Brüssel (europarl) - Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben am 27.10. dem Vorschlag
der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der
sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie zugestimmt.
„Vor einem Jahr hat es die Kommission ganz deutlich gemacht: Die EU toleriert nicht, dass Kinder von Kriminellen
als Objekte zur Befriedigung ihres Sexualtriebs missbraucht oder als Ware gehandelt werden. Ich finde es großartig,
dass Parlament und Rat diesen Vorschlag unterstützen“, so Cecilia Malmström, die Europäische Kommissarin
für Inneres. „Mit dieser Richtlinie können wir etwas bewirken. Wir machen es leichter, Verbrechen an
Kindern zu ahnden und zu verhindern. Gleichzeitig schützen wir die Opfer besser. Die neuen EU-Rechtsvorschriften
werden maßgeblich zum Schutz der Kinder vor solch abscheulichen Verbrechen beitragen.“
Die Richtlinie orientiert sich stark am Vorschlag der Kommission, schließt aber auch die heute im Parlament
angenommenen Änderungen ein.
Sie enthält insbesondere nicht nur Bestimmungen über die Verfolgung von Straftätern, sondern auch
über die Verbrechensprävention und den Schutz von Opfern im Kindesalter. Sie berechtigt Arbeitgeber,
Strafregister einzusehen, und sieht präventiv Aufklärungskampagnen und die Fortbildung von Fachkräften
vor. Außerdem verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten dazu, kinderpornografische Internetseiten von
Servern in ihrem Staatsgebiet zu entfernen und auch außerhalb der eigenen Grenzen darauf hinzuwirken.
Von den EU-Mitgliedstaaten wird nun erwartet, dass sie im Rat die politische Einigung in eine offizielle Form bringen
und die Richtlinie schnellstmöglich verabschieden.
Hintergrund
Die Begriffe „sexuelle Ausbeutung" und „sexueller Kindesmissbrauch" beziehen sich auf Straftaten wie
sexuelle Handlungen mit Kindern unter einer bestimmten Altersgrenze oder unter Zwang, Kinderprostitution oder Kinderpornografie.
Diese besonders gravierenden Straftaten gegen Kinder, die ja besonderen Schutz und spezielle Fürsorge benötigen,
verursachen langfristige und schwerwiegende Schäden. Dennoch ist es sehr schwierig, gegen diese Verbrechen
vorzugehen. Kinder sind oft verletzlich, schämen sich und haben Angst, über das Erlebte zu sprechen.
Im März 2010 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur grundlegenden Überarbeitung
der EU-Rechtsvorschriften (Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI, der die Mindestangleichung der nationalen
Rechtsvorschriften sicherstellte, jedoch erhebliche Mängel aufwies), vor. Der Rat und das Europäische
Parlament diskutierten diesen Vorschlag und erzielten im Juni 2011 eine politische Einigung in Form eines Kompromisstextes.
Die neue Richtlinie wird die Bekämpfung von Straftaten gegen Kinder in folgenden Bereichen vereinfachen:
- Strafrecht: Zahlreiche Formen des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung werden unter Strafe gestellt.
Auch neue, durch das Internet begünstigte Handlungen wie das „Grooming“ (Kontaktaufnahme zu Kindern via Internet
zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs) oder das Ansehen von kinderpornografischem Material im Internet oder über
Webcams werden erfasst. Genauere Vorschriften zum Strafmaß (sechs Abstufungen von einem bis zu zehn Jahren
Haftstrafe) sorgen für eine einheitlichere Klassifizierung der Verstöße und werden die Unterschiede
zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten verringern.
- Zur Bekämpfung des Missbrauchs durch Sexualstraftäter im Ausland (der sogenannte „Kindersextourismus”)
können nationale Behörden Staatsangehörige auch dann strafrechtlich verfolgen, wenn sie die Straftat
außerhalb der eigenen Grenzen begangen haben. Die Organisation von Sextourismusreisen und die Werbung damit
werden verboten.
- Um die Verfolgung von Straftätern zu erleichtern, wird es bis zur Volljährigkeit des Opfers möglich
sein, in jedem Mitgliedstaat ein Verfahren zu eröffnen. Vertraulichkeitsbestimmungen werden Personen, die
mit Kindern arbeiten, nicht länger daran hindern, Verstöße anzuzeigen. Zur Identifizierung von
Opfern (insbesondere von Kinderpornografie) wird die Polizei verpflichtet, Sondereinheiten einzurichten und diese
mit effizienten Ermittlungsinstrumenten auszustatten.
- Opfer im Kindesalter werden besser geschützt: Sie erhalten umfassende Hilfe und Unterstützung, jedes
Kind wird einer Einzelfallbewertung unterzogen, der Zugang zu Rechtsmitteln wird erleichtert und Kinder erhalten
eine besondere Betreuung zur Vermeidung von Traumata infolge der Strafverfolgungsverfahren.
- Um sexuellen Missbrauch und sexuelle Ausbeutung zu verhindern, wird jeder überführte Straftäter
einem Programm zur Risikoabschätzung unterzogen und in ein für ihn maßgeschneidertes Programm zur
Rückfallverhinderung eingewiesen. Überprüfungen von Bewerbern für eine Arbeit mit Kindern werden
umfassender und für Arbeitgeber leichter zugänglich. Zur Erkennung von sexueller Ausbeutung von Kindern
werden Erziehungsprogramme, Aufklärungskampagnen und Weiterbildungen durchgeführt.
- Um die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet zu stoppen, werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Internetseiten
mit kinderpornografischem Inhalt von Servern in ihrem Staatsgebiet zu entfernen und auch außerhalb der eigenen
Grenzen darauf hinzuwirken. Zusätzlich können die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um den Zugang
zu solchen Seiten für Benutzer aus ihrem Staatsgebiet zu sperren.
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