Barbara Prammer überreicht ein Ehrenzeichen und erhält selbst eines
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer begrüßte am Nachmittag des 18.10.
prominente Gäste zur Überreichung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst
an Gerald Nagler. Bundespräsident Heinz Fischer verlieh den Orden dem Mitbegründer der in Wien ansässigen
Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte. Gerald Nagler stand von 1982 bis 1992 als Generalsekretär
an der Spitze der von ihm mitbegründeten Organisation, die sich für die Durchsetzung und Wahrung der
Menschenrechte in den OSZE-Staaten einsetzt. Gerald Naglers Engagement für Menschenrechte und seine Unterstützung
von MenschenrechtsaktivistInnen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks hat wesentlich zum Fall des "Eisernen
Vorhangs" beigetragen, führte Präsidentin Prammer in ihrer Würdigung Gerald Naglers aus.
Gerald Nagler wurde 1929 in Wien geboren, übersiedelte 1931 als Zweijähriger mit seinen Eltern nach Schweden,
das zu seiner zweiten Heimat wurde. Dennoch blieb Nagler Österreich immer freundschaftlich verbunden, sagte
Prammer und erinnerte daran, dass sich Nagler schon früh mit großem Engagement, Mut und Hartnäckigkeit
für Menschenrechte einsetzte und dabei nicht selten sein Leben riskierte.
Nagler hat in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Netzwerk aufgebaut, um auf Verstöße
gegen Menschenrechte in Russland aufmerksam zu machen, Lobbying bei internationalen Organisationen betrieben und
im Laufe der Jahre MitstreiterInnen für die Sache der Menschenrechte in vielen Ländern gewonnen. Gerald
Nagler reiste immer wieder in die Sowjetunion, um sich gemeinsam mit Andrei Sacharow und Jelena Bonner gegen die
massive Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung einzusetzen. Dabei gelang es Nagler, Menschenrechtsverstöße
in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit zu rücken und die Politik zu zwingen, sich damit auseinanderzusetzen.
Als im Jahr 1982 die Internationale Helsinki Föderation gegründet wurde, zählte Gerald Nagler zu
den Gründern dieser Dachorganisation, die ihren Sitz in Wien hat und die damals bereits existierenden unabhängigen
Komitees in Österreich, Belgien, Kanada, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und USA umfasste.
Als Generalsekretär leitete Gerald Nagler die Internationale Helsinki Föderation von 1982 bis 1992 und
war von 1992 bis 1998 Mitglied ihres Vorstands. Die Helsinki Föderation fungierte als Informationsdrehscheibe
in Menschenrechtsfragen für Regierungen, zwischenstaatliche Organisationen, Medien und Öffentlichkeit.
Für diese wichtige Arbeit erhielt Gerald Nagler 1988 den Preis der Bruno Kreisky Stiftung für Verdienste
um die Menschenrechte, erinnerte Barbara Prammer.
Gerald Nagler habe auch vielen österreichischen Stellen als Experte und Vermittler in Menschenrechtsfragen
zur Verfügung gestanden, sagte die Nationalratspräsidentin und ließ ihr Lob für das Wirken
Gerald Naglers in der Feststellung gipfeln, sein Engagement für Menschenrechte und die Unterstützung
von AktivistInnen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks habe wesentlich zum Fall des "Eisernen Vorhangs"
beigetragen.
"Gerald Nagler hat sich nicht zur Ruhe gesetzt", hielt Barbara Prammer abschließend fest. Das ist
wichtig, weil es nicht leichter, sondern schwieriger geworden ist, weltweit auf die Einhaltung der Menschenrechte
zu achten. Wir in der Politik wissen es zu schätzen, dass es Menschen wie Gerald Nagler gibt, die ein Leben
lang ihre Finger in offene Wunden legen und so der Politik ermöglichen, Schritte nach vorne zu setzen."
Ihre Wertschätzung brachte Präsidentin Prammer auch der starken Frau an der Seite von Gerald Nagler zum
Ausdruck, der Kulturjournalistin und ehemaligen Präsidentin des PEN-Klubs Schweden, Monica Nagler-Wittgenstein,
die die Arbeit ihres Mannes tatkräftig unterstützt.
Die ehemalige Klubvorsitzende der Grünen, Freda Meissner-Blau, würdigte Gerald Nagler in ihrer sehr persönlich
gehaltenen Laudatio als einen Mann, der über Jahrzehnte für die Durchsetzung der Menschenrechte gegen
terroristische und barbarische Unterdrückung, vor allem in Russland und in den Ländern des Ostblocks
gekämpft hat, verhaftet wurde und oft auch sein Leben riskierte. Auf diesem Weg habe Gerald Nagler viele
Freunde gewonnen und an diesen Freundschaften in einer bewundernswerten Weise ein Leben lang festgehalten.
Über Gerald Nagler zu sprechen, bedeute, über ein wichtiges Stück Zeitgeschichte zu sprechen, das
keineswegs zu Ende sei, weil es immer noch in vielen Teilen der Welt immer noch darum gehe, die Achtung der Menschenrechte
durchzusetzen, betonte Freda Meissner-Blau. Es sei eine weise Entscheidung des Westens gewesen, der Sowjetunion
im Zuge des Helsinki-Prozesses die nach dem Zweiten Weltkrieg gezogenen Grenzen gegen die Zusage zu garantieren,
dass sie die Menschenrechte einhält. Das sei die Voraussetzung zur Unterstützung jüdischer Gruppen
in Moskau sowie von Dissidenten in Warschau und Prag geworden. Mit diesen Gruppen hat Gerald Nagler gearbeitet
und daher sei es nur logisch gewesen, ihn als Generalsekretär der Internationalen Helsinki-Föderation
zu bestellen. Er habe damit eine zentrale Rolle in einem revolutionären Prozess eingenommen, der zuletzt zum
Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs führte.
Freda Meissner-Blau schilderte auch persönliche Erlebnisse mit Gerald Nagler, etwa eine Reise nach Albanien,
wo es Nagler mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit und seinem diplomatischem Geschick gelang, dem Nachfolger
Enver Hodschars die Freilassung von hundert politischen Gefangenen abzutrotzen. Gerald Nagler glaubt fest daran,
dass es auf jeden einzelnen ankomme und selbst kleine Gruppen von Menschen in der Lage seien, vieles zu verändern
und sich erfolgreich für die Demokratie und für die Durchsetzung der universellen Menschenrechte einzusetzen.
In diesem Zusammenhang warnte Freda Meissner-Blau vor aktuellen Entwicklungen, insbesondere in Ländern, die
dem Kampf gegen den Terrorismus Priorität einräumen: vor der Überwachung der BürgerInnen, der
Einschränkung der Bürgerrechte sowie vor einer schleichenden Entdemokratisierung. "Wir müssen
sehr wachsam sein!", schloss Freda Meissner-Blau ihre Laudatio auf Gerald Nagler.
Gerald Nagler widmete das Ehrenzeichen, über das er sich sehr freue, sogleich den Dissidenten, die für
die Durchsetzung der Menschenrechte in den Ländern des ehemaligen Ostblocks einen hohen Preis bezahlt haben.
Gerald Nagler berichtete von den Zielen, mit denen die Internationale Helsinki-Föderation gegründet wurde
und von der Arbeit dieser Organisation, die richtigerweise in Wien angesiedelt wurde. Für seine Aufgabe als
Generalsekretär habe er oft politischen Rat gebraucht und ihn bei seinem alten Freund Bruno Kreisky und bei
seinen Wiener Freunden gefunden, erzählte Nagler: "Ohne diese Hilfe wäre meine Arbeit nicht möglich
gewesen. Ich danke Euch" sagte Gerald Nagler seinen Wiener Freundinnen und Freunden.
Nagler schilderte seine zahlreichen Reisen in die Länder jenseits des damaligen Eisernen Vorhangs und seine
Bemühungen, Informationen über die Lage der Dissidenten im Osten zu sammeln und weiterzugeben, sowie
an sein Bestreben, den Familien inhaftierter Dissidenten zu helfen. Durch den Einsatz ihrer "Soft Power"
haben es die Dissidenten möglich gemacht, den Eisernen Vorhang ohne Blutvergießen zu überwinden,
zeigte sich Nagler überzeugt.
Für die Überreichung des Ehrenzeichens revanchierte sich Gerald Nagler bei Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer, indem er ihr einen kleinen silbernen Teelöffel überreichte, ein Ehrenzeichen des "Orders
of the Teaspoon", der sich im Geist von Mahatma Gandhi und Amos Oz gegen Fanatismus und für Toleranz
engagiert und sich dabei an folgender Weisheit orientiert: Wenn es brennt und es fehlt an Kübeln voll Wasser,
ist es auch möglich, das Feuer zu löschen, wenn viele Menschen zu ihren Teelöffeln greifen".
Im musikalischen Rahmen der Feierstunde begeisterte das Adamas-Streicher-Quintett das Publikum mit Klängen
aus vier Jahrhunderten Musikgeschichte von Tomaso Giovanni Albinoni über Wolfgang Amadeus Mozart und Duke
Ellingten bis Stevie Wonder. |