeiten der Zielgruppe erfasst, aber auch konkrete modellhaften
Umsetzungsmöglichkeiten dargestellt werden.
Unternehmen fördern und schätzen ehrenamtliches Engagement
Immer mehr Unternehmen unterstützen das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter/-innen. "Corporate
Volunteering" ist das Stichwort, wenn beispielsweise Mitarbeiter/innen für einen bestimmten Zeitraum
freigestellt werden, damit sie sich in einer gemeinnützigen Einrichtung ehrenamtlich engagieren und als Team
ganz neue Erfahrungen machen können. Mitarbeiter/innen werden dadurch zu Botschaftern ihres Unternehmens und
vermitteln Firmenwerte.
Laut einer Erhebung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz erachten es 86 Prozent
der Wirtschaftstreibenden für sehr bzw. ziemlich wichtig, dass sich Menschen außerhalb ihres Berufs
freiwillig engagieren. Rund 4 von 10 Unternehmen gewähren für außerberufliches Freiwilligenengagement
Bildungskarenz bzw. temporäre Freistellung. Bei immerhin 42 Prozent der Unternehmen würde ein Nachweis
über freiwillige Tätigkeiten die Chancen für die Einstellung eher verbessern.
Mit 58 Prozent ehrenamtlich Tätigen sind die 30 bis 49 Jährigen jene Altersgruppe, die sich am meisten
freiwillig engagiert. Um dieses hohe Niveau aufrecht erhalten zu können bedarf es einer wachsenden Zahl von
Unternehmen, die sich für ein Corporate Volunteering engagieren.
Gemeinden als Plattformen für Engagement, Beteiligung und Ehrenamt stärken
Die Gemeinden sind durch ihre Nähe zu den Bürgern eine der wichtigsten Struktur zur Stärkung freiwilligen
Engagements (z.B. durch Vereinsförderung, Beteiligung, Bürgerservice etc.). Das Land Oberösterreich
unterstützt und fördert die Gemeinden. Eine Reihe von Programmen des Landes (Gesunde Gemeinde, Dorf-
und Stadtentwicklung, Agenda 21 etc.) stärkt besonders das freiwillige Engagement.
Wie man die Engagement fördernden Synergien dieser Programme verbessern kann, welche Potenziale bürgerschaftliches
Engagement für die Entlastung der Gemeinden in Zeiten knapper Kassen hat, wie eine zukunftsorientierte Gemeindepolitik
mit laufender Einbindung der Bürger/innen und welche neuen Modelle für Eigeninitiative und bürgerliches
Engagement es auf Gemeindeebene gibt, sind einige relevante Fragestellungen die weiter zu vertiefen sind.
Die oben angeführten Themen ergeben einen ersten Überblick, die in Richtung konkreter Empfehlungen noch
aufbereitet werden.
Es sind 2011 noch folgende konkrete Schritte geplant
· "Freiwilligensymposium 2011" - Signal an die 600.000 Ehrenamtlichen
Als starkes Signal, das den mehr als 600.000 freiwillig engagierten Oberösterreichern/innen gewidmet
ist, findet am 28. Oktober 2011 findet im Linzer Landhaus das Freiwilligensymposium statt. Neben den Motivationsfaktoren
und den Auswirkungen der Freiwilligentätigkeit auf Wohlbefinden und Gesundheit werden auch künftige Themen
und Weichenstellungen diskutiert.
· Verstärkte Vernetzung mit Bayern und Vorarlberg
Bayern, Baden Württemberg und Vorarlberg sind Länder, die seit langem gezielt das Ehrenamt und das Engagement
ihrer Bürger/-innen in vielen Lebensbereichen fördern. Durch das Vernetzen mit den Besten werden Erfahrungen
und zukunftsweisende Ideen für Oberösterreich nutzbar gemacht.
Noch im Oktober werden im Rahmen des Oberösterreich-Besuchs der bayerischen Staatsministerin für Arbeit,
Sozialordnung, Familie und Frauen Christine Haderthauer mögliche Kooperationen im Bereich Ehrenamt und Freiwilligenengagement
erörtert.
Ebenso wurde bereits eine Kooperation zwischen der Oö. Zukunftsakademie und dem Vorarlberger Büro für
Zukunftsfragen etabliert.
Anfang Dezember wird von der Oö. Zukunftsakademie ein Experten/-innenworkshop durchgeführt, in dessen
Rahmen die unterschiedlichen Möglichkeiten und Ideen für Oberösterreich vertieft bearbeitet werden.
Daraus werden Handlungsempfehlungen abgeleitet und in einem Programmvorschlag für das Jahr 2012 zusammengefasst.
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